Coronakrise Gastgewerbe: 70.000 Betriebe vor der Pleite – Scholz plant Hilfen

Die Schließung von Hotels und Restaurants kostet die Branche bislang rund zehn Milliarden Euro.
Berlin In Deutschland könnten wegen der Coronakrise dem Branchenverband Dehoga zufolge 70.000 Hotel- und Gastronomiebetriebe Pleite gehen. Den gut 223.000 Betrieben der Branche gingen bis Ende April rund zehn Milliarden Euro Umsatz verloren, sagte Dehoga-Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges der „Bild am Sonntag“. „Ohne zusätzliche staatliche Unterstützung steht jeder dritte Betrieb vor der Insolvenz.“
Die diese Woche vorgestellten Lockerungen für andere Bereiche böten keine Perspektiven für die Gastronomie. „Wir mussten als Erstes schließen und werden wohl auch am längsten zu leiden haben“, sagte Hartges. Deshalb fordere der Verband eine verantwortungsvolle Öffnung von Restaurants und Cafés, die Absenkung der Mehrwertsteuer auf sieben Prozent und einen staatlichen Rettungsfonds mit Direkthilfen für Betriebe.
Unterdessen stellt Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) den betroffenen Hoteliers und Restaurantbetreibern finanzielle Unterstützung in Aussicht. „Natürlich schauen wir genau, ob und wo wir gezielt weitere Hilfen benötigen. Wir haben vor allem jene Branchen im Blick, für die es noch nicht so schnell wieder losgeht. Das Hotel- und Gaststättengewerbe gehört sicherlich dazu“, sagte Scholz der „Welt am Sonntag“.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sagte der „Bild am Sonntag“ mit Blick auf die Lage der Gastro-Branche in der Coronakrise: „Und klar ist, wir werden hier auch zusätzliche Hilfen benötigen, damit nicht ein Großteil der Unternehmen aufgibt und vom Markt verschwindet“.
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Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Markus Söder pocht auf eine Mehrwertsteuersenkung für Hotels und Gastronomie auf sieben Prozent. Der „Passauer Neuen Presse“ (Samstag) sagte er zudem: „Wenn wir Glück haben, könnte es bereits Pfingsten eine bessere Perspektive für den Bereich Hotels und Gastronomie geben. Das müssen wir zum gegebenen Zeitpunkt entscheiden.“
Niedrigerer Mehrwertsteuersatz möglich
Das Hotel- und Gaststättengewerbe dringt schon seit Jahren erfolglos auf einheitliche und niedrigere Mehrwertsteuersätze. Altmaier nannte die Absenkung auf sieben Prozent einen „Vorschlag, der eine sorgfältige Prüfung verdient“. „Ich könnte mir aber auch konkrete Hilfen bei Modernisierungen und Kosteneinsparungen vorstellen.“
Die Linke im Bundestag fordert eine Ausweitung der staatlichen Soforthilfen für kleine Firmen und Selbstständige, um auch deren Lebenshaltungskosten aufzufangen. Nur so lasse sich eine Pleitewelle bei kleinen Unternehmen wie Kneipen, Restaurants und Cafés verhindern, sagte der Vorsitzende der Linksfraktion, Dietmar Bartsch, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Die Hilfen für kleine Unternehmen und Selbstständige waren wichtig, sind aber lückenhaft und vielfach nicht existenzsichernd“, sagte Bartsch.
Ein späteres Konjunkturpaket soll laut Finanzminister Scholz steuerliche Investitionsanreize für Unternehmen enthalten, damit dann „jeder, der noch zögert, das Geld schnell in die Hand nimmt“. Zudem könne es Schritte geben, um die „Konsumfreude der Bürgerinnen und Bürger anzufachen“, sagte der Vizekanzler. Er sprach sich zudem für Steuererhöhungen für Bezieher sehr hoher Einkommen aus: „Wenn große wie kleine Unternehmer sich jetzt freuen, dass der Staat in der Lage ist, sie in der schwierigen Situation zu stützen, wird das Verständnis für Maßnahmen, die etwas mit Gerechtigkeit im Steuersystem zu tun haben, in dem neuen Zeitalter der Solidarität sicherlich größer sein.“
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt spricht sich zur Ankurbelung des Konsums nach der Coronakrise für Senkung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie aus. Gaststätten und Cafés seien für eine Rückkehr in die Normalität besonders wichtig, sagte Dobrindt. Hier könne die Gesellschaft wieder zusammenwachsen und im Nach-Corona-Alltag ankommen. „Wir wollen deshalb die Voraussetzungen schaffen für positive Startbedingungen in der Gastronomie“, sagte Dobrindt. Eine reduzierte Mehrwertsteuer könne dazu einen Beitrag leisten.
Gewerkschaft fordert Aufstockung des Kurzarbeitergelds
Der Berliner Dehoga begrüßte die in Aussicht gestellten Hilfen. Es sei das erste richtig positive Signal, sagte Thomas Lengfelder, Hauptgeschäftsführer des Dehoga-Landesverbands Berlin. „Wir hoffen, dass es bald umgesetzt wird.“
Aus Sicht der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) muss sichergestellt sein, dass von Hilfen auch Arbeitnehmer profitieren. Die Mitarbeiter der seit Wochen geschlossenen Betriebe müssten meist mit dem Kurzarbeitergeld von 60 Prozent des letzten Nettolohns auskommen. Anders als andere Arbeitgeberverbände habe sich der Dehoga geweigert, über Tarifverträge eine Aufstockung des Kurzarbeitergeldes zu vereinbaren, kritisierte NGG-Chef Guido Zeitler.
Eine schnelle und unbürokratische Hilfe zur Krisenbewältigung im Gastgewerbe könne die von der Hans-Böckler-Stiftung vorgeschlagene zeitweilige Aussetzung der Mehrwertsteuer sein. Die bereits seit Jahren vom Dehoga geforderte dauerhafte Absenkung der Mehrwertsteuer von 19 auf 7 Prozent lehne die NGG dagegen weiterhin ab: „Es muss jetzt um Akutmaßnahmen gehen - eine ganze Branche auf Dauer von der Steuerlast zu befreien, wäre falsch“, sagte Zeitler.
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