1. Startseite
  2. Meinung
  3. Kommentare
  4. Leserdebatte: So blickt die Handelsblatt-Leserschaft auf ein Jahr Zeitenwende

LeserdebatteZeitenwende oder Zeitlupenwende? So sieht es die Handelsblatt-Leserschaft

Wie blicken Handelsblatt-Leserinnen und -Leser auf ein Jahr Zeitenwende? Lesen Sie hier eine Auswahl an Kommentaren. 02.03.2023 - 15:03 Uhr
Artikel anhören

Der Bundeskanzler hielt zu Beginn der Sondersitzung des Bundestags zum Krieg in der Ukraine seine „Zeitenwende“-Rede.

Foto: dpa

Einen „Hauch der Geschichte“ habe Bundeskanzler Olaf Scholz vor einem Jahr mit seiner „Zeitenwende“-Rede im Bundestag drei Tage nach dem russischen Überfall auf die Ukraine geatmet, meint ein Handelsblatt-Leser. Damals hatte Scholz für viele Menschen den richtigen Ton angeschlagen angesichts der dramatischen Veränderungen. In seiner Rede ging er vor allem auf die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik ein und kündigte das Sondervermögen über 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr an.

Nach einem Jahr lassen wir die Handelsblatt-Leserschaft eine Zwischenbilanz ziehen. In den meisten Zuschriften spiegelt sich dabei eher Resignation wider: „Scholz“ mächtige Wörter verdecken die triste Realität, die nach ihnen folgte“, schreibt beispielsweise ein Leser. Für einen anderen Leser bleibe das Wort „Zeitenwende“ „ein Schlagwort“, ein anderer würde es gar zum „Unwort des Jahres“ küren. Inhaltlich handele es sich um eine späte Erkenntniswende, der bislang keine wirkliche Tatenwende folge, meint der Leser weiter.

Einen der Gründe für die „Zeitlupenwende“ sieht eine Leserin in der Bürokratie, in der die Bundeswehr versinke. „Durch das jahrzehntelange Kaputtsparen, bei dem lediglich die Bürokratie gehätschelt wurde und sich aufblähte, stockt einfach alles“, schreibt sie weiter. Ein anderer Leser befürchtet: „Bis es dann endlich losgehen soll, ist entweder kein Geld mehr da, oder die Zeit hat sich erneut gewendet …“

Aus den Zuschriften der Handelsblatt-Leserschaft haben wir eine Auswahl für Sie zusammengestellt.

Mächtige Wörter verdecken die triste Realität

„Es ist schon bemerkenswert, wie #WoistOlaf Scholz, dem selbst Wohlmeinende weder überbordendes Talent noch unbändige Lust an Kommunikation attestieren, immer wieder in der Lage ist, durch mächtige Worte kommunikative Pflöcke einzuschlagen. Wumms und Doppel-Wumms waren eher was fürs Grobe. Mit der Zeitenwende dagegen atmete der Kanzler vor einem Jahr den Hauch der Geschichte.

Heute hat man den Eindruck, Scholz habe das Wort erfunden. Der historische Moment des Bundeskanzlers wurde medial zelebriert, als habe Martin Luther King einen Traum gehabt und Winston Churchill ‚never surrender‘ gerufen. Scholz“ mächtige Wörter verdecken die triste Realität, die nach ihnen folgte. In der Bundeswehr ist aktuell von Zeitenwende jedenfalls keine Spur. Ein Beleg für Scholz“ kommunikative Exzellenz. Klingt komisch, ist aber so.“
Dirk Benninghoff

Wie ein Sketch

„Danke für ihre Umfrage zur Bundeswehrreform. Das ist jetzt kein Witz (oder doch): Otto hat schon in den 70er-Jahren einen Sketch performt, der in etwa so ging: ‚Nach sechs Monaten ist es uns endlich gelungen, eine Genehmigung zu bekommen, die Unterwäsche zu wechseln. Fangen wir also gleich damit an: Zimmermann wechselt mit Zürn, Schmidt mit …

Somit gab es also im Bereich der Materialwirtschaft der Bundeswehr wohl schon jahrzehntelang Misswirtschaft. Da sich diese wahrscheinlich zur Kultur verfestigt hat, ist mit einer Strategieänderung auch nur wenig Veränderung zu erwarten (‚Culture eats strategy for breakfast‘).

