Warum Unternehmen Manager ins Flugzeug-Cockpit oder ins Kloster schicken
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Besondere WeiterbildungenWas Fortbildungen im Helikopter oder Kloster wirklich bringen
Ob Mönch oder Dirigent: Erlebnisorientierte Weiterbildungsformate liegen im Trend. Die Anbieter werben mit namhaften Referenzen. Zu Recht?
Schnelles Entscheiden in Krisensituationen lernen.
(Foto: André Wirsig)
Kiel Auf einer Dienstreise im Senegal erkrankt der Mitarbeiter eines deutschen Maschinenbauers lebensgefährlich. Binnen weniger Stunden ist ein Luftrettungsteam im Learjet unterwegs, um den Mann aus dem 5000 Kilometer entfernten Dakar so schnell wie möglich nach Berlin ins Krankenhaus zu bringen.
Doch auf dem Rückflug zieht ein gefährliches Unwetter auf. Gleichzeitig verschlechtert sich der Zustand des Patienten rapide. Jetzt müssen schnelle Entscheidungen her: Kurs ändern? Umkehren? Mitten in der Wüste landen für eine Not-OP? Viel Zeit zum Diskutieren hat die Crew nicht. „Wir bewegen uns mit 800 Stundenkilometern entweder in die eine oder in die andere Richtung und haben nur begrenzt Sprit dabei!“, ruft Flugkapitän Udo Kordeuter.
Der Einsatz klingt real, doch er ist Teil eines Kurses für Führungskräfte an der Akademie der DRF Luftrettung. Neuerdings schicken Unternehmen wie Hilti oder Autoscout24 ihre Führungskräfte dorthin. Anhand echter Einsatzszenarien wie dem Beispiel aus Afrika sollen Manager lernen, die richtigen Prioritäten zu setzen, agil mit kritischen Situationen umzugehen oder in interdisziplinären Teams effizient zu kommunizieren.
Auch bei kürzeren Einsätzen wie etwa an Bord eines Rettungshubschraubers muss schnell auf Basis vorhandener Fakten gehandelt werden. Die reibungslose Zusammenarbeit von Notarzt, Pilot und Bordtechniker ist für den Erfolg unabdingbar. „Wenn es gelingt, diese Prozesse auf die Unternehmenswelt zu übertragen und in den Büroalltag unserer Teilnehmer zu integrieren, ist ein wichtiger Schritt getan“, sagt Kordeuter, der im Hauptberuf Hubschrauberbesatzungen auf Notfalleinsätze vorbereitet.
Erlebnisorientierte Kursformate liegen im Trend. Ob Olympiasieger oder Benediktinermönch, Extrembergsteiger oder Dirigent: Sie alle versprechen durch Einblicke in eine besondere Welt Erkenntnisgewinne für den Job. Im Kloster können Führungskräfte ihre innere Kraft entdecken, bei Coachings mit Tieren oder Schauspielern die Macht der Körpersprache erleben.
Und Outdoortrainings, bei denen gemeinsam Flöße gebaut oder Hindernisse überwunden werden müssen, zielen etwa auf Teamfähigkeit, Konfliktlösungskompetenz oder Vertrauensbildung ab. Ehemalige Leistungssportler erklären bei Firmenveranstaltungen oder Kongressen, wie man sich motiviert, Grenzen überwindet und Niederlagen sportlich wegsteckt.
Doch bringen die Formate wirklich das, was sie versprechen? Angesichts drängender Managementthemen wie New Work, Arbeiten in virtuellen Teams oder Führen auf Distanz hält Uwe Kanning Investitionen in Personalentwicklung und Weiterbildung durchaus für angebracht. Das wachsende Angebot an Erlebnispädagogik für Manager sieht der Professor für Wirtschaftspsychologie allerdings durchaus kritisch. Kanning forscht an der Hochschule Osnabrück zu Personalthemen. Das Fazit seiner Analyse: viel Marketing, aber nur wenig Wissenschaft.
Zwar würden die Anbieter erlebnisorientierter Formate gern mit zufriedenen Teilnehmern und namhaften Referenzen werben. Fundierte wissenschaftliche Studien zur Wirksamkeit ihrer Konzepte blieben sie jedoch meist schuldig. Eine nachhaltige Verbesserung der eigenen Führungsqualitäten lasse sich mit Kletterkursen oder Dirigenten-Workshops nicht erreichen, so der Psychologe: „Solche Seminare sind unterhaltsam, sie lenken aber von der eigentlichen Aufgabe ab.“
Als Manager müsse man sich mit dem eigenen Führungsverhalten regelmäßig und kritisch auseinandersetzen. „Das mache ich am besten, indem ich meine echten Mitarbeiter frage, wie sie mich erleben und was sie von mir erwarten.“
Abstand vom Alltag gewinnen
Doch genau daran hapere es oft im Unternehmensalltag, argumentieren die Anbieter erlebnisorientierter Managementkurse. Selbstreflexion, ehrliches Feedback und aufmerksames Zuhören gehören nicht zu den Stärken jedes Managers. Einer aktuellen Umfrage der Führungskräfteberatung DDI zufolge klafft zwischen deren Selbsteinschätzung und der Wahrnehmung von Personalexperten eine deutliche Lücke: Knapp jeder zweite Manager ist demnach davon überzeugt, eine gute Führungsleistung abzuliefern. Doch nur rund 28 Prozent der befragten Personalmanager sind derselben Ansicht.
