Digitale Revolution Diese Sensoren verhelfen dem autonomen Fahren zum Durchbruch

Die Reflexionen der Laserstrahlen ergeben ein dreidimensionales Lichtbild, das an Kunstwerke des französischen Impressionisten Claude Monet erinnert.
Düsseldorf Alles dreht sich um ein eigentlich unscheinbares, rechteckiges, schwarzes Kästchen. Doch unter der Oberfläche verbirgt sich eine Laser-Technologie, an der seit Jahrzehnten gearbeitet und die bald für die gesamte Autoindustrie unentbehrlich werden wird. Die Rede ist von Lidar-Sensoren.
Sie sind der unverzichtbare Schlüssel zum gigantischen Markt für das automatisierte Fahren. Jedes zum Teil oder überwiegend selbstfahrende Auto wird auf die Laser-Radare angewiesen sein. Sie funktionieren ähnlich wie bereits vielfach eingesetzte Radare, wie etwa im Flugverkehr, nur dass sie statt Funkwellen Laserstrahlen aussenden. Deren Reflexionen ergeben ein dreidimensionales Lichtbild, das an Kunstwerke des französischen Impressionisten Claude Monet erinnert: Feine Pinselstriche ergeben ein nahezu realistisches Abbild der Umgebung. Die Auflösung von Lidar-Sensoren ist gegenüber Radaren höher, nachts funktionieren sie besser als Kameras.
Getestet werden die Sensoren bei Prototypen von Autobauern oder Robotaxidiensten seit Jahren. Einer Kommerzialisierung stand lange Zeit der hohe Preis im Weg. Der aber sinkt nun rapide. Grund ist die sogenannte Solid-State-Technologie. US-Anbieter Velodyne rechnet damit, auf diese Weise den Preis für einen Lidar-Sensor bis 2024 auf durchschnittlich 600 Dollar drücken zu können. Zum Vergleich: 2017 lag der Durchschnittspreis noch bei knapp 18.000 Dollar.
Im Gegensatz zu den herkömmlichen mechanischen großen Lidar-Sensoren, die auf dem Dach von Testwagen montiert mit ihren rotierenden Spiegeln an Leuchttürme erinnern, wird bei Solid-State-Lidaren auf bewegliche Teile verzichtet. Die Sensoren sind zwar weniger leistungsfähig. Dafür aber sind sie kleiner, robuster und günstiger – drei grundlegende Voraussetzungen für den Einsatz im Auto.
Zahlreiche Lidar-Start-ups buhlen um diesen Markt. Mit Blickfeld und Ibeo sind auch zwei deutsche Unternehmen schon länger dabei. Der weltgrößte Autozulieferer Bosch versucht aufzuholen und entwickelt mit großem Ehrgeiz seit einem Jahr auf eigene Faust ein Fernbereichs-Lidar. „Die Serienentwicklung läuft, alle internen Meilensteine wurden erreicht“, sagt eine Konzernsprecherin.

Im Gegensatz zu den herkömmlichen mechanischen großen Lidar-Sensoren wird bei Solid-State-Lidaren auf bewegliche Teile verzichtet.
Einen genauen Zeitpunkt, wann die Serienfertigung starten wird, verrät das Unternehmen nicht. Ob es bei einem Alleingang bleibt, steht nicht fest. „Wir sind offen für etwaige Partner“, teilt der Konzern jetzt mit. Autozulieferer wie Continental oder ZF haben bereits ihre Wetten gesetzt und halten Minderheitsbeteiligungen an Lidar-Start-ups aus den USA.
In den USA wurde zuletzt eine Welle von Börsengängen losgetreten, die junge Lidar-Unternehmen in neue finanzielle Höhen katapultierte. Vergangene Woche ging mit AEye – an dem Continental beteiligt ist – das vorerst letzte Lidar-Start-up über einen sogenannten Spac an die Börse. Dabei wird ein Start-up mit einer an der Börse notierten Unternehmenshülle fusioniert. Die Aktiennotierung durch die Hintertür spülte fast eine halbe Milliarde Dollar in die Kassen von AEye. Bewertet wird das Start-up mit zwei Milliarden Dollar.
Begonnen hatte die Lidar-Spac-Serie mit dem Börsengang von Velodyne im Juli 2020. Praktisch über Nacht konnte das US-Unternehmen so mehr als 190 Millionen Dollar frisches Kapital einsammeln. Nach Velodyne ging es dann Schlag auf Schlag. Im Dezember gingen Ouster und Innoviz an die Börse. Im Januar 2021 kamen Aeva, an der Porsche beteiligt ist, und Luminar, das mit Daimlers Lkw-Sparte kooperiert, dazu.
