Morning Briefing Habemus papam? Im Laschet-Lager traut man Söder jede Volte zu
Guten Morgen liebe Leserinnen und Leser,
an diesem Morgen schaut man in die Zeitungen und auf die Websites mit dem Gefühl, die zuletzt lahmende Erfolgsmaschine Deutschland ruckelt und könnte mehr Fahrt aufnehmen. Das liegt vor allem an Annalena Baerbock, der nun fröhlich proklamierten grünen Kanzlerin-Kandidatin, Galionsfigur der Generation Google, der 35- bis 55-Jährigen.
Ihrer Kandidatin-Antrittsrede legte sie die muntere Melodie unter: „Deutschland kann viel mehr, als es zeigt“. Und sprach vom Ende des Auf-Sicht-Fahrens, also der klassischen Angela-Merkel-Politik, und vom großen Neuanfang. Dazu gehört, dass sich die 40-Jährige im Fernsehen nicht dem öffentlich-rechtlichen „Was-nun?“-Spiel stellte, sondern sich lieber bei ProSieben befragen ließ. Etwa so: „Geht Ihnen der Arsch auf Grundeis?“ Grundeis? Baerbock lachte, und am Schluss klatschten ihre Interviewer.
Wenn für die deutsche Industrie, etwa die Autobauer, Klimaschutz das Thema der Stunde ist, dann liftet das automatisch das Stimmungsbild der Grünen. Ihre Politik hat im Milieu der Bürgerlichen den Schrecken verloren. Und die Art, wie Co-Parteichef Robert Habeck am Ende verzichtete und Baerbock den Vortritt ließ, ist auch geeignet, die Sympathie im Volk zu steigern: „Wir beide wollten es, aber am Ende kann es nur eine machen“, sagte der studierte Philosoph.

Ein wenig schien CSU-Chef Markus Söder von diesem Geist erfüllt. Er erklärte am gestrigen frühen Nachmittag auf einmal, weiter für die Kanzlerkandidatur zur Verfügung zu stehen, aber er mache ja nur ein Angebot. Die Entscheidung darüber überlasse er dem Bundesvorstand der großen Schwester CDU. Und der ging am Abend in eine sechsstündige Video-Sitzung, in der Parteichef und Kanzler-Kandidaten-Kandidat Armin Laschet zur freien Aussprache bat. Am Ende gab es viele Meinungen und viele technische Probleme bei der geheimen Abstimmung.
Schließlich votierten 31 Vorstandsmitglieder für Laschet, neun für Söder, sechs enthielten sich. Eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Der Plan einer Kreisvorsitzendenkonferenz wurde wieder gestrichen. Das Meinungsbild könnte man so resümieren: Ja, Laschet, ja, aber…
- Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier sagt, er habe sich „sehr stark für den Armin eingesetzt“, daran habe sich nichts geändert. Aber ein positives Ergebnis für Laschet entspreche „nicht den Erwartungen von vielen in unserer Partei“. Und: „Wir müssen uns darauf einstellen, dass das so nicht akzeptiert wird.“
- Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer transportiert die Skepsis vieler Ost-CDUler. Laschet sei Parteichef, die Kanzlerkandidatur sei aber eine ganz andere Frage. Der Bundesvorstand habe eine Führungsaufgabe, was nicht bedeute, „mit dem Fuß aufzustampfen“. Sein Wunsch: ein „starker Parteivorsitzender“ und ein „Kanzlerkandidat, der die Wahlen gewinnen kann.“
- Zustimmung bekommt Laschet zum Beispiel von der Unionsfraktion im Europa-Parlament. Die deutliche Mehrheit sei für den NRW-Ministerpräsidenten, sagt Geschäftsführer Markus Pieper: „Armin Laschet hat Europa im Herzen.“
Bleibt nur die Frage, ob CSU-Chef Söder diese Entscheidung aus der Nacht akzeptiert. Oder ob er doch die Breite der Partei nicht repräsentiert sieht. Habemus papam? Im Laschet-Lager traut man dem Frieden nicht und dem Rivalen jede Volte zu. Zum Schluss aber dürfte eine Mahnung des CDU-Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble an Laschet eine Schlüsselrolle gespielt haben: Er müsse jetzt wirklich nach der Spitzenkandidatur greifen – sonst werde er sich nicht als CDU-Chef halten können. Da begriffen sie auch in München, wie viel in Wirklichkeit auf dem Spiel steht.
Ein wenig lichtet sich der Nebel über der neuen „Super League“, die zwölf Spitzen-Fußballklubs aus England, Spanien und Italien gegründet haben. Als Generalsekretär tritt Anas Laghari auf, der zuletzt beim Private-Equity-Haus Key Capital Partners wirkte, und zwar in Madrid, wo Florentino Pérez sitzt, Chairman der „Super League“ und Präsident des Traditionsvereins Real.
Laghari verkündet in einem Interview mit „Le Parisien“, dass der Spielbetrieb im September beginnen könne, mit oder ohne den Fußballverband Uefa. 400 Millionen Euro könnte man an Europas Fußball verteilen. Die deutschen Klubs FC Bayern München und Borussia Dortmund, die in der Super-Liga noch fehlen, würden „in den nächsten Stunden konsultiert“, so Laghari. Der Generalsekretär schildert das Milliarden-Investment unter anderem als Versuch, junge Menschen von der Spielkonsole zurück zum Fußball zu bringen.

