Jahrestagung Familienunternehmer-Präsident Eben-Worlée greift Wirtschaftspolitik der Koalition scharf an

Der Präsident des Familienunternehmer-Verbands gilt als „wortgewaltig“.
Berlin, Düsseldorf Ein Gastgeber erschöpft sich üblicherweise in Höflichkeiten, wenn er seine Gäste begrüßt – erst recht, wenn diese hochrangig sind. Nicht so Reinhold von Eben-Worlée: Der Verbandspräsident geht gleich hart ins Gericht, als er am Donnerstag die Jahrestagung der Familienunternehmer eröffnet.
Als „katastrophal schlecht“ schätzten die Firmen die Wirtschaftskompetenz von CDU und CSU inzwischen ein, sagt er, ja, sie zweifelten gar, ob die Partei Ludwig Erhards dem Thema Wirtschaft und Wettbewerbsfähigkeit überhaupt noch die Bedeutung beimesse, die es haben sollte.
Der Angriff zielte noch mehr auf Peter Altmaier, den Bundeswirtschaftsminister von der CDU. Aber auch Angela Merkel dürfte im Nachhinein froh gewesen sein, dass sie ihren geplanten Auftritt kurzfristig abgesagt hatte und eine Grußbotschaft per Video übermittelte. So brauchte sie gar nicht erst auf diese und andere harsche Vorwürfe einzugehen, die Eben-Worlée formulierte.
Der 64-jährige Kaufmann, der im Hauptberuf die Hamburger Firmengruppe Worlée in der fünften Generation führt, hat sich in den vergangenen vier Jahren einen Ruf als wortgewaltige Stimme der Familienunternehmen erarbeitet. Kaum ein anderer Verbandsvertreter traut sich, derart harsche Kritik an der Bundesregierung zu üben wie er. Sei es an ihrer Pandemiebekämpfung oder an ihrer Wirtschaftspolitik.
Die klare Sprache, in ruhigem Ton formuliert, scheint seiner Position im Verband nicht zu schaden – die Mitglieder werden ihn am Freitag erneut zum Präsidenten wählen, ohne Gegenkandidaten. Denn Eben-Worlée spricht das aus, was viele Mittelständler denken: Laut einer Umfrage des Verbands sind 79 Prozent der Unternehmen unzufrieden mit der Wirtschaftspolitik der Großen Koalition.
Größen der Bundespolitik suchen Nähe zum Verband
Patrick Adenauer, Eben-Worlées Vorvorgänger im Amt, lobt: „Ich finde, dass er den richtigen Ton findet, marktwirtschaftlich fundiert argumentiert und vor allem einer Konfrontation in der Sache nicht aus dem Weg geht.“
Aber auch nicht seinem Gewicht im politischen Berlin. Wie groß dieses ist, zeigt die Liste der Redner auf der Jahresversammlung der Familienunternehmer: Es sprechen jene, die die wohl besten Aussichten haben, Angela Merkel zu beerben: Armin Laschet (CDU) und Annalena Baerbock (Grüne). Möchtegern-Kanzlerkandidat Markus Söder (CSU) und FDP-Chef Christian Lindner geben sich ebenfalls die Ehre.
Auch für Baerbock hält Eben-Worlée mahnende Grußworte parat: Die Pläne von Grünen, Sozialdemokraten und Linken für eine Vermögensteuer seien geeignet, „die Substanz unserer Unternehmen zu zerstören“, warnt er. Unmittelbar nach Baerbocks Ernennung zur Kanzlerkandidatin hatte er bereits gesagt: „Hinter der moderaten Kandidatin steckt noch lange kein moderates Programm.“
Immerhin, der Verbandspräsident sieht auch Gemeinsamkeiten: „Mit den Grünen verbindet uns das generationsübergreifende Element der Nachhaltigkeit“, beim Klimaschutz seien die Unternehmen nicht so weit entfernt von den Grünen wie bei anderen Themen. Allerdings solle die Partei auf dem Weg zur Klimaneutralität weniger auf Verbote und stärker auf Innovationen setzen.
Baerbock nimmt den Ball dankbar auf. Die frisch gekürte Grünen-Kanzlerkandidatin bemüht sich um ein gutes Verhältnis zu den Familienunternehmern, schließlich will sie ihre Partei für möglichst viele bürgerliche Wähler zu einer echten Alternative machen – so, wie es Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg gelungen ist. „Wir wollen in die gleiche Richtung“, sagt sie, das gemeinsame Ziel sei, das Land in die Zukunft zu führen. Aber natürlich gebe es auch Meinungsunterschiede, über die man „in großem Respekt diskutieren“ müsse.
Die Grünen-Chefin versucht, die Bedenken gegen das Wahlprogramm ihrer Partei zumindest zu mildern. Beispiel Steuern: Der Anstieg des Spitzensteuersatzes solle nur „moderat“ ausfallen, die geplante Vermögensteuer sehe hohe Freibeträge vor, um die Substanz inhabergeführter Unternehmen zu schonen. Die zusätzlichen Steuereinnahmen sollten überdies in eine höhere Forschungsförderung gerade für Mittelständler fließen.
Zudem wollten die Grünen zwar einen starken Staat, aber auch einen leistungsfähigen: Nicht die Regeln und Gesetze seien das eigentliche Problem, sondern deren langsame und umständliche Anwendung durch die Verwaltung.
Alle Zweifel und Vorbehalte unter den zugeschalteten Unternehmern kann Baerbock damit natürlich nicht ausräumen. Aber allzu sehr fürchten muss sie die Ankündigung von Eben-Worlée wohl auch nicht, sich aktiv in den anstehenden Wahlkampf einzumischen.
Unter den Bundesbürgern kommt die Grünen-Kandidatin ohnehin schon recht gut an. Besser jedenfalls als ihr Kontrahent Laschet, der am Freitag zu den Familienunternehmern spricht. In einer neuen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey für das Handelsblatt halten 34 Prozent der Befragten Baerbock für besser geeignet für das Kanzleramt, bei Laschet sind es nur 20,7 Prozent.
Dabei hat der nordrhein-westfälische Ministerpräsident immerhin einige Jahre an Regierungserfahrung vorzuweisen, anders als seine Kontrahentin von den Grünen. Aber auch unter Unionsanhängern zweifeln derzeit viele an der Eignung Laschets für das höchste Regierungsamt.
Eben-Worlée jedenfalls setzt seine Hoffnungen noch auf die Union: CDU und CSU müssten in der Wirtschaftspolitik nun „ganz schnell wieder Tritt fassen“, fordert er – sonst werde eine linke Koalition nach der Wahl „die Familienunternehmen kaputt machen“.
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Könnte Herr Merz bei einer Kanzlerschaft der CDU/CSU sein? Die Grünen / Frau Baerbock sprechen vom starken Staat; d.h. für mich: wir haben bereits einen starken Staat, was Vorschriften und Abgaben betrifft - für mich würden das bedeuten bei Federführung der Grünen gibt es noch mehr Staat, der wieder finanziert werden muss, was steigende Abgaben bedeutet.