GKV-Papier Kassen kritisieren Spahns Digitalisierungs-Vorhaben – und planen für die Zeit nach ihm

Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen stellt dem Gesundheitsminister kein gutes Zeugnis in Sachen Digitalisierung aus.
Berlin Bundesgesundheitsminister Jens Spahn startete mit ambitionierten Plänen, das Gesundheitssystem zu digitalisieren, ins Amt. Das sei eines seiner drei „großen Themen“, sagte der CDU-Politiker vor etwas mehr als drei Jahren, als er das Ministerium übernahm.
Dafür war es dringend an der Zeit: Im Digital-Health-Index der Bertelsmann Stiftung landete Deutschland im Vergleich mit 16 Ländern auf einem desaströsen vorletzten Platz. Als einen Grund, warum es in diesem Bereich in den vergangenen Jahren kaum voranging, machte Spahn die gegenseitige Blockade von Ärzteschaft und Krankenkassen aus.
Letztere haben sich nun mit einem umfassenden Positionspapier des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-SV) zur Digitalisierung von Gesundheit und Pflege zu Wort gemeldet. Es gleicht einer Generalabrechnung mit der Politik des Gesundheitsministers zum Ende der Legislaturperiode und zeigt Forderungen für die Zeit nach Spahn auf.
Es bestehe „erhebliches Potenzial zur Optimierung“, heißt es mit Blick auf die drei großen Digitalisierungsgesetze, die der CDU-Politiker in seinen drei Jahren auf den Weg gebracht hat, wobei das sogenannte „Digitale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierungs-Gesetz“ noch im Bundestag verabschiedet werden muss.
Spahns Vorhaben reichen von der elektronischen Patientenakte über die elektronische Verschreibung bis hin zur App auf Rezept, mit der sich Versicherte digitale Gesundheitsanwendungen bei ihrer gesetzlichen Krankenkasse erstatten lassen können. Dadurch entstünde ein „Allzeithoch der Ausgaben“, warnen die Kassen.
Digitalisierung wird von Kassenpatienten finanziert
„Scharf zu kritisieren ist die derzeitige Lastenverteilung.“ Während alle Akteure von den Vorzügen der Digitalisierung profitieren würden, müssten die Beitragszahlenden der gesetzlichen Krankenversicherung in weiten Teilen dafür aufkommen.
„Die Digitalisierung des Gesundheitswesens wird derzeit von den Beitragszahlenden der gesetzlichen Krankenkassen finanziert“, sagt Volker Hansen, alternierender Verwaltungsratsvorsitzender beim GKV-SV. „Wir brauchen aber eine faire Verteilung der Kosten auf alle Akteure des Gesundheitswesens, um diese Ungerechtigkeit zu beseitigen.“

Ab 2022 soll eine elektronische Patientenakte allen Versicherten zur Verfügung stehen.
Als Beispiel nennen die Kassen die digitalen Gesundheitsanwendungen, die seit rund einem halben Jahr eine Kassenleistung sind, deren Zulassungs- und Preisbildungsprozess allerdings vor allem bei Ärzten und den Kassen umstritten ist. Ähnlich wie bei Arzneimitteln können die Hersteller nach einer Zulassung durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) für ein Jahr lang einen Preis festsetzen, den die Kassen dann erstatten müssen.
„Dies hatte Preissteigerungen zwischen 400 und 600 Prozent im Vergleich zum Selbstzahlermarkt zur Folge“, heißt es in dem Positionspapier. Die Kassen trommeln seit Monaten für einen anderen Preisbildungsprozess – und erhoffen sich nun offenbar nach der Wahl eine Lösung, die die Hersteller stärker in die Verantwortung nehmen soll.
