Morning Briefing plus: Der Zukunftsplan

Liebe Leserinnen und Leser,
am Anfang war es nur eine verrückte Idee: Was wäre, wenn wir den vielen schlechten Zahlen mal konkrete Vorschläge entgegensetzen?
Nach monatelanger Arbeit ist diese Woche dann eine ganz besondere Ausgabe des Handelsblatts erschienen. Ein Jahr vor der Bundestagswahl, in einer Zeit, in der viele Menschen Politiker wählen, die die Wiederkehr einer Vergangenheit versprechen, die es so nie gab, wollen wir den Blick in eine Zukunft richten, wie sie sein könnte.
Es entscheiden sich nämlich gerade ein paar große Fragen für Deutschland: Wird das Land auch künftig wirtschaftlich in der Weltspitze mitspielen? Oder gibt sich Deutschland mit dem vierten, fünften oder sogar zehnten Platz zufrieden, wenn es um Innovationen geht?
Wir haben einige der prominentesten Wirtschaftsköpfe gebeten, ihre Ideen zu formulieren, unter ihnen CEOs wie Christian Sewing, Belén Garijo und Oliver Bäte, Ökonomen wie Monika Schnitzer und Harold James sowie Unternehmerinnen wie Nicola Leibinger-Kammüller. Zudem sind unsere Reporter ausgeschwärmt und haben sich angesehen, wie andere Länder an ihrer Zukunft arbeiten.
Verdichtet man all diese Ideen, lassen sich daraus Konturen eines Zukunftsplans für Deutschland erkennen.

Wir beschäftigen uns in der Ausgabe mit den ganz großen Themen, wie einer Kapitalmarktunion und einer radikalen Steuerreform. Aber auch mit sofort umsetzbaren Vorschlägen. Denn viele kleine Ideen zusammen können ebenso zu großen Veränderungen führen. Und vielleicht liegt den Deutschen, der Nation der inkrementellen Innovationen, eine solche Strategie der kleinen Schritte sogar mehr als der eine große Knall.
Es wäre aber zu einfach, die Schuld für die aktuelle Lage nur „der Politik“ zuzuschieben. Schließlich ist der Zustand der Ampelkoalition auch das Abbild einer Gesellschaft, die sie gewählt hat und die selbst nicht genau weiß, was sie will. Über Jahre hinweg haben die Deutschen Bundesregierungen ins Amt gewählt, die ihnen versicherten, dass sich die Welt zwar ändert, dass in Deutschland aber trotzdem alles so bleiben kann, wie es ist. Eine anstrengungslose Transformation war das Versprechen.

Ich denke, dass wir uns damit nicht abfinden müssen. In vielen Technologiefeldern werden wir in den nächsten fünf Jahren Entwicklungen erleben, die das Wirtschaftsleben für Jahrzehnte prägen werden. Ja, bei Künstlicher Intelligenz ist Deutschland von US-Technologiekonzernen abhängig. Aber das Rennen um Quantencomputer ist zum Beispiel noch offen.
Mit dieser Ausgabe wollen wir kluge Leute über solche Ideen ins Gespräch bringen. Und das ist keine einmalige Aktion, sondern ein Auftakt: Das Handelsblatt will fortan eine Bühne bieten, auf der Menschen aller Disziplinen über solche Ideen diskutieren.
In Gastbeiträgen, in Podcasts, auf unserer neuen Technologiekonferenz TECH in Heilbronn und in dem neuen Newsletter „Shift“, in dem wir bis zur Bundestagswahl jede Woche eine Idee präsentieren werden, die Deutschland ein kleines Stück voranbringen kann.
Einige Highlights aus der Zukunftsausgabe
1. Oft lautet der Vorwurf: Deutschland habe gerade keine Strategie. Das klingt immer gut in Talkshows und auf Podien. Allerdings haben nur wenige eine Antwort darauf, wie eine solche Strategie eigentlich aussehen sollte. Wir haben deshalb die drei wichtigsten Strategieberater in Deutschland, McKinsey, BCG und Roland Berger, gebeten, eine solche Strategie zu erarbeiten. Die drei Managementberatungen, die sonst in intensivem Wettbewerb miteinander stehen, haben sich dafür erstmals zusammengetan, um einen Strategieplan für Deutschland, eine Agenda 2035, zu entwerfen.
2. Ohne gute Bildung können allerdings all die großen Pläne nicht funktionieren. Deshalb widmen sich viele Texte dieser Ausgabe mit diesem Fundament unserer Zukunft. Unsere Reporterinnen haben staatliche Schulen besucht, die heute schon jeden Tag zeigen, wie ein besseres Bildungssystem aussehen könnte. Die Soziologin Jutta Allmendinger beschreibt, wie künftig frühkindliche Bildung aussehen muss. Und SAP-Chef Christian Klein macht Vorschläge, wie sich Kreativität, Neugierde und Lösungsorientierung stärker fördern ließen. Merck-Chefin Belen Garijo wiederum bringt einen Bildungspakt zwischen Wirtschaft und Politik ins Gespräch.

