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Pandemie „Wie ein Autounfall in Zeitlupe“: Delta-Variante befindet sich in den USA auf dem Vormarsch

Während die Neuinfektionen und Todesfälle steigen, werden Impfskeptiker zu einem immer größeren Problem. Behörden sprechen von der „entscheidenden Phase in der Pandemie“.
24.07.2021 - 10:59 Uhr Kommentieren
In den USA nimmt die Zahl der an einem Tag erfassten Corona-Neuinfektionen wieder zu. Quelle: dpa
Passanten

In den USA nimmt die Zahl der an einem Tag erfassten Corona-Neuinfektionen wieder zu.

(Foto: dpa)

Washington, San Francisco Hunderttausende Menschen werden in der kommenden Woche in die US-Metropole Chicago strömen. Nachdem im vergangenen Jahr das weltberühmte Musikfestival „Lollapalooza“ abgesagt wurde, findet es nun wieder statt.

Zwar sind die Besucher angehalten, Impfnachweise vorzulegen oder Masken zu tragen – doch die Kritik an den Veranstaltern wächst. „Völlig verrückt“ nannte ein Lokalsender die Pläne, da sich die Covid-Fälle in der Großstadt binnen weniger Wochen mehr als verdoppelt haben.

Der Anstieg ist vor allem auf die leicht übertragbare Delta-Variante zurückzuführen, die in den gesamten USA auf dem Vormarsch ist: Rund 85 Prozent der positiv getesteten US-Bürgerinnen und -Bürger, schätzt die Gesundheitsbehörde CDC, tragen die Delta-Virusvariante in sich.

Von einer „entscheidenden Phase in der Pandemie“ spricht Behördenchefin Rochelle Walensky. „Die Delta-Variante ist aggressiver und viel übertragbarer als bisher zirkulierende Stämme.“ Parallel verlangsamt sich das Tempo der Covid-Impfungen in den USA rapide, obwohl erst weniger als die Hälfte der US-Bevölkerung vollständig geimpft ist. Das bietet hochansteckenden Varianten wie Delta den Raum, sich schneller auszubreiten.

Bundesweit steigt die Zahl der Coronavirus-Fälle rasant. In der vergangenen Woche wurden durchschnittlich etwa 43.232 Fälle pro Tag gemeldet, das ist das Vierfache im Vergleich zu Anfang Juli. Die Zahl der neuen Todesfälle stieg im gleichen Zeitraum um 42 Prozent, auf durchschnittlich 249 pro Tag, mancherorts füllen sich wieder die Intensivstationen mit Covid-Patienten.

Die Zahlen sind ein Bruchteil dessen, was die USA kurz nach dem Ausbruch der Pandemie im Frühjahr 2020 verzeichneten – doch ihr Anstieg zeigt, dass die Gefahren des Virus noch nicht gebannt sind.

James Williams, Notfallmediziner aus Texas, sagte der Nachrichtenagentur AP: „Es ist, als würde man einem Autounfall in Zeitlupe zusehen. Keiner von uns möchte noch einmal durchmachen, was wir bereits mit Covid erlebt haben.“ Laut Williams sind die Patienten auf seiner Station jünger, viele seien in ihren 20er-, 30er- und 40er-Jahren – und überwiegend ungeimpft. 

Impfskeptiker werden zum Problem

Bislang haben rund 56 Prozent der US-Bürgerinnen und -Bürger mindestens eine Dosis der diversen Vakzine erhalten. Und das, obwohl Impfen in den USA unbürokratisch organisiert ist und sogar in Supermärkten geimpft wird.

Impfskeptiker könnten zum größten Problem in der Pandemie werden, klagen Experten. Ungeimpfte Menschen „ergreifen oft auch keine Schutzvorkehrungen“ wie Abstand und Masken, sagte Eric J. Rubin, Chefredakteur des „New England Journal of Medicine“. Varianten wie Delta könnten sich somit schneller ausbreiten.   

Die Gründe sind vielfältig: Soziale Faktoren spielen eine Rolle, dazu kommt Desinformation über Covid-Impfungen, die sich im Internet verbreitet. So wurde die republikanische Abgeordnete Marjorie Taylor Greene vorübergehend auf Twitter gesperrt, weil sie schrieb, Covid-19 sei für Menschen unter 65 ungefährlich.

Auch die politische Einstellung entscheidet offenbar oftmals darüber, ob sich jemand impfen lässt oder nicht. So stellen die drei Bundesstaaten Texas, Florida und Missouri zusammen allein 40 Prozent der Neuinfektionen.

