Morning Briefing Der neuste Hit: „Deutschland-Koalition“
Guten Morgen liebe Leserinnen und Leser,
eine Politik des „Weiter-So“, also der gut bekannte Angela-Merkel-Stil des „Auf-Sicht-Fahrens“, ist offenbar ein Reizwort ganz oben in deutschen Firmen. 55 Prozent von 750 Unternehmern, die Civey für das Handelsblatt befragte, sehnen sich regelrecht nach einem Neuanfang. Den trauen sie demnach am meisten der Grünen-Chefin Annalena Baerbock zu, die allerdings durch seltsame Pirouetten auffällt. So verschließt sie sich zusehends Zeitungsinterviews und bemühte sich nicht – anders als ihre Kanzlerkandidatenkonkurrenz – um einen Termin im Élysée-Palast in Paris.
Dort wird heute SPD-Recke Olaf Scholz von Präsident Emmanuel Macron empfangen. Am Mittwoch ist dann Unions-Mann Armin Laschet dran, der im Heimatort Aachen stets irgendwie von Karl dem Großen umgeben ist. Manche denken bei ihm inzwischen an einen Heinz-Erhardt-Spruch: „Wer den Schaden hat, spottet jeder Beschreibung.“
Vielleicht ist so wenig außenpolitisches Bewusstsein auch ein Grund dafür, warum sich FDP-Vize Wolfgang Kubicki im Handelsblatt für eine rot-schwarz-gelbe „Deutschland-Koalition“ ausspricht, selbst unter Scholz-Ägide. Sein Parteichef Christian Lindner wiederum kritisiert eine gewisse inhaltliche Desorientierung in der Union. Sie sollten „nicht an der Schuldenbremse herumdoktern“, sagt er in der ARD und stellt klar: Das Angebot der FDP sei eine „Politik der Mitte“. Wahlen werden in der Mitte gewonnen, aber diese definiert jeder anders.
Zur Automobilmesse IAA in München diese Woche kündigen Autobauer Großprojekte und Umweltaktivisten Großproteste an. Greenpeace sowie die Deutsche Umwelthilfe drohen zudem – inklusive einer „Gnadenfrist“ – mit Klagen, sollten die deutschen Autohersteller sich nicht verpflichten, bis 2030 aus der Verbrenner-Technik auszusteigen. VW prüft, BMW lehnt ab.
Man sei Vorreiter im Kampf gegen den Klimawandel, erklärt BMW-Vorstandschef Oliver Zipse, der Münchener Konzern setze sich für diesen Zeitraum selbst ehrgeizige Ziele: Die Emissionen sollen um 40 Prozent runter und 50 Prozent aller Materialien recycelt werden. BMW will schließlich für 22 Milliarden Euro fast doppelt so viele Batteriezellen einkaufen wie bisher geplant. CEO Zipse im Handelsblatt: „Das ist extrem anspruchsvoll – aber nur so funktioniert wirksamer Klimaschutz.“
Ich fürchte: Für diese Lektion aus dem Chefbüro werden Greenpeace & Co. wohl nicht empfänglich sein.
Und wenn wir schon beim Verklagen sind: Das European Center for Institutional and Human Rights (ECCHR) hat beim Generalbundesanwalt Strafanzeigen gegen einige Firmen wegen Mithilfe bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit erstattet. Betroffen sind Lidl, Hugo Boss, Aldi sowie C&A. Sie alle sollen – direkt oder indirekt – Materialien von Textilfirmen erhalten haben, die in das Zwangsarbeiterprogramm des chinesischen Staats in Xinjiang eingebunden sein sollen. Die deutschen Unternehmen weisen die Vorwürfe zurück. Man hat hier vermutlich im Blick, dass bei einem ähnlichen Fall eine Zivilklage gegen den Textildiscounter Kik wegen Verjährung abgewiesen worden war.