3. Aber wir haben uns auch mit der Frage befasst, was die große Transformation mit uns als Gesellschaft macht. In einem höchst lesenswerten Interview erklärt der Soziologe Steffen Mau, wie die vielen Schocks uns als Gesellschaft zugesetzt haben – und warum uns das Land zerrissener vorkommt, als es wirklich ist.
4. Das Verständnis der Vergangenheit, so sagt es der Historiker Yuval Noah Harari immer wieder, sei wesentlich, um aktuelle Entwicklungen wie auch Zukunftsszenarien zu verstehen. Deshalb haben wir mit Harari über die Zukunft gesprochen. Und, ich sage es gleich, es war ein intensives, durchaus düsteres Gespräch. Der Historiker glaubt, dass die KI-Revolution das Zeug hat, die Evolution des gesamten Lebens zu verändern. Im Interview erklärt Harari, welche Entscheidungen die Europäer nun treffen müssen. Denn Zukunft ist nie deterministisch. Sie ist das Ergebnis unserer Entscheidungen.

5. Mich fasziniert der Aufstieg Singapurs schon seit vielen Jahren. Es ist zu einem Millionärsparadies, einem Hightech-Standort und einem weltweit relevanten Innovationstreiber aufgestiegen. Dahinter steckte ein klarer Plan. Unser Asien-Korrespondent Mathias Peer war dort und beschreibt, was sich Deutschland abschauen kann – und was die Schattenseiten des Aufstiegs sind. In weiteren Best-Practice-Analysen lesen Sie, wie Estland zum Pisa-Sieger wurde, wie Schweden sein Rentensystem umbaute (und damit rettete), wie Taiwan seine Chip-Industrie aufbaute und wie Seoul zur weltweit führenden Smart City wurde.
6. Außerdem in der Ausgabe: Zahlreiche sehr konkrete und teils überraschende Vorschläge von Ökonominnen und Ökonomen. Dominika Langenmayr von der Universität Eichstätt-Ingolstadt macht Vorschläge für ein radikal vereinfachtes Steuersystem, Moritz Schularick vom IfW Kiel schlägt einen globalen Online-Test für Einwanderer vor, Philipp Strack von der Yale University schlägt ein System für gerechtere Klimasteuern vor, und die Wirtschaftsweise Veronika Grimm argumentiert, dass Deutschland die Energiewende komplett anders angehen muss.
7. Ein ganz wunderbares Interview hat meine Kollegin Kirsten Ludowig beigesteuert: Sie hat mit der Chirurgin Aurelia Hölzer gesprochen, die mit ihrem Forscherteam in der Antarktis sieben Monate in völliger Isolation gelebt hat. Hölzer beschreibt, was sie in dieser Zeit über Resilienz gelernt hat und wie es gelingt, Widrigkeiten an diesem Ort der Extreme zu überwinden.

8. Aber wir haben uns nicht nur mit ökonomischen Fragen beschäftigt. Sechs Architekturbüros zeigen in visionären Entwürfen, wie die Zukunft deutscher Metropolen aussehen könnte.

9. Und da ist noch so viel mehr. Wir haben mit dem Unternehmer Hasso Plattner über sein Leben gesprochen – und von welchen seiner Fehler andere lernen können. Unser US-Korrespondent Felix Holtermann hat einen wunderbaren Bericht geschrieben, wie er nach zwei Jahren in den USA auf Deutschland blickt (während er gerade ins Silicon Valley zieht). Und Management-Forscher Gary Hamel und Bayer-Chef Bill Anderson argumentieren, dass Unternehmen in Zukunft radikal anders geführt werden müssen.
Ich bin wirklich gespannt, was Sie zu diesem Programm sagen.
Welche Ideen haben Ihnen am besten gefallen? Was fehlt? Welche Ideen sollten wir diskutieren?
Schreiben Sie mir an: sebastian.matthes@handelsblattgroup.com.


Herzlichst
Ihr Sebastian Matthes





