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Schuldenpolitik Milliardenrücklagen, Klimafonds, Ausbau von KfW und öffentlichen Unternehmen: So kann die Ampelkoalition mehr Schulden machen

Die Ampelkoalition verspricht, genügend Geld für Investitionen aufzutreiben und gleichzeitig die Schuldenbremse einzuhalten. Dafür gibt es vier Möglichkeiten – und alle haben Nachteile.
05.11.2021 - 04:00 Uhr 2 Kommentare
In der Gesundheitspolitik der Zukunft wird Digitalisierung weitergedacht. Quelle: imago images/Mike Schmidt
Annalena Baerbock, Olaf Scholz, Christian Lindner

In der Gesundheitspolitik der Zukunft wird Digitalisierung weitergedacht.

(Foto: imago images/Mike Schmidt)

Berlin Die Maßgabe klingt eindeutig: „Wir werden im Rahmen der grundgesetzlichen Schuldenbremse die nötigen Zukunftsinvestitionen gewährleisten, insbesondere in Klimaschutz, Digitalisierung, Bildung und Forschung sowie die Infrastruktur“, haben SPD, FDP und Grüne in ihrem Sondierungspapier festgeschrieben. Die Ampelkoalition verspricht also, genügend Geld für Investitionen aufzutreiben und gleichzeitig die Schuldenbremse einzuhalten.

Derzeit suchen die Unterhändler in der Arbeitsgruppe „Finanzen und Haushalt“ verzweifelt nach Wegen, wie sich diese Vorgaben umsetzen lassen. Und schon bei der ersten Runde war klar: Es ist ein äußerst schwieriges Unterfangen.

So fordern die Grünen, 50 Milliarden Euro zusätzlich im Jahr zu investieren. Nur lässt die Schuldenbremse ab 2023 kaum Spielraum für zusätzliche Schulden.

Deshalb diskutieren die Ampel-Haushälter ungewöhnliche Wege, mit denen sich Investitionsmittel mobilisieren lassen, ohne dies aus dem Bundesetat finanzieren zu müssen. Über vier Tricks wird diskutiert. Sie alle haben allerdings große Nachteile.

1. Milliardenrücklage im Energie- und Klimafonds (EKF)

Die Blaupause für diesen Haushaltstrick lieferte Olaf Scholz (SPD) bereits. Als klar war, dass der Bundesfinanzminister wegen der Coronakrise Schulden in Rekordhöhe aufnehmen muss, entschloss er sich, mit einem Teil der Kredite Reserven für die Zukunft anzulegen. So flossen rund 26 Milliarden Euro in den im Bundeshaushalt angesiedelten Energie- und Klimafonds (EKF), um damit ab 2021 Maßnahmen aus dem Konjunkturpaket zu finanzieren.

26 Milliarden Euro flossen in den im Bundeshaushalt angesiedelten Energie- und Klimafonds (EKF), um damit ab 2021 Maßnahmen auf aus dem Konjunkturpakt zu finanzieren. Quelle: dpa
Olaf Scholz

26 Milliarden Euro flossen in den im Bundeshaushalt angesiedelten Energie- und Klimafonds (EKF), um damit ab 2021 Maßnahmen auf aus dem Konjunkturpakt zu finanzieren.

(Foto: dpa)

Unter einem Kanzler Scholz könnte diese Strategie wiederholt werden. 2022 soll nach derzeitiger Planung das letzte Jahr werden, in dem die Schuldenbremse wegen Corona ausgesetzt wird. Scholz‘ Finanzplan sieht vor, im kommenden Jahr knapp 100 Milliarden Euro neue Schulden zu machen. Die Koalition könnte, so die Überlegung, aber noch mehr Kredite aufnehmen und das Geld im EKF parken.

Diese Idee ist allerdings umstritten. Schon das schuldenfinanzierte Auffüllen des EKF 2020 gilt einigen im Bundesfinanzministerium als Sündenfall. Und es gibt Juristen, die bezweifeln, dass so ein Vorgehen verfassungsgemäß ist. Die Ampel würde zumindest das Risiko eingehen, dass gleich ihr erster Haushalt als verfassungswidrig eingestuft werden könnte.

