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Elektromobilität Wie ein rollender Eisberg – der Bentley Bentayga im Handelsblatt-Autotest

Bentley soll bis 2030 elektrisch werden. Bisher bieten die Briten mit dem Bentayga aber nur ein halbelektrisches Modell. So schlägt es sich im Test.
01.09.2021 - 07:30 Uhr Kommentieren
Die schiere Größe des Bentley Bentayga ist eine Herausforderung für die engen englischen Wege.
Eisberg auf Rädern

Die schiere Größe des Bentley Bentayga ist eine Herausforderung für die engen englischen Wege.

London Was für ein Koloss. Weiß und wuchtig wie ein Eisberg steht er da, der Bentley Bentayga Hybrid. Mit 5,13 Metern ist er noch einige Zentimeter länger als die größten SUVs der Schwestermarken Porsche und Audi. Bentley steht im VW-Konzern für die automobile Oberklasse – und genauso präsentiert sich das SUV der Marke auch.

Mich sorgt vor allem die Breite, denn ich will mit dem Wagen nach Cornwall. Von Außenspiegel zu Außenspiegel misst der Bentayga satte 2,22 Meter, das kann zwischen den Hecken auf englischen Landstraßen schon mal eng werden. Und Kratzer möchte ich an dem 181.000 Euro teuren Testwagen schließlich nicht hinterlassen.

Das mulmige Gefühl legt sich nach dem Einsteigen schnell. Trotz seiner Ausmaße erweist sich der Bentayga als erstaunlich handlich. Er hat einen rasanten Antritt und sprintet in 5,5 Sekunden von 0 auf 100. Die Lenkung ist dabei spielend leicht. Dass sich hier fast drei Tonnen bewegen, spürt man kaum. Der zusätzliche Elektromotor, mit dem Bentley den Bentayga ausgestattet hat, passt gut zur Marke: Das geräuschlose Dahingleiten verstärkt das Luxusgefühl sogar noch.

Seit 2019 ist der Bentayga der erste und einzige Bentley, der auch als Plug-in-Hybrid angeboten wird. Dieses Jahr soll die Limousine Flying Spur hinzukommen. Bis 2030 will die Volkswagen-Tochter als erster Luxushersteller komplett auf E-Antriebe umsteigen. Eine Revolution für die britische Traditionsfirma, schließlich ist Bentley berühmt für opulente Zwölfzylinder, die so elegant dahinsurren, wie es sich für die Oberklasse gehört.

Doch aus Angst, dass die Luxuskarossen dem VW-Konzern seinen Flottenschnitt ruinieren könnten, muss auch Bentley umdenken – und den CO2-Ausstoß senken. In Großbritannien sind Verbrenner auch schon ab 2030 verboten, das erhöht den Druck auf die Autofirmen.

An einer Ladestation  braucht der Bentley trotz kleiner Batterie schon mal länger.
Lange Leitung

An einer Ladestation braucht der Bentley trotz kleiner Batterie schon mal länger.

Breitling-Uhr und Eukalyptus-Holz - bei der Verarbeitung gibt sich das SUV ganz royal.
Oberklasse

Breitling-Uhr und Eukalyptus-Holz - bei der Verarbeitung gibt sich das SUV ganz royal.

Der neue Bentayga Hybrid, seit August im Handel, wurde vor allem äußerlich überarbeitet. Kühlergrill, Scheinwerfer und Rücklichter haben einen frischen Look. Der Antrieb ist jedoch im Grunde unverändert: ein V6-Benziner mit drei Liter Hubraum und 340 PS sowie ein E-Motor mit 128 PS.

Trotz der Systemleistung von 449 PS finden Markenenthusiasten die Maschine zu schwachbrüstig und trauern den alten Monstermotoren mit acht oder zwölf Zylindern hinterher. Doch bei der Testfahrt von London nach Cornwall reicht die Leistung in jeder Situation vollkommen aus. Schneller als 70 Meilen pro Stunde (rund 113 Stundenkilometer) darf man in England ohnehin nicht fahren. Und die tatsächliche Geschwindigkeit ist auf der stauanfälligen A303, dem Nadelöhr nach Cornwall, deutlich niedriger.

