COP26 China und USA stellen Klima über die eigentlich „toxische bilaterale Beziehung“ – Was das für die Zukunft bedeuten kann

Offiziell endet die Konferenz am Freitag, doch Teilnehmer erwarten, dass sich die Verhandlungen bis ins Wochenende ziehen.
Berlin, Glasgow Der bilaterale Klimapakt zwischen den Supermächten USA und China weckt Hoffnungen, dass die Weltklimakonferenz in Glasgow doch noch zu einem Erfolg werden kann. Verhandler und Aktivisten begrüßten am Donnerstag die überraschende Ankündigung der beiden Erzrivalen, in Klimafragen künftig zusammenzuarbeiten.
Die Kooperation der beiden größten Treibhausgasverursacher der Welt sei eine „gute Nachricht“, sagte der Leiter der deutschen Delegation, Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth. „Um die Erderhitzung auf 1,5 Grad zu begrenzen, ist eine rasante Aufholjagd beim Klimaschutz in diesem Jahrzehnt nötig. Die notwendigen Fortschritte müssen vor allem von den größten Emittenten kommen.“
China verursacht 27 Prozent der globalen CO2-Emissionen, die USA 13 Prozent. Pro Kopf stoßen die USA mit Abstand am meisten aus. Beide Länder hatten in Glasgow bisher in entscheidenden Fragen auf der Bremse gestanden.
So pocht Peking darauf, dass das Zwei-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens die Grundlage für die nationalen Selbstverpflichtungen bleiben soll – und nicht das ambitioniertere 1,5-Grad-Ziel. Die USA wiederum bremsen bei den Finanzhilfen für ärmere Länder.
Am Mittwochabend dann überraschten der US-Klimabeauftragte John Kerry und sein chinesischer Kollege Xie Zhenhua die Konferenzteilnehmer mit ihrer bilateralen Vereinbarung. „Als Großmächte der Welt müssen wir unsere Verantwortung wahrnehmen und zusammenarbeiten“, sagte Xie. Man habe sich darauf geeinigt, die Ambitionen im Klimaschutz in diesem entscheidenden Jahrzehnt zu erhöhen, ergänzte Kerry.
Teilnehmer gehen von einer Verlängerung der Konferenz aus
Die Ankündigung könnte in den letzten Tagen der COP26 neuen Schwung in die festgefahrenen Gespräche bringen. Die rund 200 Staaten ringen um eine Abschlusserklärung, die das 1,5-Grad-Ziel in Reichweite hält. Die bisherigen Selbstverpflichtungen der Staaten reichen dafür noch nicht aus. Offiziell endet die Konferenz am Freitag, doch Teilnehmer erwarten, dass sich die Verhandlungen bis ins Wochenende ziehen.
China und USA einigen sich überraschend auf Klimaschutz-Maßnahmen
Der EU-Klimabeauftragte Frans Timmermans sagte: „Der Vorstoß hilft uns, hier bei der COP eine Einigung zu finden.“ Auch der Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, begrüßte den Deal von China und den USA als „wichtigen Schritt in die richtige Richtung“. Verhandler äußerten die Hoffnung, dass das positive Signal den Druck auf weitere Bremser wie Australien oder Saudi-Arabien erhöhe.
Beobachter warnten jedoch vor zu großem Optimismus. „Beide Länder müssen sich nun auch in der Abschlusserklärung zur Klimakonferenz für mehr Klimaschutz einsetzen“, sagte Viviane Raddatz, Leiterin Klimaschutz und Energiepolitik beim WWF Deutschland. Dazu zähle, schon für 2022 eine Nachbesserung der nationalen Klimaziele festzuschreiben. In Glasgow gehe es jetzt „ans Eingemachte“.
Die beiden Supermächte hätten nur einen Prozess angekündigt, aber keine konkreten Zusagen gemacht, sagte der China-Experte Li Shuo von der Umweltorganisation Greenpeace. Er erwartet keine unmittelbaren Zugeständnisse von Peking. „Wenn China jetzt den Forderungen der USA nachgeben würde, wäre das innenpolitischer Selbstmord.“
Rivalen klammern das Klima von ihrer „toxischen bilateralen Beziehung“ aus
Die Bedeutung des Pakts bestehe vor allem darin, dass die beiden Rivalen das Klimathema von ihrer „toxischen bilateralen Beziehung“ ausklammern wollten, sagte Li. Statt sich gegenseitig zu belauern, könnten sie sich künftig auf den gemeinsamen Feind, den Klimawandel, konzentrieren.
Mehrere Experten äußerten auch die Vermutung, dass die beiden Länder sich implizit darauf verständigt haben, neue Klimazusagen in die Zeit nach der COP zu verlegen. Einen ersten Anlass dafür böte etwa das anstehende Gipfeltreffen zwischen Chinas Präsident Xi Jinping und US-Präsident Joe Biden, weitere Schritte könnten in den kommenden Jahren folgen.
In Glasgow hingegen erweisen sich beide Länder als hartleibig. „China streicht konsequent jegliche Ambition hinsichtlich 1,5 Grad Celsius und des Ausstiegs aus fossilen Energieträgern aus dem Text“, sagte David Ryfisch von Germanwatch. „Die USA wiederum probieren, Formulierungen zur Klimafinanzierung zu verwässern.“
Die COP26 werde direkt zum Lackmustest für die neu angekündigte Kooperation, sagte Ryfisch. „Wenn die beiden größten Emittenten es ernst meinen, müssen sie die Positionen der progressiven Länder explizit unterstützen.“
Doch dient der bilaterale Vorstoß der Supermächte auch dazu, den Prozess der Vereinten Nationen zu umgehen. Damit folgen die beiden Länder einem Trend: In den vergangenen zwei Wochen formierten sich mehrere Koalitionen der Willigen zu unterschiedlichen Themen. So bekannte sich eine Reihe von Staaten zum Ende des Verbrennungsmotors, andere wollen ihre Methangasemissionen reduzieren.
Diese Nebendeals sind nicht Teil des COP-Prozesses, aber für sich selbst genommen hilfreich. „Die Abkommen außerhalb des UN-Prozesses gewinnen immer mehr an Bedeutung“, sagt Jan Kowalzig von der Nichtregierungsorganisation Oxfam. Letztlich helfe alles, was zur Senkung der globalen Emissionen beitrage. Deshalb sei es nun interessant zu sehen, welche Beiträge die USA und China in den kommenden Jahren liefern.
Mehr: Kohleausstieg, Finanzhilfen, Regelbuch – Wovon Scheitern und Erfolg der Klimakonferenz abhängen
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