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Öffentliche Verwaltung Wie die Wirtschaft der künftigen Bundesregierung bei der Digitalisierung helfen will

Die Wirtschaft hat eine „Modernisierungsagenda“ entworfen, um den Formularwust in Behörden zu beenden. Ein Expertengremium steht bereit, um die Umsetzung zu unterstützen.
11.10.2021 - 04:00 Uhr Kommentieren
Der Digitalisierungsrückstand in der öffentlichen Verwaltung gilt als Dauerärgernis. Quelle: dpa
Akten

Der Digitalisierungsrückstand in der öffentlichen Verwaltung gilt als Dauerärgernis.

(Foto: dpa)

Berlin Im Wahlkampf waren sich die Parteien einig: Die großen Lücken in der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung müssen geschlossen werden – und das schnell. Diese Erkenntnis ist allerdings nicht neu. Seit 2009 wirbt jede Koalition in ihrem Regierungsplan mit der „Digitalisierung“. Doch „digital first“ gilt bis heute selten in den Behörden.

Nach der Bundestagswahl sieht die deutsche Wirtschaft nun die Chance, den Digitalisierungsrückstand zu überwinden. „Die neue Bundesregierung muss die öffentliche Verwaltung mit Hochdruck modernisieren“, sagte der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, dem Handelsblatt.

Der Stand der Digitalisierung sei für Unternehmen und Bürger „immer noch ungenügend“. Die Coronapandemie habe überdeutlich die Dringlichkeit offengelegt, mit der die Digitalisierung der Verwaltung viel rascher als bisher vorankommen müsse.

Der BDI belässt es nicht bei der Kritik am Status quo. In einem als „Modernisierungsagenda“ bezeichneten Positionspapier legt der Verband eine Liste mit Maßnahmen vor, die von der künftigen Regierung als erstes angepackt werden sollen. Dazu zählt insbesondere eine zentrale politische Steuerung der Digitalisierung und anderer Querschnittsthemen in einem neuen Bundesministerium. Die Umsetzung der Vorschläge müsse Chefsache werden, heißt es in dem 36 Seiten starken Papier, das dem Handelsblatt vorliegt.

Gleichzeitig bietet der Verband seine Hilfe an – mit einem Expertenrat „Moderner Staat“, der das Reformpapier federführend erarbeitet hat. Das aus elf Personen bestehende Gremium mit Fachleuten aus der Praxis – darunter der frühere Chef der Bundesagentur für Arbeit Frank-Jürgen Weise, Siemens-Healthineers-Finanzvorstand Jochen Schmitz oder der Finanzchef der Software AG Matthias Heiden – solle Politik und Verwaltung bei der Bewältigung der anstehenden „Transformationsherausforderungen“ beratend unterstützen, kündigt der BDI an.

Einig sind sich die Experten darin, dass alle Vorschläge „zeitnah“ umsetzbar seien, einige davon bereits in den ersten 100 Amtstagen einer neuen Bundesregierung. Die „Modernisierungsagenda“ verfolgt dabei das vorrangige Ziel, die Leistungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung zu erhalten. Dazu müsse sie jedoch „kooperativer, agiler und digitaler“ werden, wofür „umgehend gewaltige Kraftanstrengungen“ nötig seien.

Plädoyer für Einrichtung eines Digitalministeriums

Für die Wirtschaft ist es höchste Zeit, dass Bewegung in die Verwaltungsdigitalisierung kommt. „Ein moderner Staat ist unverzichtbare Voraussetzung für internationale Wettbewerbsfähigkeit und ein entscheidender Standortfaktor“, betont BDI-Präsident Russwurm. Immerhin, gibt er zu bedenken, seien die Unternehmen mit über 200 Kontakten pro Jahr „die Poweruser unserer Behörden“.

Wie schleppend die Digitalisierung der Behörden hierzulande vorankommt, zeigt auch der Vergleich mit anderen Ländern, wie zum Beispiel im „Digital Economy and Society Index“. Die EU-Kommission analysiert jährlich die digitale Leistungsfähigkeit aller EU-Mitgliedsstaaten. In dem 2020 veröffentlichten Index rangiert Deutschland im Bereich E-Government unter den 28 EU-Staaten nur auf Platz 21.