Selbst wenn die Strecke frei wäre: Rasen würde sich in dem Bentley auch unanständig anfühlen. So können wir in dem Stop-and-go rechter Hand in aller Ruhe Stonehenge betrachten, die Weltkulturerbestätte direkt an der Strecke. Den Fuß habe ich vom Pedal genommen, der Wagen fährt dank diverser elektronischer Assistenten selbst. Nur die Hände darf ich nicht vom Lenkrad nehmen, sonst gibt es eine Mahnung vom Bordcomputer.

Das Reisen mit dem Bentayga ist wie eine Zugfahrt auf bequemen Logenplätzen – nur ohne den Klimabonus. Der Testwagen ist die besonders vornehme Version mit vier Einzelsitzen. Mein Teenager-Sohn, normalerweise schwer zu beeindrucken, kann sich auf seinem Thron im Fond ein Lächeln nicht verkneifen. Das Potentaten-Auto ist ganz nach seinem Geschmack: Vom Touchscreen in der hinteren Mittelkonsole kann er die 20 Lautsprecher im Wagen dirigieren. Mal ertönt die Musik rechts, mal links. Schließlich muss ein Bentley immer auch für Kunden mit Chauffeur geeignet sein – so wie Queen Elisabeth II.

Geladen wird über einen gängigen Typ-2-Stecker.
Laden statt Tanken

Geladen wird über einen gängigen Typ-2-Stecker.

Bentley setzt im Innenraum auf feinstes Leder und Komfort auch auf den Rücksitzen.
Royale Einrichtung

Bentley setzt im Innenraum auf feinstes Leder und Komfort auch auf den Rücksitzen.

Die beiden Rücksitze bieten darum die gleichen Annehmlichkeiten wie die Vordersitze: Massage, Heizung und persönliche Sitzeinstellungen. Wer es dekadent mag, kann in der Mittelarmlehne einen Kühlschrank mit Champagner-Gläsern einbauen lassen. Wer mehr Platz braucht, kann den Bentayga auch als gewöhnlichen Fünfsitzer mit Rückbank bekommen. Das vergrößert auch das Kofferraumvolumen, das im Viersitzer mit 387 Litern eher knapp ausfällt.

Bentleys Luxusabteilung Mulliner hat ganze Arbeit geleistet: Gestepptes Leder im dunklen Cricketball-Rot, lackiertes Eukalyptus-Holz und Details wie die Retro-Uhr von Breitling verleihen dem Innenraum eine besondere Eleganz. Die dick gepolsterten Türen lassen sich nur anlehnen, das Auto zieht sie dann selbst zu – mit einem satten Schmatzen, das unterstreicht, dass die Insassen nun hermetisch von der Außenwelt abgeriegelt sind.

Der Bentayga zählt wie der Rolls-Royce Cullinan zu einer eigenen Klasse der Luxus-SUVs. Die Range Rovers und Cayennes wirken daneben wie ein Allerweltsprodukt. In der Woche in Cornwall sehen wir massenweise deutsche Premium-SUVs, aber keinen einzigen anderen Bentley. Jedes Jahr werden nur einige Tausend gebaut, und ein Großteil der Produktion geht nach China und in die USA.

Wer auffallen will, ist bei Bentley also richtig. Auch ist das Reisen mit keinem Auto komfortabler. Aber um das schlechte Gewissen zu beruhigen, müsste der E-Antrieb deutlich mehr leisten. Denn das große Manko an dem Plug-in-Hybrid ist die Batterie. Der 17,3-KWh-Akku lädt langsam und macht schnell schlapp.

Zur Vorbereitung der Reise habe ich zahlreiche Apps auf mein Smartphone heruntergeladen. Die Ladeinfrastruktur in England ist fragmentiert, bei jedem Anbieter muss man sich separat registrieren. Die nächste Ladesäule in Cornwall befindet sich an einem Tesco-Supermarkt und wird vom Start-up Podpoint zusammen mit Volkswagen betrieben. Sie ist kostenlos, liefert aber nur 7 KW in der Stunde. Nach einer Viertelstunde habe ich 1,7 KWh getankt. Mehr Geduld habe ich nicht, denn es gibt auf dem Supermarktparkplatz nicht viel zu tun. Nach wenigen Kilometern ist die Batterie schon wieder leer.