Als neuer Gipskönig von Iphofen präsentiert sich seit Monatsanfang Alexander Knauf. Vorbei die Zeit, als Vater und Onkel und dann der Ex-CEO Manfred Grundke Regie führten. Nun vollendet er die Weltexpansion des Konzerns (Jahresumsatz: 10,5 Milliarden Euro). Dazu gehört etwa, den übernommenen US-Marktführer USG nach der Herausnahme vom Börsenbetrieb so richtig familientauglich zu machen. „Wir sind noch nicht fertig“, trommelt Knauf im Gespräch mit meiner Kollegin Anja Müller in Bezug auf seine Weltpläne. Im Einzelnen sagt er über…
- die Akquisitionsstrategie: „Wir kaufen Firmen mit unterdurchschnittlicher Ertragskraft, investieren, richten sie neu aus und bringen sie dadurch auf unser Niveau. So generieren wir Wert. Wir kommen, um zu bleiben.“
- die Eroberung des afrikanischen Markts: „Wir schaffen uns in der Regel den Markt selbst. Wir schulen die Menschen mit dem für sie meist neuen Baustoff Gips, wir bauen dann einen Brückenkopf, exportieren zunächst und ziehen mit der Produktion nach. Inzwischen sind wir in Marokko, Algerien, Tunesien, Ägypten und Tansania vertreten.“
- Umsatz-Limits: „Da gibt es keine Grenze, denken Sie nur an die Schwarz-Gruppe mit 125 Milliarden Euro Umsatz. Wir haben eine enorme Innenfinanzierungskraft und werden jedes Jahr erhebliche Mittel in unsere Zukunft investieren und wachsen. Gips ist wirklich mein Leben.“

„Gips ist wirklich mein Leben.“
Foto: Knauf
Mit seinen Baustoffen schafft Knauf demnach etwas, wovon Oscar Wilde so geschwärmt hat: „Leben, das ist das Allerseltenste auf der Welt – die meisten Menschen existieren nur.“
Zusammen mit der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen lädt die WirtschaftsWoche zum „Weltmarktführer Innovation Day“. In diesem Jahr werden dort die Themen „Digitalisierung“ und „Gesundheit“ im Mittelpunkt stehen, unter anderem sind Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und Datev-Chef Robert Mayr mit dabei. Als Leserin oder Leser des Morning Briefings haben Sie die Chance, eines von zehn Gast-Tickets für das Event in Erlangen am 21. September 2021 zu gewinnen. Mit dem Code 76D2100888GSID können Sie sich hier für die Verlosung registrieren.
In Sao Paulo hatten vier Mitarbeiter der örtlichen Gesundheitsbehörde offenbar wenig Lust auf einen Fußballklassiker. Sechs Minuten nach Anpfiff des WM-Qualifikationsspiels von Brasilien gegen Argentinien stapften sie auf den Rasen und holten drei argentinische Profis, die in England spielen, wegen des Verdachts auf Verletzung der heimischen Corona-Quarantänegesetze vom Platz. Nachdem sich die Kameraden der Delinquenten solidarisierten, wurde die Partie abgebrochen. Aus dem Fußballfest war ein pädagogischer Test geworden. Vor dem ordnungsliebenden Beamten-Quartett sahen am Ende selbst die Superstars Neymar und Messi mit ihren Megamillionengehältern wie arme Schulbuben aus.

Und dann ist da noch Prinz Charles, Prince of Wales und Kronprinz in der Warteschleife, der einen Skandal in seinem Umfeld verkraften muss. Michael Fawcett, ein sehr alter, treuer Freund, trat holterdiepolter von der Spitze von Charles‘ Stiftungen zurück – nachdem in der „Sunday Times“ Vorwürfe über Fehlverhalten aufgetaucht waren.
Der königliche Freund soll demnach dem saudischen Geschäftsmann Mahfouz Marei Mubarak bin Mahfouz wenig edelmännisch geholfen haben, „Commander of the Most Excellent Order of the British Empire“ geworden zu sein. Auch wurde ein Wald in Schottland nach dem Araber benannt, der wiederum womöglich nicht ohne Hintersinn enorm an Charles‘ Stiftungen gespendet hatte. Auch Big Spender Mahfouz sollte Shakespeare kennen: „Jedes Ding wird mit mehr Genuss erjagt als genossen.“
Ich wünsche Ihnen einen genussreichen Start in die Woche.
Es grüßt Sie herzlich
Ihr
Hans-Jürgen Jakobs
Senior Editor
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