Autovermietung Sixt hofft auf Mittelmeer-Touristen im Sommergeschäft

Sixt hat in den vergangenen Jahren seine Flotten in den Mittelmeerländern kräftig ausgebaut.
München Nach einem Jahr Corona hofft Sixt auf die Wende. „Vorsichtig optimistisch“ blickt Vorstand Nico Gabriel auf die Osterferien, immer mit Blick auf die nächsten drohenden Reisebeschränkungen.
Bis zum Sommer erwartet der Sixt-Vorstand einen Anstieg der Nachfrage und gönnt sich den Gedanken an ein halbwegs ordentliches Sommergeschäft. „Wir sind vorsichtig optimistisch bezüglich der Nachfrage in den südeuropäischen Urlaubsdestinationen, also Frankreich, Spanien und Italien“, sagt Gabriel, der Ende Januar zum Chief Operational Officer aufrückte. Der Pullacher Autovermieter hat in den vergangenen Jahren seine Flotten in den Mittelmeerländern kräftig ausgebaut.
Mehr Vorausschau leistet sich der Sixt-Vorstand im Moment nicht. Wie die gesamte Mobilitäts- und Reisebranche hat der Autovermieter bewegte Monate hinter sich. Die wiederkehrenden Lockdowns haben alle Planungen über den Haufen geworfen.
Ende November kassierte das S-Dax-Unternehmen seine Prognose für das Gesamtjahr. Demnach erwartet der Konzern einen Umsatz von 1,5 Milliarden Euro für 2020, das ist rund eine Milliarde weniger als noch 2019. Sixt hat die Flotte massiv geschrumpft, und die Öffnungszeiten vieler Stationen sind eingeschränkt. 70 bis 95 Millionen Euro Verlust wird Sixt 2020 schreiben. Genaue Zahlen kommen Anfang März.
Klar ist: Das Geschäft hat sich mit Corona verändert. „Die Leute buchen kurzfristiger, aber mit längerer Mietdauer“, sagt Gabriel. Geschäftsreisende werden nur zum Teil von Privatkunden ersetzt.
Gabriel, der bei Sixt seit Januar für das Tagesgeschäft zuständig ist, soll die Prozesse weiter digitalisieren. Zwar werden die meisten Kunden nach wie vor über den Schalter bedient, doch Sixt macht das Handy zum zentralen Kontaktinstrument. Grundlage dafür ist die „One App“, die Sixt 2019 eingeführt hat. Neben der Autovermietung bietet die App auch das Buchen von Taxis, E-Scootern und den Zugang zum Carsharing. Das Konzept: Wenn ein passendes Auto einmal nicht verfügbar ist, dann tut es auch mal ein Scooter oder eine Taxifahrt.
Autovermietung und Carsharing verschmelzen
Zentral für Sixt ist dabei das Verschmelzen von klassischer Autovermietung und Carsharing in den Metropolen. 2019 lösten Sixt und BMW ihr Joint Venture „Drive Now“ auf. Gabriel wechselte damals von dem Gemeinschaftsunternehmen zurück. Seitdem läuft der Umbau der Flotte. Über Mobilfunk lassen sich die Autos von den Kunden orten, öffnen und starten.
Umgekehrt liefert die Flotte ihre Daten an Sixt, einschließlich der Abrechnung. Derzeit sind rund zehn Prozent der Sixt-Flotte dazu fähig. „Mittelfristig wollen wir bis zu 50 Prozent unserer Flotte so ausrüsten, dass die Autos per Handy angemietet werden können“, sagt Gabriel.

Der Sixt-Vorstand hofft auf bessere Auslastung der Flotte und neue Kunden.
Die Kunden können dann entscheiden, ob sie das Auto nur wenige Minuten oder ganze Tage nutzen wollen. Derzeit gilt dieses Angebot in Deutschland nur in Berlin, München und Hamburg. „Wir evaluieren konkret weitere Städte, in denen wir unser Free-Float-Carsharing anbieten können“, sagt Gabriel. Schon an diesem Montag will Sixt in München das Carsharing auf die Umlandgemeinde Gräfelfing ausweiten.
