Nachhaltigkeit Kampf gegen Rohstoffknappheit: Mittelstand setzt auf Kreislaufwirtschaft

Familienunternehmen fordern Rahmenbedingungen für eine Kreislaufwirtschaft.
Düsseldorf In Zeiten wachsender Rohstoffknappheit und steigender Klimaschutzanforderungen gewinnt die Idee der Kreislaufwirtschaft („Circular Economy“) an Bedeutung. Eine dem Handelsblatt vorliegende Untersuchung, die mehrere Fraunhofer-Institute gemeinsam mit der Stiftung zwei Grad für die Stiftung Familienunternehmen vorgenommen haben, zeigt die Potenziale anhand von Praxisbeispielen auf.
Die Stiftung Familienunternehmen fordert, für den passenden regulatorischen Rahmen zu sorgen – eine Aufgabe, der sich die nächste Bundesregierung stellen muss. Die Politik müsse der Kreislaufwirtschaft höhere Bedeutung beimessen, sagte Stefan Heidbreder, Geschäftsführer der Stiftung Familienunternehmen, dem Handelsblatt.
„Vielen Familienunternehmen fehlen klare und langfristige Leitplanken, an denen sie sich orientieren können“, sagte er. Eine zirkuläre Wirtschaftsweise könne „zum beiderseitigen Erfolg für Unternehmen und Klimaschutz werden“, sagte Sabine Nallinger, Vorständin der Stiftung zwei Grad.
Konkret fordern die Familienunternehmen von der Politik, einen Ordnungsrahmen für die Kreislaufwirtschaft zu schaffen, der durch einen klaren Fahrplan, konkrete Ziele sowie Standards und Normen Planungssicherheit schafft. Außerdem, so die Handlungsempfehlung der Familienunternehmen an die Politik, müsse die Wiederverwertung von Rohstoffen durch steuerliche Maßnahmen angereizt werden.
Zugleich müsse die öffentliche Hand bei ihren Beschaffungen stärker auf den Einsatz wiederverwertbarer Materialien setzen und die Transformation von Unternehmen durch Beratungsangebote und Investitionsprogramme unterstützen.
Kreislaufwirtschaft hat enorme Potenziale
Die Wiederverwendung von Rohstoffen birgt enorme Potenziale für den Klimaschutz. Fachleute rechnen vor, dass etwa 50 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen auf die Rohstoffförderung und -verarbeitung zurückgehen. Das Potenzial zur CO2-Reduktion durch eine konsequente Strategie der Wiederverwertung ist daher hoch. Hinzu kommt, dass viele Rohstoffe in jüngster Vergangenheit knapp und teuer geworden sind. Der Anreiz, sie wiederzuverwerten, steigt damit.
Erst kürzlich hatte auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) eine Studie dazu vorgelegt. Der Studie zufolge hätte ein effizienterer Einsatz von Ressourcen positive Effekte auf Wertschöpfung und Beschäftigung in Deutschland und könnte außerdem eine verringerte Importabhängigkeit bei wichtigen Rohstoffen zur Folge haben. „Wir schätzen, dass bis 2030 eine zusätzliche Bruttowertschöpfung von zwölf Milliarden Euro pro Jahr erreichbar ist, sowie ein Beschäftigungszuwachs von 177.000 Arbeitsplätzen“, heißt es in der BDI-Studie.
Die Idee der zirkulären Wirtschaft stellt einen möglichst geringen Rohstoffeinsatz sowie ein auf Langlebigkeit, Reparierbarkeit und Wiederverwertbarkeit fokussiertes Produktdesign in den Mittelpunkt. Auch die Nutzung der Produkte sollte möglichst effizient sein, etwa durch den Sharing-Economy-Ansatz. Hinzu kommt der Aufbau umfassender Recyclingsysteme.
Für die Untersuchung der Stiftung Familienunternehmen führten die Fraunhofer-Wissenschaftler Interviews mit einer Reihe von Unternehmen, die zusammen für 80 Milliarden Euro Jahresumsatz stehen und über 372.000 Mitarbeiter beschäftigen, darunter Goldbeck, Heidelberg Cement, Kirchhoff, Knauf, Rockwool, Schüco und ZF. Hinzu kamen Fachgespräche mit Familienunternehmen und Vertretern der Politik.
Studie zeigt erfolgreiche Praxisbeispiele
Dabei haben sich Beispiele für bereits sehr fortschrittliche Circular-Economy-Ansätze herauskristallisiert. So spart eines der untersuchten Unternehmen bei der Produktion von Kfz-Teilen 85 Prozent des Rohmaterials und 55 Prozent des Energiebedarfs im Vergleich zu Neuteilen ein. Ein anderer Hersteller erhöht die Kapazität seiner Aluminiumproduktion durch Recycling und die Erweiterung der Produktionsanlagen um 20.000 Tonnen pro Jahr.
Ein anderes Unternehmensbeispiel aus der Studie zeigt auf, wie bei der Feuerverzinkung 80 Prozent an Zink gegenüber herkömmlichen Prozessen eingespart werden können. Bei dem Unternehmen handelt es sich um die ZinQ GmbH & Co. KG, eine europaweit tätige mittelständische Unternehmensgruppe mit Hauptsitz in Gelsenkirchen und 1700 Mitarbeitern. Die Verzinkung dient dem Korrosionsschutz von Stahl. Verzinkte Stahlprodukte können eine über 100-jährige Lebensdauer ohne jeden Instandhaltungsaufwand erreichen.
Ohne Normung geht es nicht
Geschäftsführer Lars Baumgürtel treibt seit 2010 eine integrierte Nachhaltigkeits- und Innovationsstrategie voran und folgt dabei dem „Cradle to Cradle“-Ansatz. „Cradle to Cradle“-Produkte sind Produkte, die entweder als biologische Nährstoffe in biologische Kreisläufe zurückgeführt oder als „technische Nährstoffe“ kontinuierlich in technischen Kreisläufen gehalten werden können. Väter des Konzepts sind der deutsche Chemiker Michael Braungart und der amerikanische Architekt William McDonough.

Das Unternehmen folgt dem „Cradle to Cradle“-Ansatz. Dabei werden Produkte entweder in biologische Kreisläufe zurückgeführt oder in technischen Kreisläufen gehalten.
In den Werken des Unternehmens wird konsequent ein Zink-Wiederverwertungskreislauf geschaffen. Dazu zählt ein Entzinkungsverfahren, das die Rückgewinnung von annähernd 100 Prozent des Zinks aus feuerverzinktem Altmaterial ermöglicht.
Baumgürtel sieht erhebliche Potenziale für die Kreislaufwirtschaft und setzt dabei auch auf die Politik: „Wenn sich Unternehmen zirkulär ausrichten wollen, brauchen sie Orientierung. Dabei sollte die Politik helfen“, sagte Baumgürtel dem Handelsblatt. „Ohne Normung, Zertifizierung und Standardisierung geht es nicht. Die Best-Practice-Beispiele aus der Untersuchung zeigen auf, in welche Richtung die Reise gehen sollte“, sagte er. Es geht allerdings nicht um strikte Vorgaben der Politik, sondern um Anreize für die Unternehmen.
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