Pandora Papers An die Wurzel des Übels traut sich niemand – Warum die Politik im Kampf gegen Steuerhinterzieher versagt

Das Gebäude taucht in den Pandora Papers im Zusammenhang mit dem aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Aliyev auf.
Köln Für den Bundesfinanzminister, das betont Olaf Scholz immer wieder, hat der Kampf gegen Steuerbetrug höchste Priorität. Ein Hauptübel sind dabei aus Sicht des SPD-Kanzleranwärters „Steueroasen und Steuerinseln für all diejenigen, die versuchen, sich vor dem Steuernzahlen zu drücken“. Ein Mittel dagegen sei, nicht kooperative Steuergebiete auszuweisen und sie auf eine schwarze Liste zu setzen.
„Wer auf dieser Liste steht, muss mit ernsthaften Konsequenzen und Sanktionen rechnen“, sagte Scholz vor dem Deutschen Bundestag im Mai 2021. Dies gelte für die betroffenen Länder, aber auch für „die Unternehmen, die mit diesen Ländern kooperieren und von den Möglichkeiten dort Gebrauch machen“.
Kurz darauf verabschiedete der Gesetzgeber das sogenannte Steueroasen-Abwehrgesetz. Es schien, als habe der Staat im Kampf gegen Steuerflüchtlinge eine Schlacht gewonnen. Verspätet natürlich – die „Panama Papers“ über prominente Flüchtlinge in Steueroasen wurden immerhin schon 2016 veröffentlicht, andere Erkenntnisse zu einschlägigen Problemen sind noch älter. Aber immerhin: Deutschland benannte im Schulterschluss mit anderen Ländern der Europäischen Union tatsächlich eine „schwarze Liste“ für unlauteres Steuerdumping.
Diesen Eindruck freilich behielt nur, wer nicht näher hinsah. Die Länder auf der schwarzen Liste tragen Namen wie Trinidad und Tobago, Fidschi, Seychellen, Barbados, Belize und Bermuda. Unternehmen, die dort Geschäfte machen, können nun unter Umständen Betriebs- und Werbungskosten nicht mehr absetzen. Zudem werden Regelungen zur Quellensteuer verschärft, die bei Kapitalerträgen im Ausland anfällt. Zahlreiche Ausnahmen und Sonderregelungen bieten allerdings viel Spielraum. Genau das also, was Steuerrechtsexperten so lieben.
An die Wurzel des Übels traut sich die Politik ohnehin nicht. Wer braucht schon eine Geschäftsadresse auf den Seychellen, wenn es so viele andere Optionen gibt? Die zum britischen Überseegebiet gehörenden Kaimaninseln etwa wurden in letzter Minute wieder von der schwarzen Liste gestrichen. Nach Schätzungen des auf die Bekämpfung von Steuerumgehung spezialisierten „Tax Justice Network“ sind die gebannten Länder nur für weniger als zwei Prozent der globalen Verluste durch Steuervermeidung verantwortlich.
Die Steueroasen sind gleich nebenan
Die Europäische Union schafft es nicht einmal, ihre eigenen Mitgliedstaaten zu disziplinieren. Selbst innerhalb der EU gibt es heute Länder, die als Steuerparadiese gelten. In Zypern und Malta sind zahllose Briefkastenfirmen angesiedelt. Selbst die Niederlande, Irland oder das Großherzogtum Luxemburg ziehen wegen ihrer super-günstigen Steuerkonditionen massenweise Finanzfirmen und Holdings an.
Großbritannien denkt nach dem Brexit natürlich nicht daran, sich Regeln auferlegen zu lassen. Das Lieblingsziel deutscher Steuerflüchtlinge war lange Zeit die Schweiz. Heute ist es die britische Kanalinsel Jersey: Mehr als 180 Milliarden Euro haben Bundesbürger dort gebunkert.
So bleibt alles, wie es ist. International geschulte Steuerberater verschieben für ihre Kundinnen und Kunden Gewinne und Vermögen genau dorthin, wo sie vor dem Zugriff des heimischen Fiskus geschützt sind. Deutsche Konzerne beschäftigen zu diesem Zweck ganze Abteilungen, einzelne Vermögende halten den Aufwand geringer. Details bringen in unschöner Regelmäßigkeit Datenleaks hervor, wie die gerade vom internationalen Recherchenetzwerk ICIJ veröffentlichten Enthüllungen namens „Pandora Papers“.
Dass sich nach der Veröffentlichung der „Panama Papers“ vor gut fünf Jahren viel zu wenig im Kampf gegen die internationale Steuervermeidung getan hat, ist erst recht ein Grund, weiter auf die Missstände aufmerksam zu machen. Der Druck auf die Politik, dem Treiben ein Ende zu bereiten, darf nicht nachlassen. Soziale Marktwirtschaft und der Rechtsstaat hängen auch daran, dass ehrlich Steuerzahlende nicht alle Hoffnung aufgeben, mehr als die Dummen zu sein.
Genau dazu freilich haben sie jetzt weniger Grund als je zuvor. Die „Pandora Papers“ zeigen, dass ausgerechnet diejenigen Steuerschlupflöcher nutzen, die sie eigentlich stopfen sollten: Spitzenpolitiker in aller Welt. Ihr Verhalten untergräbt das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Staat mehr als alles andere. Bleibt zu hoffen, dass diese Politiker bei Wahlen zumindest in den demokratischen Staaten schnell die Quittung kriegen.
Mehr: Warum das neue Gesetz gegen Steueroasen so umstritten ist.
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