Dreh- und Angelpunkt für die Staatsmodernisierung sollte aus Sicht der BDI-Experten ein neues „Bundesministerium für die Digitalisierung von Verwaltung und Recht sowie für digitale Infrastruktur“ sein. Dieses mit eigenem Budget ausgestattete Ressort, so die Empfehlung, sollte in den ersten 100 Tagen der neuen Regierung eingerichtet werden. Russwurm sieht darin einen „entscheidenden Hebel für eine moderne Verwaltung“. „Das Ministerium muss dann aber auch mit umfangreicher Koordinierungskompetenz ausgestattet sein.“

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Dafür soll das Digitalministerium laut dem Papier klare Befugnisse gegenüber anderen Ministerien erhalten. Alle größeren Digitalvorhaben der einzelnen Ressorts sollen demnach unter einem „Digitalvorbehalt“ des neuen Ministeriums stehen. Außerdem soll das Ressort die „zentrale Koordination“ von Projekten wie dem Onlinezugangsgesetz (OZG) übernehmen.

Dänemark als Vorbild

Laut dem OZG sollen bis Ende nächsten Jahres alle Verwaltungsleistungen in Deutschland online angeboten werden. In der Praxis bedeutet das: Über 6.000 Leistungen, zusammengefasst in 575 sogenannten OZG-Leistungsbündeln, müssen digitalisiert, verwaltungseigene Datenbanken miteinander vernetzt werden, vom Melde- bis zum Binnenschifffahrtsregister. Ob dieses Mammutprojekt rechtzeitig gelingt, ist allerdings fraglich.

Der BDI fordert daher von der neuen Regierung, in den ersten 100 Tagen Impulse zu setzen, die eine fristgerechte Umsetzung sicherstellen. Wichtig sei zudem, dass Verwaltungsleistungen nach gleichen Standards digitalisiert würden. Dazu solle eine Frist gesetzt werden, ab der Daten und Nachweise zwischen Bundesministerien und ihren nachgeordneten Behörden nur noch digital ausgetauscht werden dürfen. „Ziel muss sein, dass Ämter auf allen föderalen Ebenen sowie Verwaltungseinheiten mit Unternehmen reibungsloser zusammenarbeiten“, sagte BDI-Präsident Russwurm.

Der BDI will noch mehr: In Zukunft sollen Behördengänge überflüssig werden. Die Bundesregierung sollte deshalb den Aufbau eines „nutzerfreundlichen Ökosystems für digitale Identitäten“ vorantreiben, heißt es in dem Papier. Es müsse für jeden möglich sein, sich allein mit seinem Smartphone gegenüber der Verwaltung auszuweisen. Auch Dokumente wie der Führerschein, Abschlusszeugnisse von Schulen oder Hochschulen sowie Verwaltungsbescheide sollten digital auf einer solchen Infrastruktur zur Verfügung gestellt werden können.

Der BDI sieht Dänemark als Vorbild. Dort können die Bürger seit Langem mit einer elektronischen Identifikationsnummer, der „NemID“, dem digitalen Bürgeramt eine neue Adresse mitteilen oder ein Unternehmen anmelden.

Ob es Deutschland gelingt, sein Image als IT-Nachzügler in absehbarer Zeit loszuwerden? Für BDI-Präsident Russwurm steht außer Frage, dass die nächste Bundesregierung deutlich mehr Tempo machen muss. „Komplexe Transformationen wie die Digitalisierung und der Klimaschutz lassen sich nur mit einer leistungsstarken Verwaltung meistern“, sagt er. Alle föderalen Ebenen in der deutschen Verwaltung müssten daher „endlich gemeinsam an einem Strang ziehen“.

Mehr: Der Deutschland-Plan: 21 Aufgaben, die die nächste Regierung dringend anpacken muss

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