Luminars Börsengang hat Gründer Austin Russel mit gerade einmal 25 Jahren von einem Tag auf den anderen zu einem der jüngsten Milliardäre der Welt gemacht. Die börsennotierten Lidar-Start-ups kommen gemeinsam auf eine Marktbewertung jenseits der Zehn-Milliarden-Dollar-Marke.
Apple heizt den Markt zusätzlich auf. Der Nachrichtenagentur Bloomberg zufolge, die sich auf informierte Kreise beruft, führt der iPhone-Hersteller für sein geplantes Auto derzeit Gespräche mit Zulieferern, die Lidar-Sensoren entwickeln.
Mondmission macht Lidar bekannt
Das theoretische Grundkonzept für die Lidar-Technologie ist bereits über 90 Jahre alt. Es geht zurück auf den irischen Physiker Edward Hutchinson Synge. 1960 hatte der US-Physiker Theodore Maiman den ersten funktionsfähigen Laser entwickelt, ein Jahr darauf war es dann Malcolm Stitch, der für das US-Luftfahrt- und Verteidigungsunternehmen Hughes Aircraft, den ersten Lidar-Sensor entwickelt hat. Damals wurde der Laser-Radar noch mit „Colidar“ (Coherent Light Detecting And Ranging) bezeichnet und für militärische Zwecke verwendet. Anfang der 1970er-Jahre erlangte der Lidar-Sensor dank der Apollo-15-Mission größere Bekanntheit, bei der mithilfe von Lidar-Sensoren die Mondoberfläche kartografiert wurde.
Danach wurde es sehr lange still um Lidar. Nach der Mondmission dauerte es noch mal mehr als 30 Jahre, bis der Lidar wieder Aufmerksamkeit auf sich zog. Auf der ersten Darpa Challenge – einem von der Forschungsagentur des US-Militärs organisierten Rennen zwischen autonomen Fahrzeugen in der Mojave-Wüste zwischen Kalifornien und Nevada – im Jahre 2004 schickte Velodyne-Gründer David Hall einen Pick-up mit einem eimerförmigen, rotierenden Dach-Lidar ins Rennen – und gewann.
Sofort war allen Teilnehmern der Challenge klar, dass Lidar-Sensoren essenzieller Bestandteil autonomer Fahrzeuge sind. An dieser Erkenntnis hat sich bis heute nichts geändert. Nur Tesla-Chef Elon Musk behauptet weiterhin eisern, dass Roboterautos auch ohne Lidar-Sensoren in Zukunft autonom fahren können.
Die ersten Lidar-Sensoren in Serienfahrzeuge hat der französische Zulieferer Valeo in Kooperation mit Ibeo verbaut. 2018 wurden Audis Oberklassenfahrzeuge A6 und A7 mit sogenannten Solid-State-Lidar-Sensoren ausgestattet. Gebaut werden die Valeo-Lidar-Sensoren zum überwiegend Teil im bayrischen Wemding. Laut Valeo ist das Werk derzeit weltweit das einzige, das serienreife Lidar-Sensoren baut.
Auch außerhalb der Autoindustrie werden Lidar-Sensoren immer öfter verwendet. Die Deutsche Bahn hat kürzlich ein Gemeinschaftsprojekt mit Ibeo gestartet. Die Bahn stattet Züge mit Lidar-Sensoren aus, mit denen eine sogenannte „landmarkenbasierte Lokalisierung“ ermöglicht wird. Auf diese Weise kann die Bahn Züge in Zukunft noch enger hintereinanderfahren lassen und so die Taktung erhöhen. Das ist gerade vor dem Hintergrund verschärfter Klimaschutzziele und dem erwarteten höheren Passagieraufkommen essenziell.
Die Konsolidierung kommt
Die zahlreichen Börsengänge, das viele Geld, das derzeit zirkuliert und die näher rückende Kommerzialisierung der Technologie können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Lidar-Markt geradewegs in eine Konsolidierung steuert. Denn es sind immer die gleichen bekannten Namen, die frisches Investorengeld bekommen oder Kooperationen mit Autobauern oder Zulieferern verkünden.