FDP-Chef Christian Lindner hat dem EKF-Trick deshalb zumindest teilweise eine Absage erteilt. „Die jetzt schon geplante Nettokreditaufnahme von 100 Milliarden Euro im kommenden Jahr halte ich, vorsichtig formuliert, bereits für auskömmlich“, sagte Lindner der „FAZ".

Der FDP-Chef  hat dem EKF-Trick zumindest teilweise eine Absage erteilt. Quelle: imago images/Chris Emil Janßen
Christian Lindner

Der FDP-Chef hat dem EKF-Trick zumindest teilweise eine Absage erteilt.

(Foto: imago images/Chris Emil Janßen)

Grundlegend dürfte das Thema aber weiter wabern. Nach Informationen des Handelsblatts haben auch bereits die Abteilungsleiter der Länderfinanzministerien in einer internen Runde darüber diskutiert, ob der Klimanotstand als Begründung für eine dauerhafte Ausnahme von der Schuldenbremse herangezogen werden könnte. Die Schuldenbremse schreibt den Ländern seit 2020 sogar eine Nullverschuldung vor.

Die Abteilungsleiter waren aber höchst skeptisch. Zwei hohe Finanzbeamte aus Hamburg schrieben ihre Bedenken auch in einem Artikel nieder. „Die Verringerung der Auswirkungen des Klimawandels durch eine Kreditaufnahme zu finanzieren würde der kommenden Generation nicht nur die Folgen des Klimawandels, sondern auch die finanziellen Lasten aufbürden“, heißt es darin.

2. Ausbau der Förderbank KfW

Die realistischste Option ist derzeit eine andere: ein Ausbau der staatlichen Förderbank KfW. Sie soll zu einer „Innovations- und Investitionsagentur“ ausgebaut werden, wie es im Sondierungspapier heißt. Offen ist aber die Frage, wie genau die KfW eingespannt werden kann.

Die KfW könnte zwar mehr Zuschüsse und Kredite verteilen, etwa an Firmen, die in Klimaschutz investieren. Die Überlegungen der Unterhändler gehen aber noch weiter: Die KfW könnte auch als eine Art „Transformationsfonds“ dienen. Die Förderbank würde finanziell dort einspringen, wo Unternehmen und deren Banken mit der Klimawende überfordert werden.

Der Vorteil aus Sicht der Ampelkoalition: Die KfW würde die Investitionen finanzieren, Geld aus dem Bundeshaushalt ist nicht notwendig. Und selbst wenn die KfW für die neuen Aufgaben finanziell vom Bund gestärkt werden müsste, fiele dies nicht unter die Schuldenbremse.

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Doch auch der KfW-Plan ist umstritten. Zudem könnten zwar private Investitionen gestärkt werden, aber der öffentliche Investitionsbedarf bleibt.

Zudem würde die staatliche Bank – und mit ihr letztlich die Steuerzahler – dort ins Risiko gehen, wo es private Investoren nicht wollen. Auch müsste sich die KfW neu erfinden. Bis jetzt geht die Förderbank selbst kein Risiko ein, sondern lässt sich alles durch den Bund absichern. Und sie geht nur Geschäfte ein, die profitabel sind – von denen es gar nicht so viele gibt.  

Ob daher wirklich mehr private Investitionen angeschoben werden könnten, ist nicht sicher. Schon jetzt liegen die Zinsen nahezu bei null. Das Zinsumfeld ist also schon so, dass es schon möglichst viele private Investitionen geben müsste. Was da eine Förderbank zusätzlich bewirken soll, ist unklar.

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Und messen lässt sich der Erfolg auch nicht. Wie viele zusätzliche Investitionen etwa ein ähnlich gelagertes Programm der Europäischen Investitionsbank (EIB) vor einigen Jahren angestoßen hat, weiß niemand.