All diese Staaten haben gemeinsam, dass sie niedrige Impfquoten haben und Hochburgen der republikanischen Partei sowie von Ex-Präsident Donald Trump sind. Zwar rief Floridas Gouverneur Ron DeSantis zuletzt seine Bevölkerung zum Impfen auf, doch die Infektionszahlen in seinem Bundesstaat steigen schnell.

Manche Bundesstaaten behandeln das Impfen wie eine Ideologie, nicht wie eine Gesundheitsmaßnahme. Der republikanische Bundesstaat Tennessee etwa kündigte an, man werde jegliche Aufklärung zum Impfen für Jugendliche einstellen: Man fördere keine Flugblätter oder Beratung mehr an Schulen, keine Erinnerungspostkarten für Impftermine, keine Infos auf Social Media.

Das betreffe alle Impfungen, unabhängig ob diese gegen das Coronavirus, Diphterie, Kinderlähmung, Masern, Pocken oder Hepatitis sind, berichtet die Zeitung „Tennessean“ in Nashville. In Tennessee haben erst 38 Prozent der Bevölkerung zwei Impfdosen bekommen. Zum Vergleich: In Kalifornien etwa sind es 51, in New York 55 Prozent.

„Breakthrough-Infektionen“ sorgen für Unsicherheit

Das Weiße Haus versucht, gegenzusteuern und Überzeugungsarbeit zu leisten. Mehr als 100 Millionen US-Dollar wurden gerade für Impfkampagnen in ländlichen Gebieten bewilligt. Kürzlich lud US-Präsident Joe Biden den 18-jährigen Disney-Star Olivia Rodrigo ein, um jüngere Amerikanerinnen und Amerikaner für das Impfen zu begeistern.

Die Akzeptanz der Impfstoffe, weiß man in Washington, ist das stärkste Instrument im Kampf gegen die Pandemie. Allerdings sorgen Fälle sogenannter „Breakthrough-Infektionen“, also Ansteckungen bereits geimpfter Personen, für Verunsicherung. Kürzlich infizierte sich ein Mitarbeiter des Weißen Hauses, der vollständig gegen Covid geimpft war.

Auch eine geimpfte Angestellte im Büro von Nancy Pelosi, Chef-Demokratin im Repräsentantenhaus, steckte sich an. Die Viren wurden offenbar durch geimpfte texanische Abgeordnete der demokratischen Partei eingeschleppt, die zu Besuch waren. Erste Landkreise führen bereits wieder ein Maskenmandat ein, auch für Geimpfte. 

Die Statistik zeigt, dass Geimpfte nach wie vor ein geringes Risiko haben, sich zu infizieren. Mehr als 99 Prozent der Covid-19-Todesfälle und 97 Prozent der Krankenhauseinweisungen entfallen laut CDC auf Menschen, die nicht geimpft wurden.

Dennoch warnen Experten davor, alle Schutzmaßnahmen über Bord zu werfen. Der Bostoner Virologe Scott Dryden-Peterson verglich in der „New York Times“ die Lage mit dem Straßenverkehr: „Sicherheitsgurte reduzieren das Risiko, aber wir müssen trotzdem vorsichtig fahren“, sagte er.

Man wisse immer noch zu wenig über die Delta-Variante. Die Forschung wird dadurch erschwert, dass die Behörden aktuell nur Delta-Infektionen bei Geimpften untersuchen, die im Krankenhaus landen. Leichtere Fälle ohne Symptome tauchen damit gar nicht in der Statistik auf, obwohl es sie aller Wahrscheinlichkeit nach gibt. 

Die Rückkehr zur Normalität, die Biden versprochen hat, könnte in den USA auf sich warten lassen. Das zeigt sich auch daran, dass die ersten Firmen die Rückkehr ihrer Belegschaft ins Büro vertagen.

Mit Apple rudert jetzt der erste Tech-Gigant im Silicon Valley zurück: CEO Tim Cook wollte die nagelneue und milliardenteure Zentrale in Cupertino eigentlich im September füllen. Die Pläne werden nun um einen Monat verschoben. Auch Hunderttausende Angestellte im Staatsdienst wollen nicht zurück ins Büro, meldet die „Washington Post“. 

Mehr: Wann kommt die dritte Impfung mit Biontech - und wie wirkt sie? Ein Überblick. 

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