Sixt erhofft sich dadurch eine bessere Auslastung der Flotte und neue Kunden. Umgekehrt steigt aber der Aufwand, wenn die Autos über das Stadtgebiet verteilt stehen. Zudem ist der Verschleiß intensiver, wenn die Autos häufiger und von mehr Kunden genutzt werden.
VW will im Carsharing wieder expandieren
Sixt kommt aber auch immer mehr in das Gehege seines ehemaligen Partners BMW. Die Münchener haben sich nach der Loslösung von Sixt mit Daimler verbündet und ihre Carsharing-Flotte in „Share Now“ umgetauft. Die großen Expansionspläne der Autobauer im Mobilitätsmarkt wurden Ende 2019 aber abrupt gestoppt. Share Now hat die Flotte auf 11.000 Autos geschrumpft und die Zahl der Städte auf 16 reduziert. Dafür bietet Share Now neuerdings auch an, die Miete auf mehrere Tage auszudehnen, und nähert sich damit dem Geschäft der Autovermieter an.
Die Konkurrenz beim Carsharing nimmt weiter zu: Am Freitag kündigte Volkswagen an, die wegen Corona aufs Eis gelegte Expansion seines 2019 gestarteten Angebots „We Share“ über Berlin hinaus wieder voranzutreiben. Schließlich sieht sich VW in Berlin in dem Segment bereits als Marktführer. Ab Donnerstag sollen in Hamburg 800 E-Autos des Modells ID.3 bereitstehen. Damit will VW die We-Share-Nutzerzahl bis Jahresende auf 200.000 verdoppeln.
Allerdings betonten die VW-Manager, eine sehr schnelle weitere Expansion in neue Städte sei nicht geplant. Volkswagen-Markenchef Ralf Brandstätter verlangt zunächst von We Share, in Hamburg zu beweisen, dass das Modell auf bestehender Kostenbasis wachsen kann – und somit profitabel wird. Vor der Expansion in weitere Städte solle We Share „schnell zu einem Break-even kommen“, sagte er. „In der aktuellen Corona-Situation fahren wir auf Sicht bei der Expansion“, kündigte Brandstätter an – obwohl die Pandemie die Nachfrage nach Carsharing als Alternative zu Bus und Bahn antreibe.
Sixt hat sich frisches Geld besorgt
In Hamburg hat We Share besondere Vorteile: Das System kann Betriebshöfe des VW-Shuttleprojekts Moia mitnutzen und strebt gemeinsame Angebote mit dem Schwesterunternehmen an. Auch wenn der Bedarf nach Corona wieder wachsen dürfte, die Euphorie der vergangenen Jahre ist verflogen.
„Für alle Anbieter ist es eine zwiespältige Situation – denn Geld verdient keiner“, sagt Jan Burgard von der Münchener Strategieberatung Berylls. „Bislang gibt es kaum Angebote, die Carsharing, Tagesmiete und Leasingmodelle intelligent und gebührentransparent verbinden. Nach der Corona-Pandemie wird der Markt aber neu angegangen“, so Burgard. „Dann ist die Frage, wer bereit ist, auch mit Risiko zu investieren.“
„In den Städten werden wir nach der Pandemie vor denselben Problemen stehen: Luftverschmutzung und die Forderung nach einer Reduktion des Verkehrs“, glaubt Sixt-Vorstand Gabriel. „Wir erwarten eine weitere Konzentration im Mobilitätsmarkt, bei den Anbietern von Scootern, im Carsharing und bei der Autovermietung“, sagt Gabriel. Das Geld ist da: Im Frühjahr sicherte sich das Unternehmen einen Kredit in Höhe von 1,5 Milliarden Euro bei der staatseigenen KfW, im November platzierte der Autovermieter eine Anleihe in Höhe von 300 Millionen Euro. Die Emission war mehrfach überzeichnet.
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