3. Ausbau öffentlicher Unternehmen

Über die KfW-Bank hinaus könnte eine Ampelbündnis auch andere öffentliche Unternehmen einspannen, um die Investitionen zu erhöhen. Diese können Kredite aufnehmen, ohne dass diese auf die Schuldenregel angerechnet werden und damit den finanziellen Spielraum des Bundes einengen.

So könnte der Bund neue öffentliche Unternehmen schaffen, etwa für den Aufbau einer Wasserstoff-Infrastruktur. Oder ein staatliches Unternehmen, das entlang von Bahnstrecken Solarmodule aufstellt und Windräder baut, um den Ausbau der erneuerbaren Energien  voranzutreiben. Einnahmen könnte das Unternehmen dann aus dem Verkauf von Strom bestreiten.

Naheliegend ist auch, den Verschuldungsspielraum bereits bestehender öffentlicher Unternehmen wie der Deutschen Bahn zu erweitern, verbunden mit der Auflage, die zusätzlichen Mittel müssten etwa in die Gleisinfrastruktur investiert werden.

Doch auch diese Überlegungen bergen Probleme: Die Entscheidungen würden dann in den Unternehmen getroffen, der Bundestag würde an Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten verlieren.

Auch wirtschaftlich wäre aus Sicht des Steuerzahlers eine höhere Verschuldung öffentlicher Unternehmen nicht unbedingt effizient.  So ist es etwa für die Deutsche Bahn etwas teurer sich zu verschulden als für den Bund. Zwar nicht wesentlich, aber bei größeren Summen machen sich die Zinskosten schon bemerkbar.

4. Gründung eines EU-Klimafonds

Weil die Schuldenbremse national wenig Spielraum lässt, denken die Sondierer auch über eine europäische Lösung nach: die Schaffung eines europäischen Fonds, aus dem Klimainvestitionen finanziert werden.

So beziffert der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) den Investitionsbedarf Deutschlands bis 2030 auf 860 Milliarden Euro, wenn die Klimaziele erreicht werden sollen.

Da auch alle anderen EU-Staaten zur Bewältigung der Klimakrise viel investieren müssen, liegt eine europäische Lösung nahe. Wie beim EU-Wiederaufbaufonds würde dann die EU-Kommission selbst Schulden machen, um den Topf mit Geld zu füllen. Der BDI begrüßte die Idee bereits.

Das Signal, das von diesem Schritt ausgehen würde, wäre gewaltig. Ausgerechnet Deutschland, das eine stärkere europäische Schuldenvergemeinschaftung skeptisch sah, würde nun selbst genau das vorschlagen.

Hier liegt aber auch die Krux: Während SPD und Grüne solch einen EU-Klimafonds sicher mitmachen würden, kann die FDP eigentlich nicht mitgehen. Sie war bislang immer strikt gegen eine Vergemeinschaftung von Schulden auf europäischer Ebene.

Zudem wäre so ein Fonds mit hohen Hürden verbunden. So müsste ein neuer Beschluss für eine Aufstockung der EU-Eigenmittel her, jedes EU-Land müsste dem einzeln zustimmen, da hier das Einstimmigkeitsprinzip gilt. Und das alles vor dem Hintergrund, dass die Verteilung der Gelder aus dem EU-Wiederaufbaufonds noch nicht einmal richtig gestartet ist. Auch diese Option zeigt wie die drei anderen: Jede Alternative zur Umgehung der Schuldenbremse hat große Fallstricke.

Mehr: Rechnungshöfe warnen vor einer Lockerung der Schuldenbremse.

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2 Kommentare zu "Schuldenpolitik: Milliardenrücklagen, Klimafonds, Ausbau von KfW und öffentlichen Unternehmen: So kann die Ampelkoalition mehr Schulden machen"

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  • Wann wird es Neuwahlen geben?

  • Ganz einfach: Geld auszugeben, das man nicht hat, bleibt immer "Schulden machen" und schlechte Investitionen sind immer Verschwendung.

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