Handelsblatt Industrie-Gipfel VW-Chefstratege: „Wir phasen den Verbrenner aus“

„Wir sammeln die Software ein und machen sie künftig selbst.“
Essen In 20 Jahren werden in Europa 70 Prozent aller Autos von einem Elektromotor angetrieben, in China dürften es sogar 85 Prozent sein. Diese Erwartung äußerte Volkswagen-Chefstratege Michael Jost am Freitag auf dem Handelsblatt Industrie-Gipfel in Essen. Der VW-Konzern bekenne sich ausdrücklich zum Einstieg in die Elektromobilität. „Wir verabschieden uns vom Verbrenner“, sagte Jost auf der Tagung.
Nach den Worten des Chefstrategen will Volkswagen zugleich die eigene Fahrzeugproduktion bis zum Jahr 2050 komplett klimaneutral umstellen. Es sollen dann also keine neuen Kohlendioxid-Emissionen mehr entstehen, wenn in den Fabriken des VW-Konzerns ein Neuwagen vom Band läuft. „Dazu stehen wir, dieses Bekenntnis haben wir abgegeben“, betonte Jost.
Volkswagen leiste damit seinen Beitrag zur Erfüllung des Pariser Klimaabkommens. Mit der Vereinbarung war festgelegt worden, dass die Erderwärmung bis zum Jahr 2050 maximal um zwei Grad ansteigen darf. Die Fahrzeuge des Konzerns, die aktuell rund um den Globus auf den Straßen unterwegs sind, emittieren nach Angaben aus Wolfsburg etwa ein Prozent aller weltweiten Kohlendioxid-Mengen.
Die aktuelle Börsenkapitalisierung des Volkswagen-Konzerns liegt bei rund 75 Milliarden Euro. In den kommenden fünf Jahren bis 2024 steckt der Wolfsburger Konzern allein in den Elektroantrieb etwa 33 Milliarden Euro. „Wir investieren also fast die Hälfte unseres Börsenwertes in die Zukunft“, sagte Jost. Weitere 27 Milliarden Euro sind an Investitionen in die Digitalisierung vorgesehen.
Volkswagen will dafür die Eigenentwicklung der fahrzeugbezogenen Software massiv ausbauen. Die Zahl der eigenen Software-Ingenieure soll sich in den kommenden fünf Jahren auf mehr als 10.000 ungefähr verdoppeln. „Wir sammeln die Software ein und machen sie künftig selbst“, so Jost.
Auch mit der Digitalisierung betreibe Volkswagen den Wandel zur nachhaltigen Mobilität. In den neuen Elektroautos wird der Anteil digitaler Dienste deutlich steigen.
Der Wechsel zur Elektromobilität brauche allerdings Zeit und werde sich über mehrere Jahrzehnte hinziehen, so Jost. Autos mit Verbrennungsmotor besäßen also auch künftig noch ihre Bedeutung. Erst um das Jahr 2040 herum werde der VW-Konzern voraussichtlich sein letztes Fahrzeug mit Benzin- oder Dieselmotor verkaufen. „Wir phasen die Verbrenner langsam aus“, sagte der VW-Chefstratege.

Im VW-Werk im sächsischen Zwickau laufen in den nächsten zwölf Monaten rund 100.000 Exemplare des neuen Elektroautos von den Bändern.
2020 wird für Volkswagen das Jahr des Einstiegs in die Elektromobilität. Im nächsten Jahr wird der VW-Konzern erstmals in größerem Maßstab rein batteriegetriebene Elektroautos produzieren. Im VW-Werk im sächsischen Zwickau laufen in den nächsten zwölf Monaten rund 100.000 Exemplare des neuen ID.3 von den Bändern.
Das Elektroauto im Golf-Format ist das erste Modell aus der ID-Familie, die einmal Dutzende von verschiedenen Varianten umfassen soll. Ende kommenden Jahres wird auch das erste SUV aus dieser Modellfamilie auf den Markt kommen.
Jost glaubt nicht an Wasserstoff für Pkw
Volkswagen gelingt es nach den Worten von Jost, mit dem ID.3 völlig neue Kundenschichten anzusprechen. Etwa 80 Prozent der Kunden, die jetzt einen ID.3 bestellt hätten, seien zuvor keinen Volkswagen gefahren. Das Durchschnittsalter der ID-Käufer sei zudem um zehn Jahre niedriger als bei den bisherigen Volkswagen-Kunden. Der ID.3 ist bislang etwa 35.000 Mal vorbestellt worden; Kunden mussten eine Anzahlung von 1000 Euro hinterlegen.
Jost bekannte sich auch zum Wasserstoff-Antrieb – allerdings nicht für Pkw. „Bis 2030 werden Busse und Lastwagen mit diesem Antrieb unterwegs sein“, sagte er. Volkswagen sehe keinen Sinn darin, auch Personenwagen mit dem Wasserstoffantrieb auf die Reise zu schicken. Der hohe Energieaufwand zur Produktion von Wasserstoff lohne sich nur bei größeren Fahrzeugen – bis hin zum Flugzeug.
Ähnliches gelte für synthetische Kraftstoffe und sogenannte E-Fuels, die ebenfalls nur mit großem Aufwand hergestellt werden könnten. Für Pkw sei die Batterie der einzig richtige Energielieferant.
VW-Chefstratege Jost glaubt, dass die Vermeidung von Kohlendioxid-Emissionen in den kommenden Jahren eine immer größere Bedeutung bekommen wird. „Da entsteht eine neue Industrie, die das CO2 aus der Atmosphäre holt“, betonte Jost. Betriebe und Firmen sollten diese neuen unternehmerischen Chancen erkennen. „Hier ist schnelles Erwachen nötig“, ergänzte er.
Mehr: Deutsche Industriefirmen blicken optimistisch in die Zukunft. Sie setzen auf Digitalisierung – und ein neues Führungsverständnis.
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Dann hoffe ich, dass eine ausreichende Menge an Klima neutralen Strom zu vernünftigen Preisen zur Verfügung steht!