Für Kyle Vogt, Technikchef von GMs Roboterautotochter Cruise, ist es daher nur noch eine Frage der Zeit, bis erste Lidar-Start-ups den Markt verlassen. „Wir haben bei den Robotaxis in den vergangenen 24 Monaten eine Konsolidierung auf eine Handvoll Unternehmen erlebt. Die nächste Konsolidierung steht nun dem Lidar-Markt bevor“, schrieb der Cruise-CTO zuletzt auf Twitter.
Frank Petznick, Leiter der Fahrerassistenzabteilung bei Continental, sieht das ähnlich. „Zusammen mit AEye haben wir echte Prototypen entwickelt und zum Teil auch bereits erste Lidar-Sensoren in Testfahrzeugen verbaut. Wir sehen aber, dass es auf dem Markt auch Firmen gibt, die sich hauptsächlich auf der Power-Point-Ebene bewegen“, sagt Petznick dem Handelsblatt.
Bedeutet: Start-ups, die erst jetzt in den Markt eintreten und um Investorengelder buhlen und keine Partnerschaft mit einem Autobauer oder Zulieferer haben, werden den technologischen und finanziellen Rückstand nicht mehr aufholen können.
Die Lidar-Entwicklung wird daher aktuell von der Autoindustrie dominiert. Conti-Manager Petznick zufolge sorgt das dafür, dass vor allem Start-ups, die mit Autozulieferern oder Autobauern kooperieren, erfolgreicher sind. „So eine Partnerschaft hat große Vorteile bei der Entwicklung der Lidar-Technologie, da Continental den direkten Kontakt zu den Autobauern hat“, sagt Petznick.
Die rasante Entwicklung im Lidar-Markt zeigt auch erste Anzeichen einer Überhitzung. Ein Indiz dafür sind die zum Teil vollmundigen Versprechen von jungen und unbekannten Lidar-Unternehmen, die entweder eine extrem hohe Reichweite ihrer Lidar-Sensoren garantieren oder sogar versprechen, dass ihre Laser „um die Ecke“ sehen können. Auf diese Weise versuchen sie Investoren anzulocken.
Obacht geboten
Laut Daniel Göhring, Professor für Informatik an der Freien Universität Berlin und auf die Wahrnehmung von Robotern spezialisiert, müssen die jungen Lidar-Unternehmen zunächst einmal den Praxistest bestehen. „Die Hauptfrage ist, was die Solid-State-Lidare in der Praxis – und dabei heute bei Level-2-Fahrzeugen mit nur einfachen Assistenzsystemen – wirklich besser können als klassische Radare“, teilt Göhring mit.
Die Branche dürfte eigentlich gewarnt sein. Denn der Lidar-Markt hatte schon einmal eine Hype-Phase erlebt, die vor allem Daimler noch gut in Erinnerung sein dürfte. 2014 verkündete der Autobauer die Partnerschaft mit Quanergy.
Angelockt wurde Daimler von der Ankündigung des amerikanischen Lidar-Start-ups, zeitnah serienreife Lidar-Sensoren auf Solid-State-Basis zu einem Preis von 250 Dollar auf den Markt bringen zu wollen. Der Marktwert von Quanergy schoss daraufhin auf knapp 1,5 Milliarden Dollar. Das Versprechen konnte Quanergy allerdings nicht einlösen. Und Daimler verbaut bis heute keine Sensoren von Quanergy in seine Autos.
Mitarbeit: Martin Buchenau
Hinweis: In einer früheren Version des Artikels wurde erwähnt, dass ZF eine Beteiligung an Aeva hält. Das ist nicht korrekt. ZF arbeitet lediglich mit Aeva zusammen, ist aber an dem Start-up nicht beteiligt. Die entsprechende Stelle wurde korrigiert.
Mehr: Selbstfahrende Autos auf deutschen Straßen: Traditionelle Autobauer könnten Tesla überholen.
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@Hr. Manthey: alles zutreffend!
Nach dem ersten Satz habe ich mir schon gedacht/erhofft, dass KI irgendwo auftaucht. Hat gereicht, damit ich nun nochmal etwas tiefer eintauche in das Thema. Ich bin bester Hoffnung, dass genau dies zur Zeit schon erforscht und sogar getestet wird (KI & Lidar & AF).