Ein wenig Abstand vom Alltag und eine neue Perspektive auf das eigene Handeln zu gewinnen könnte also durchaus sinnvoll sein. Der Managementtrainer Mathias Haas aus Stuttgart ist sich jedenfalls sicher, dass die meisten Führungskräfte zusätzliche Impulse jenseits der klassischen Schulungsformate dringend gebrauchen können.
Passende und seriöse Angebote finden
Wenn Manager auf Bäume klettern, fragt Uwe Kanning sich, was sie da wollen. In seinem gleichnamigen Buch beleuchtet der Professor für Wirtschaftspsychologie beliebte, aber wissenschaftlich wenig untermauerte Fortbildungsangebote für Führungskräfte. Firmen, die ihre leitenden Angestellten mit einem besonderen Workshop belohnen oder motivieren möchten, rät er, bei der Auswahl des Anbieters auf einige Qualitätskriterien zu achten.
Werbesprüche wie „Zehntausende zufriedene Kunden“, „in den USA entwickelt“ oder „in internationalen Konzernen erprobt“ klingen zwar gut, sagen über die Eignung des Konzepts aber nichts aus. Der Erfolg der angepriesenen Methode sollte wissenschaftlich erforscht sein.
Anbieter und Kursleiter sollten ein einschlägiges Studium oder eine vergleichbare Ausbildung absolviert haben und möglichst auch über Erfahrungen in der Unternehmenswelt verfügen.
Seriöse Anbieter können die konkrete Wirkungsweise der Weiterbildungsmaßnahme verständlich darstellen sowie plausibel erklären, wie sich der Erfolg des Managementtrainings evaluieren lässt.
Vor Beginn des Workshops sollte eine intensive Auseinandersetzung mit der Problemstellung und den Anforderungen des Kunden stattfinden. Während des Workshops und auch danach sollte konkretes Verhalten eingeübt werden. Apps, Routinen oder Checklisten können helfen, die Kursinhalte im Alltag zu verankern.
Insbesondere Workshops mit körperlichen Aktivitäten bergen neben einem gewissen Verletzungsrisiko auch die Gefahr von Peinlichkeiten für die Teilnehmer. Nicht jeder offenbart vor Vorgesetzten, Mitarbeitern oder Kollegen gern körperliche Schwächen, die nichts mit der beruflichen Qualifikation zu tun haben.
Als Gründer und Geschäftsführer der Play Serious Akademie bietet er seit Jahren professionell moderierte Workshops an, bei denen die Teilnehmer mit Legosteinen bauen oder aus bunten Magazinen Collagen kleben.
Dem Betriebswirt, der lange selbst leitende Positionen in Marketing und Vertrieb innehatte, geht es dabei weniger um kindlichen Spaß als um inhaltliche Präzision. „Seminare, bei denen nur geredet wird, sind didaktisch zu flach, um komplexe Probleme zu lösen“, sagt er. Wer seine Ideen oder Ziele mit Legosteinen nachbauen müsse, sei gezwungen, konkret zu werden, und könne sich nicht hinter Buzzwords verschanzen.
Sorgfältig vorbereitet, könnten damit die unterschiedlichen Perspektiven und Denkansätze im Team entdeckt und Lösungswege erschlossen werden. „Der Vertriebsleiter versteht unter ‚schneller werden‘ vermutlich etwas anderes als der Qualitätskontrolleur oder ein Staplerfahrer im Warenlager“, sagt Haas. Die anschließende Diskussion sei oft gar nicht spaßig, führe aber im Idealfall zu konkreten Ergebnissen.
Wer sein Geschäftsmodell in der Krise neu ausrichten oder die Unternehmenskultur nachhaltig verändern wolle, dürfe nicht nur denjenigen zuhören, die sich auch im Zoom-Meeting Gehör verschaffen könnten, mahnt er. „Gerade jetzt gilt es, allen Mitarbeitern zu zeigen, dass sie wichtig sind.“
Großer Nachholbedarf
Ob Legosteine oder Helikopter: Wegen Corona fallen viele der erlebnisorientierten Formate derzeit aus, doch sobald die Pandemie es wieder zulässt, dürfte der Nachholbedarf groß sein. Die DDI-Umfrage zeigt, dass Manager sich vor allem persönliche Entwicklungsangebote wie Coachings oder individuelle Trainings wünschen. Noch mehr Onlinekurse wollen dagegen die wenigsten.
„Die Leute wollen raus“, sagt Florian Kinner, der an der DRF Akademie die Managementkurse verantwortet. Bislang konnten zwar auch sie nur virtuell durchgeführt werden, künftig soll es aber auch Praxisveranstaltungen geben, bei denen die Teilnehmer im Flugsimulator selbst steuern dürfen.
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