Ansonsten fühle ich mich völlig unqualifiziert, sachlich etwas dazu zu äußern.“
Marc M. Batschkus

>> Lesen Sie dazu: Ein Jahr nach der Zeitenwende-Rede des Kanzlers Bundeswehr steht noch schlechter da

Unwort des Jahres

„Das Wort ‚Zeitenwende‘ verdient es, zum Unwort des Jahres gekürt zu werden. Inhaltlich handelt es sich um eine sehr späte Erkenntniswende, der bislang – wie immer in Deutschland – keine wirkliche Tatenwende folgte, die diesen Namen verdiente.“
Ludger Brake

Für die Bundeswehr ist die Zeitenwende rasant

„Natürlich gab es eine Zeitenwende. Für die Bundeswehr ist sie rasant. Für eine Bürgergeldempfängerin im Zeitlupentempo. Der Empfänger entscheidet über die Wirklichkeit, nicht der Sender. Dafür sollten wir uns die Schuhe des jeweiligen Empfängers der Zeitenwende anziehen, bevor wir urteilen.“
Bernd Braun

Es stockt alles

„Zeitlupenwende ist die zutreffendere Bezeichnung, denn es tut sich kaum was. Von den 100 Milliarden Euro Sondervermögen ist bislang kaum etwas verbraucht, weil die Bundeswehr zum einen in Bürokratie versinkt und zum anderen die 100 Milliarden Euro ja auch tatsächlich nicht vorhanden sind. Das heißt: mehr Schulden für Projekte, die erst bewilligt werden müssten, und auch da tut sich bisher nichts Konkretes. Bevor die Bundesregierung bestellt, haben das schon andere Firmen aus dem Ausland vollzogen und werden zuerst beliefert.

Durch das jahrzehntelange Kaputtsparen, bei dem lediglich die Bürokratie gehätschelt wurde und sich aufblähte, stockt einfach alles. Eine komplette Neuaufstellung wäre nötig, und zwar schnell.“
Iris Zessner

Immer Zeitlupe

„Das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) ist immer Zeitlupe. Der größte Demotivator kam, mal wieder, aus der CSU und gab dem Amt nichts außer einen neuen Namen! Da braucht es auch keine Berater mehr, sondern eine Reform von innen heraus, unter Beteiligung der Beteiligten selbst! Das braucht Moderation und politische Unterstützung!

PS: Das Geld wird früher oder später schon eingesetzt, aber selbst die private Industrie kann das nicht von heute auf morgen schaffen.“
Manfred Ostertag

Verwandte Themen Deutschland Rüstungsindustrie

Es bleibt ein Schlagwort

„Das Schlagwort ‚Zeitenwende‘ wurde von Olaf Scholz so ausgesprochen und es bleibt bislang auch nur ein Schlagwort. Wie so oft benennen Politiker ihre Ambitionen, propagieren diese, um dem Volk zu signalisieren, man tue etwas, obgleich diese darauf über kurz oder lang wieder verschwinden. Bis es dann endlich losgehen soll, ist entweder kein Geld mehr da, oder die Zeit hat sich erneut gewendet …“
Christian Strasser

Prioritäten hätten neu gesetzt werden müssen

„Nach der Rede des Bundeskanzlers Ende Februar 2022 hätten die drei Koalitionsparteien ihren Koalitionsvertrag neu verhandeln müssen. Denn der russische Krieg hat alles auf den Kopf gestellt. Prioritäten müssen in solch einem Fall neu gesetzt werden – anschließend von den Parteitagen beschlossen werden. Das wäre gute, vernünftige Politik. Die sehe ich bei Scholz, Habeck, Lindner und ihren Parteien leider nicht mehr.“
Erich Baier

Wenn Sie sich zu diesem Thema im Handelsblatt zu Wort melden möchten, schreiben Sie uns einen Kommentar, entweder per E-Mail an forum@handelsblatt.com oder auf Instagram unter @handelsblatt.

Mehr: In der vergangenen Woche haben Handelsblatt-Leserinnen und -Leser auf ein Jahr Krieg in der Ukraine geblickt.

cf
Mehr zum Thema
Unsere Partner
Anzeige
remind.me
Jetziges Strom-/Gaspreistief nutzen, bevor die Preise wieder steigen
Anzeige
Homeday
Immobilienbewertung von Homeday - kostenlos, unverbindlich & schnell
Anzeige
IT Boltwise
Fachmagazin in Deutschland mit Fokus auf Künstliche Intelligenz und Robotik
Anzeige
Presseportal
Direkt hier lesen!
Anzeige
STELLENMARKT
Mit unserem Karriere-Portal den Traumjob finden
Anzeige
Expertentesten.de
Produktvergleich - schnell zum besten Produkt