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KommentarWie kann die CDU diese Ministerin nur so im Regen stehen lassen?

Keines der großen Probleme des Landes lässt sich ohne das Unternehmertum lösen. Katherina Reiche weiß das – der Rest der Regierung tut, als gäbe es einen zweiten Mittelstand in Reserve.Thomas Sigmund 21.10.2025 - 11:22 Uhr
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Ministerin Reiche: Viele gute Ideen, wenig Umsetzung. Foto: Kay Nietfeld/dpa

Früher rüttelte Gerhard Schröder am Zaun des Kanzleramts – heute sind es die Mittelständler. Vor dem letzten Koalitionsausschuss reckten Familienunternehmer, Verbandsvertreter, Handwerker und Freiberufler dort Protestschilder in die Höhe. „Die Zeit läuft weg“, „Macht endlich die Wirtschaftswende“, „Stoppt die Insolvenzwende“, stand darauf.

Solche Bilder hat es zu Zeiten der CDU-Kanzler Helmut Kohl oder Angela Merkel nicht gegeben. Doch die Sorgen sind groß. Die Unternehmer nehmen kaum noch ein Blatt vor den Mund – und das mit gutem Grund.

Prominente Vertreter der Wirtschaftsverbände formulierten ihren Unmut unlängst in einem Gastbeitrag für das Handelsblatt ähnlich unmissverständlich. Die versprochene Senkung der Stromsteuer? Vertagt. Das Lieferkettengesetz? Halbherzig korrigiert. Das Tariftreuegesetz? Bürokratie pur. Hinzu kommen steigende Sozialabgaben und der kräftige Sprung beim Mindestlohn, der die Arbeitskosten weiter in die Höhe treibt. „Positive Akzente pro Mittelstand?“ „Fehlanzeige!“, schrieben die Wirtschaftsvertreter.

Wenn sich also nun seit dieser Woche der Mittelstand regelmäßig mit Wirtschaftsministerin Katherina Reiche und der Mittelstandsbeauftragten Gitta Connemann zum Dialog trifft, dann sollte Schluss sein mit Sonntagsreden. Die Unternehmer wissen, dass es in einer Koalition keine reine CDU-Politik geben und Friedrich Merz nicht als „Wirtschaftskanzler“ durchregieren kann.

Aber wenn für die Industrie Auto- und Stahlgipfel organisiert und mit der Initiative „Made for Germany“ Hochglanzbilder produziert werden, darf man die 3,4 Millionen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in Deutschland nicht wie das Anhängsel der Volkswirtschaft behandeln. Schließlich sichern sie rund 60 Prozent aller Arbeitsplätze, bilden über 80 Prozent der Azubis aus und stehen für mehr als die Hälfte der Wirtschaftsleistung.

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Der Mittelstand braucht keine weiteren Floskeln, dass es „eine Minute nach zwölf“ sei oder der Standort Deutschland „zu teuer und zu langsam“ geworden sei. Das wissen die Unternehmer längst – sie erleben es täglich. Was sie erwarten, sind konkrete Schritte, nicht neue Sonntagssprüche.

Denn sie merken, wenn Inszenierung und Wirklichkeit auseinanderklaffen. Das Kabinett kann nicht in der Villa Borsig stolz ein „Bürokratieentlastungsgesetz“ beschließen und kurz darauf in Brüssel mit Unions-Stimmen ein Verbot der Veggie-Wurst mittragen – ein weiteres Sinnbild für Regelungswut ohne Maß.

Reiche hat sich in den vergangenen Monaten zu Rente, Arbeit und Steuern deutlich zu Wort gemeldet – oft über den Koalitionsvertrag hinaus. Doch aus der Unionsspitze hieß es: Das Timing passe nicht oder die Aussagen könnten den sensiblen Koalitionspartner verschrecken.

Dass die Partei Ludwig Erhards eine ordnungspolitische Ministerin so im Regen stehen lässt, ist schlecht und nützt dem Mittelstand nichts. Eine gute Ordnungspolitik ist immer noch die beste Mittelstandspolitik.

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Die Bundesregierung sollte sich an Apple und seinem iPhone ein Beispiel nehmen, das ohne ständige Innovation nicht auskommt. Jede neue Generation bringt Verbesserungen und Leistungsschübe. Aus Sicht vieler Unternehmer trifft das auf diese neue Regierung bisher nicht zu.

Keine der großen Aufgaben – Sicherheit, Integration, Bildung, Innovation – lässt sich ohne den Mittelstand bewältigen.

1. Keine Aufrüstung ohne Mittelstand
Bei den Rüstungsplänen der Bundeswehr spielen mittelständische Unternehmen längst eine zentrale Rolle. Firmen wie Hensoldt mit ESG oder Dynamit Nobel Defence entwickeln Sensorik, Kommunikationstechnologie und Schutzsysteme. Über 70 Prozent der Zulieferer in der Verteidigungsindustrie sind Mittelständler. Ohne sie wird keine „Zeitenwende“ gelingen.

2. Keine Integration ohne Mittelstand
Rund 80 Prozent aller Geflüchteten, die in Deutschland arbeiten, sind in kleinen oder mittleren Betrieben beschäftigt. Dort lernen sie die Sprache, Strukturen und Werte des Landes kennen. Der Mittelstand ist das Rückgrat gesellschaftlicher Integration. Wo, wenn nicht dort, sollen neue Fachkräfte Fuß fassen?

3. Kein Bildungsaufstieg ohne Mittelstand
Über zwei Drittel aller Ausbildungsverträge in Deutschland werden von kleinen und mittleren Unternehmen geschlossen. Vom Kfz-Meister bis zur Bäckerin, vom Elektroniker bis zur Industriekauffrau – sie alle verdanken ihren Start in die Berufswelt meist einem Mittelständler oder dem Handwerk. Ohne diese Betriebe droht das duale System zu erodieren. Wer also über Bildungsgerechtigkeit redet, muss den Mittelstand fördern.

4. Keine Innovation ohne Mittelstand
95 Prozent aller forschenden Unternehmen in Deutschland sind mittelständisch geprägt. Doch in Amtsstuben, der einzigen Branche, die derzeit tatsächlich wächst, werden Innovationen oft verhindert statt gefördert. Wenn die Regierung es ernst meint mit Fortschritt, muss sie hier ansetzen.

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Rüstung, Bildung, Innovation, Integration – das sind keine Randthemen, sondern die zentralen Stellschrauben für Deutschlands Zukunft. Es bleibt unverständlich, warum die Bundesregierung diese schlichten, aber entscheidenden Wahrheiten weiter ignoriert. Fast hat man den Eindruck, die Politik denkt, sie hätte einen zweiten Mittelstand in Reserve, wenn der erste kollabiert.

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