Der politisch beschlossene Kohleausstieg war für den Konzern RWE zum Schluss ein Geschäft. Der Bund sicherte 2,6 Milliarden Euro als Entschädigung für das Ende der Förderung und der Verstromung von Braunkohle zu. In dieser stattlichen Summe sehen einige Energie-Rivalen, darunter einige große Regionalversorger, allerdings eine Wettbewerbsverzerrung – und alarmieren die EU-Kommission.
Sie soll prüfen, ob eine unzulässige Beihilfe vorliegt, also eine unerlaubte Subvention, und die Zahlungen dann stoppen. In einem zweiten Schritt behalten sich die RWE-Opponenten sogar Klagen gegen die Kompensation aus dem Staatssäckel vor, hat mein Kollege Jürgen Flauger erfahren. Die Sache ist brenzlig, schließlich zweifelt die EU-Kommission selbst an dem Kohlegeld. Sie prüft den Deal derzeit intensiv.
Noch zweimal spielt Brüssel an diesem Morgen eine Rolle. So wird bekannt, dass die EU neue Regeln für Interessenskonflikte aufstellen will. Anlass ist ein neuer Auftrag für Blackrock, mit fast neun Billionen Dollar größter Vermögensverwalter der Welt. Die von CEO Larry Fink gelenkten New Yorker Spezialisten bekamen von der EU-Kommission die Order, neue Regeln für ökologisch unbedenkliche Investments der Banken auszuarbeiten – obwohl der US-Finanzriese selbst auch an Ölkonzernen beteiligt ist. Die Europäische Bürgerbeauftragte Emily O’Reilly moniert, mögliche Interessenskonflikte seien nicht sauber berücksichtigt worden. Darauf reagieren die EU-Lenker nun mit dem Versprechen, über „mögliche Klarstellungen nachzudenken“.

Und dann ist da noch der Luxemburger Jean-Claude Juncker, bis Sommer 2019 Präsident just dieser EU-Kommission. In der britischen Zeitung „I“ beendete der 66-Jährige seine Schweigeperiode mit kantiger Kritik an führenden Kommissaren der EU. Der misslungene Start der Impf-Kampagne habe klar „den Ruf der EU beschädigt“, wettert der Politiker. Die Anfang 2021 gemachten Versprechen, etwa dass jetzt die „Stunde Europas“ komme, hätten sich als Worthülsen herausgestellt. Seine direkte Nachfolgerin Ursula von der Leyen hatte Junker jüngst noch von der Alleinschuld am Impfdebakel freigesprochen: „An diesem Spielchen beteilige ich mich nicht.“
Ich wünsche Ihnen einen produktiven Tag. Vom Schriftsteller André Malraux können wir aus gegebenem Anlas lernen: „Mit der Macht kann man nicht flirten, man muss sie heiraten.“
Es grüßt Sie herzlich
Ihr
Hans-Jürgen Jakobs
Senior Editor
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...jetzt hat sie es geschaftt, die Frau Merkel,
alles, aber auch wirklich alles innerhalb und außerhalb der Partei zu zerstören,
Chapeau,
Deutschland wird sich in 100 Jahren von den Machenschaften der Frau AM nicht erholen.
Dagegen sind die Waldbrände in Brasilien Glut auf dem Grill.
Deutschland finanziell, wirtschaftlich, ökonomisch, gesellschaftlich am Ende, das ganze Land nur noch verbrannte Erde.
Aber alle haben mitgespielt, die CDU, die CSU, und am schlimmsten, die Wähler.
Das Grauen für Arbeitnehmer, Rentner, Mittelständler, Kleinbetriebe steht bevor.