Ob Lidar ein kleiner Baustein zum vollautonom Fahren ist wird vielleicht die Zeit zeigen. Möglicherweise nicht mal das möglicherweise wirdes eine unbedeutende Ergänzung sein. Denn was Lidar nicht kann steht in diesem Artikel nicht geschrieben. Lidar kann nicht ein derart exaktes dreidimensionales Bild der Umgebung bilden das einem Rechner im Fahrzeug es ermöglicht die 4. Dimension hinzuzufügen. Nämlich die Zeit. Wenn ich ein Pkw von einem Fahrradfahrer unterscheide dann habe ich damit noch nicht viel gewonnen. Ich muss 1. sehen wie sich der Fahrradfahrer bzw. der Pkw bewegt und 2. muss ich über eine große Erfahrung verfügen wie typischerweise in einem solchen Fall der Bewegung die Bewegung sich fortsetzt. Nur dann wenn ich solche Prognosen zuverlässig also ca. 99,999 % Wahrscheinlichkeit voraussagen kann, ist es verantwortbar Fahrzeuge ohne direkte Überwachung auf die Straße zu lassen. Das wird aber nur mit Programmen die aufgrund einer enormen Datenmenge entsprechende Analysen in Echtzeit ausführen können. Also erforderlich ist ein Programm, ein leistungsfähiger Computer im Fahrzeug und Billionen von Kilometern Erfahrungen in ähnlichen Situationen. Man nennt es künstliche Intelligenz. Also zu glauben man schnallt auf jedes Dach und in jedem Kotflügel 4, von mir aus 8 Lidar Sensoren und könnte deswegen auf die Menschheit losgelassen werden der irrt kolossal. Insofern ist auch dieser Artikel missverständlich.
In meiner Laiensphäre kommt es mir erstaunlich vor, dass man mit Nahfeldsensoren, Radar und Kameras ein ausreichendes Bild der Umgebung abbilden kann, aber man wird sehen.
Für alle die, sich wundern das Tesla Autos baut ohne damit Gewinne zu machen: es geht hier beim Fahrzeugbau nicht um Gewinn sondern darum so viel Autos wie möglich, die mit den entsprechenden Sensoren ausgestattet sind und die Daten tagtäglich an die Zentrale melden, auf die Strasse zu bringen. Das Geld wird dann mit dem autonomen fahren verdient. Jedenfalls die Börse sieht es so.
Ob Lidar ein kleiner Baustein zum vollautonom Fahren ist wird vielleicht die Zeit zeigen. Möglicherweise nicht mal das möglicherweise wirdes eine unbedeutende Ergänzung sein. Denn was Lidar nicht kann steht in diesem Artikel nicht geschrieben. Lidar kann nicht ein derart exaktes dreidimensionales Bild der Umgebung bilden das einem Rechner im Fahrzeug es ermöglicht die 4. Dimension hinzuzufügen. Nämlich die Zeit. Wenn ich ein Pkw von einem Fahrradfahrer unterscheide dann habe ich damit noch nicht viel gewonnen. Ich muss 1. sehen wie sich der Fahrradfahrer bzw. der Pkw bewegt und 2. muss ich über eine große Erfahrung verfügen wie typischerweise in einem solchen Fall der Bewegung die Bewegung sich fortsetzt. Nur dann wenn ich solche Prognosen zuverlässig also ca. 99,999 % Wahrscheinlichkeit voraussagen kann, ist es verantwortbar Fahrzeuge ohne direkte Überwachung auf die Straße zu lassen. Das wird aber nur mit Programmen die aufgrund einer enormen Datenmenge entsprechende Analysen in Echtzeit ausführen können. Also erforderlich ist ein Programm, ein leistungsfähiger Computer im Fahrzeug und Billionen von Kilometern Erfahrungen in ähnlichen Situationen. Man nennt es künstliche Intelligenz. Also zu glauben man schnallt auf jedes Dach und in jedem Kotflügel 4, von mir aus 8 Lidar Sensoren und könnte deswegen auf die Menschheit losgelassen werden der irrt kolossal. Insofern ist auch dieser Artikel missverständlich.
In meiner Laiensphäre kommt es mir erstaunlich vor, dass man mit Nahfeldsensoren, Radar und Kameras ein ausreichendes Bild der Umgebung abbilden kann, aber man wird sehen.
Für alle die, sich wundern das Tesla Autos baut ohne damit Gewinne zu machen: es geht hier beim Fahrzeugbau nicht um Gewinn sondern darum so viel Autos wie möglich, die mit den entsprechenden Sensoren ausgestattet sind und die Daten tagtäglich an die Zentrale melden, auf die Strasse zu bringen. Das Geld wird dann mit dem autonomen fahren verdient. Jedenfalls die Börse sieht es so.