Arbeitsmarkt Arbeitsminister Heil will befristete Jobs deutlich stärker regulieren

„Es gibt zu viele willkürlich befristete Arbeitsverträge.“
Berlin Wenige Vorhaben waren bereits im Koalitionsvertrag so detailliert geregelt wie die von Union und SPD geplante Regulierung befristeter Jobs. Doch weil der Widerstand groß war und das Arbeitsministerium genug mit der Corona-Pandemie zu tun hatte, bringt Ressortchef Hubertus Heil (SPD) erst jetzt einen Entwurf auf den Weg.
„Es gibt zu viele willkürlich befristete Arbeitsverträge, die vor allem für junge Menschen große Unsicherheiten in der Lebensplanung bedeuten“, sagte Heil dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Im Koalitionsvertrag sei deshalb vereinbart, Befristungen deutlich zurückzudrängen. „Das setze ich jetzt mit dem Gesetzentwurf um.“
Union und SPD hatten vereinbart, die sogenannten sachgrundlosen Befristungen einzuschränken – also Zeitverträge, bei denen keine der im Teilzeit- und Befristungsgesetz genannten Begründungen, wie beispielsweise eine Schwangerschaftsvertretung, greift. „Aktuell wird mehr als die Hälfte aller befristeten Arbeitsverträge ohne sachlichen Grund vereinbart“, heißt es im Referentenentwurf, der dem Handelsblatt vorliegt. Sie seien damit, anders als vom Gesetzgeber intendiert, eher die Regel als die Ausnahme.
Deshalb sollen Arbeitgeber mit mehr als 75 Beschäftigten künftig maximal 2,5 Prozent ihrer Arbeitnehmer sachgrundlos befristet beschäftigen dürfen. Ein solcher Zeitvertrag soll zudem nur noch für höchstens 18 Monate und nicht wie bisher für zwei Jahre geschlossen werden dürfen. Bis zu dieser Gesamtdauer ist nur noch eine einmalige Verlängerung zulässig.
Außerdem will Heil sogenannte Kettenbefristungen begrenzen. Hat ein Arbeitnehmer schon fünf Jahre lang sachlich begründete Zeitverträge beim selben Arbeitgeber, darf dieser ihn danach in der Regel nicht erneut befristet einstellen.
Widerstand aus der Wirtschaft
In der Wirtschaft gab es erhebliche Widerstände gegen das Vorhaben. Für die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) sind befristete Arbeitsverhältnisse „ein erfolgreicher Weg für einen Erst- oder Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt“. In einer ungewöhnlichen Allianz hatten seinerzeit auch der Arbeitgeberverband Gesamtmetall und der Beamtenbund gegen die Pläne Front gemacht.
Die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, begrüßte, dass es jetzt einen Entwurf gibt. „Wir haben das vor drei Jahren sehr hart verhandelt und auch extra detailliert in den Koalitionsvertrag geschrieben, damit die Union sich nicht wieder aus der Verantwortung stehlen kann.“
CDU und CSU müssten nun endlich Farbe bekennen, aber das scheine „nicht nur aktuell nicht ihre Stärke zu sein“, sagte Mast. Tatsächlich ist es äußerst fraglich, ob ein Gesetz noch in dieser Wahlperiode beschlossen werden kann; im Juni finden die letzten regulären Sitzungswochen des Bundestags vor der Wahl im September statt.
Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Peter Weiß (CDU), kritisierte, dass der Entwurf so kurz vor Ende der Legislaturperiode kommt. Außerdem vermisse er einen Gesetzentwurf für die ebenfalls im Koalitionsvertrag vorgesehene Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes. Es sei vereinbart gewesen, beides parallel vorzulegen.
Dagegen lobte die Industriegewerkschaft Bauen, Agrar, Umwelt (IG Bau), dass Heil das Vorhaben trotz vieler Widerstände noch anpackt: „Von rund 1,7 Millionen Neueinstellungen, die es bundesweit im zweiten Quartal 2020 gab, waren 700.000 befristet – das macht einen Anteil von 39 Prozent“, sagte IG-Bau-Chef Robert Feiger unter Verweis auf jüngste Zahlen des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Nach Beobachtung seiner Gewerkschaft seien solche unsicheren Jobs in Branchen wie der Gebäudereinigung und der Land- und Forstwirtschaft stark verbreitet.
Kritik übte das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW): Die im Koalitionsvertrag vereinbarte Regulierung sei mittlerweile „aus der Zeit gefallen“, sagte IW-Arbeitsmarktexperte Holger Schäfer.
„Blankoscheck“ für öffentlichen Dienst
„Angesichts der Coronakrise auf dem Arbeitsmarkt wäre es viel sinnvoller, Befristungen zu erleichtern.“ Die Alternative zu einem befristeten Vertrag sei nicht unbedingt – wie von der Regierung erhofft – ein unbefristeter, sondern oft auch gar keiner, warnt Schäfer.
Wirtschaftsverbände argumentieren, dass das Problem befristeter Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Dienst viel größer ist als in der Privatwirtschaft. Denn dort dürfen Arbeitnehmer, die aus öffentlichen Haushaltsmitteln vergütet werden, befristet eingestellt werden. Für den öffentlichen Dienst gebe es also einen eigenen Sachgrund im geltenden Gesetz, kritisiert Schäfer, und damit einen „Blankoscheck“.
„Weil vor allem der öffentliche Dienst auf Teufel komm raus befristet hat, sollen den Betrieben der Privatwirtschaft jetzt neue Ketten angelegt werden?“, fragt der Präsident des Bundesarbeitgeberverbands Chemie (BAVC), Kai Beckmann. Die Bundesregierung habe der Wirtschaft ein Belastungsmoratorium zugesagt und dieser Gesetzentwurf sei das glatte Gegenteil. „Die Union muss jetzt Flagge zeigen und sich diesem Unsinn entgegenstellen.“
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HEIL = SPD = BÜROKRATIE = CHAOS
Genau was wir jetzt NICHT brauchen! Schafft die Möglichkeit unbürokratisch einzustellen - keine Einstellungshürden! Apropo Kettenverträgen möge bitte der Staat bei sich anfangen! Viele Lehrer werden beispielsweise nachwievor per Kettenvertrag geknebelt !