Mit einer Länge von 5,13 braucht der Bentayga jede Menge Parkraum.
Britischer Riese

Mit einer Länge von 5,13 braucht der Bentayga jede Menge Parkraum.

Da wirken andere Autos aus dem VW-Reich geradezu winzig.
Größenvergleich

Da wirken andere Autos aus dem VW-Reich geradezu winzig.

Ist der Akku aufgeladen, verringert der Hybrid-Fahrmodus spürbar den Benzinverbrauch. Der Bordcomputer regelt automatisch das Zusammenspiel der beiden Motoren. Da ich an der Unterkunft in Cornwall aber keine Über-Nacht-Lademöglichkeit habe, fahre ich den Bentayga die meiste Zeit wie einen Verbrenner – und in diesem Zustand verbraucht auch ein Plug-in-Hybrid mehr, als wenn man alleine mit einem Benzinmotor unterwegs wäre. Die Rekuperation der Energie beim Fahren reicht nicht aus, um die Batterie nennenswert aufzuladen.

Zurück in London unternehme ich einen weiteren E-Test, um zu sehen, wie weit der Wagen in der Stadt kommt. Am Sonntagmorgen dauert es eine Weile, bis ich eine freie Ladesäule finde. Die Plätze sind umkämpft. Ich stelle mich hinter einen E-Golf an eine Schnellladesäule von BP pulse. Es gibt drei verschiedene Kabel zur Auswahl. „Langsam, schnell und Tesla“, erklärt die Besitzerin des E-Golfs. Sie guckt kurz auf meine Ladebuchse und sagt etwas mitleidig: „Sie brauchen das langsame Kabel.“

In 40 Minuten hat sie ihren Wagen mit 20 KWh aufgeladen und fährt davon. Ich komme nach einer Stunde auf 7,2 KWh. Der Akku ist laut Bentley-Anzeige etwa halb voll. Ich schalte auf den E-Fahrmodus und gleite emissionsfrei durch West-London bis zum Hyde Park. Nach 18 Kilometern ist Schluss, der Wagen schaltet von alleine zurück in den Hybrid-Modus und wirft den Verbrenner an. Der Normverbrauch von 3,4 Litern Benzin bleibt im Test unerreichbar.

Selbst die offizielle Normreichweite von 40 Kilometern im E-Betrieb ist dermaßen überschaubar, dass eine Bentley-Käuferin nicht mal in den Genuss der staatlichen Kaufprämie käme, wenn der Wagen deutlich günstiger wäre. Mal abgesehen davon, dass ein echter Bentley-Kunde ohnehin nicht nach der Prämie fragen würde.

Der erste rein elektrische Bentley ist für 2025 geplant. Ob es ein SUV oder eine Limousine sein wird, verrät Firmenchef Adrian Hallmark noch nicht. Kleiner sollen die Autos jedenfalls nicht werden, sagt er dem Handelsblatt. Die Audi-Ingenieure, die die Technik liefern, werden sich etwas einfallen lassen müssen, wenn die riesigen Karossen in wenigen Jahren ausschließlich mit E-Antrieb fahren sollen.

Technische Daten

• Länge: 5,13 Meter
• Breite: 2,22 Meter mit Außenspiegeln
• Höhe: 1,75 Meter
• Radstand: 3 Meter
• Leergewicht: 2645 Kilogramm
• Kofferraumvolumen: 387 Liter (Viersitzer), 479 Liter (Fünfsitzer)
• Motoren: V6-Ottomotor mit drei Liter Hubraum plus E-Motor
• Max. Leistung: kombiniert 330 kW/449 PS
• Max. Drehmoment: kombiniert 700 Nm
• Beschleunigung: 0–100 km/h: 5,5 Sekunden
• Höchstgeschwindigkeit: 254 km/h
• Batteriekapazität: 17,3 kWh
• Verbrauch nach WLTP: Hybridmodus 3,4 Liter Benzin, 258 Wh/100 km
• Reichweite: E-Motor: 40 Kilometer, Hybrid: 693 Kilometer (WLTP)
• Preis des Testwagens: 181.000 Euro

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