Es brauche flexible Preisbildungsmodelle, „die entstehende Risiken auf die Hersteller und Anbieter verlagern und vor allem dann greifen, wenn der erwartete Mehrwert für die Versicherten und ihre gesundheitliche Versorgung nicht nachgewiesen werden können“, heißt es. Verhandlungen mit Herstellern über Höchstpreise kamen bislang zu keinem Ergebnis. Der Gesetzgeber hatte deren Einführung ermöglicht, sie aber nicht verpflichtend gemacht.
Kritik an der Gematik
Ein weiteres Ärgernis für die Kassen ist Spahns Reform der Gematik, die für den Aufbau eines sicheren Gesundheitsdatennetzes verantwortlich ist. Spahn hatte dafür gesorgt, dass das Gesundheitsministerium die Richtung in der Gesellschaft vorgeben kann, um Entscheidungen zu beschleunigen.
Auf sein Bestreben hält der Bund 51 Prozent der Anteile an der Gesellschaft. Zuvor hatte der GKV-SV 50 Prozent der Stimmrechte an der Gematik. Die andere Hälfte lag bei den Verbänden der Ärzte, Zahnärzte, Krankenhäuser und Apotheker. Ihre Anteile sind entsprechend geschrumpft.
Seit ihrer Gründung 2005 stritten sich die Gesellschafter immer wieder um Geld und Kompetenzen, bei ihrer eigentlichen Aufgabe kam die Gematik kaum voran. Nur ein Teil der Arztpraxen war bei Spahns Amtsübernahme an die Datenautobahn, die sogenannte Telematikinfrastruktur, angeschlossen; die Frist für die Anbindung musste immer wieder verschoben werden.
Mit dem Umbau der Gematik wollte Spahn Tempo in die Vorhaben bringen – vor allem in die elektronische Patientenakte, die ab 2022 allen Versicherten zur Verfügung stehen soll. Für Kassen ist der Umbau hingegen ein Ärgernis. „Weder verfügen der Deutsche Bundestag noch die Selbstverwaltung über geeignete Mittel, Fehlentwicklungen der Gematik entgegenzusteuern oder zu sanktionieren“, heißt es in dem Papier.
Es sei daher dringend notwendig, eine ordnungspolitische Diskussion darüber zu führen, was Rolle und Ziel der Gematik sein sollten. Eine direkte Schnittstelle der Gematik zu den Versicherten, wie sie beispielsweise durch die E-Rezept-App geplant ist, sei darüber hinaus unnötig.
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"Während alle Akteure von den Vorzügen der Digitalisierung profitieren würden, müssten die Beitragszahlenden der gesetzlichen Krankenversicherung in weiten Teilen dafür aufkommen."
Na ja, wer bezahlt denn derzeit das vollkommen veraltete und ineffiziente Gesundheitsadministration? Doch wohl die Beitragszahler! Die Investitionen müssen sich auszahlen. Und das werden sie auch, wenn sich nicht alle dumm anstellen.
Wer die Digitalisierung blockiert, setzt sich dem Verdacht auch, nur für die alten Zöpfe zu kämpfen, mit denen er sich ganz gut eingerichtet hat.
Wer im Glashaus sitzt...sollte besser Blumen giessen. Schließlich werfen die GKV das Geld der Versicherten mit beiden Händen raus.
Wer mal nach ePA im Play Store such findet rund 100 Angebote. Richtig, jede Krankenkasse hat ihre eigene Lösung gebaut. Da hätte man doch mal - public money, public code - auf eine gemeinsame Entwicklung setzen können, die transparent für alle auf GitLab gehostet wird. Aber nein...
Bei den kassenärtzlichen Vereinigungen sieht es nicht anders auch. Da werden Anforderungsanalysen über mehrere Jahre gemacht, die bei Fertigstellung schon nicht mehr passen. Was soll's, hier ist ja auch Geld im Überfluß vorhanden - letztendes auch von den Versicherten bezahlt.
So lange sich an der grundsätzlichen Einstellung der Beteiligten nichts ändert sehe ich schwarz für das gesetzliche Versicherungssystem....