Luftfahrt Privatjets feiern ein Comeback
Frankfurt Sie gelten als Luxus pur, haben viele Vorteile, doch auch ein schwieriges Image: Privatjets. Viele Jahre stagnierte der Markt, doch jetzt erleben die kleinen Flugzeuge ein Comeback. Manager, Unternehmer, aber auch Privatreisende nutzen das Transportmittel wieder häufiger, auch in Deutschland.
„Wir erkennen eine steigende Nachfrage auch von deutschen Kunden. Dies gilt neben geschäftlichen Reisen auch für private Reisen von Familien“, sagt Simon Ebert, Partner und Eigentümer von Air Hamburg Private Jets. Das Unternehmen betreibt 24 Jets, viele davon auch im Auftrag von Investoren.
Aktuelle Zahlen von Marktforschern bestätigen die Einschätzung von Ebert. So ist die Zahl der Starts mit den Privatflugzeugen zwischen Juni 2017 und Juni 2018 europaweit um 3,3 Prozent gestiegen. Das ergeben Daten der Hamburger WINGX Advance GmbH, eine auf den Markt mit Business-Aviation konzentrierte Analysefirma. Deutschland verzeichnete mit 4,1 Prozent sogar ein noch stärkeres Plus.
Für Betreiber und Hersteller der Business-Jets sind das gute Nachrichten. Nach der Finanzkrise 2008 musste die Branche über Jahre mit einer sinkenden Nachfrage leben. Die Folge waren Überkapazitäten, die Erlöse sackten in den Keller.
Dass zudem die Chefs der großen US-Autokonzerne auf dem Höhepunkt der Krise mit dem Privatjet zu Gesprächen mit der US-Regierung über Hilfsmaßnahmen für die Branche reisten, sorgte damals für einen weltweiten Aufschrei und beschädigte das Image des Geschäftsflugzeugs nachhaltig.
Chartermarkt wächst
Bis heute wirkt das nach. Der üppige Gebrauch des privaten Jets bringt immer wieder Topmanager in Bedrängnis. So wurde im vergangenen Jahr bekannt, dass VW-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch drei Jahre zuvor eine halbe Million Euro an den Konzern zurückgezahlt hatte – für die private Nutzung der unternehmenseigenen Flugzeugflotte. Auch andere VW-Manager mussten wegen privater Flüge Geld zurückzahlen. Allianz-Chef Oliver Bäte geriet 2017 für den umfangreichen Gebrauch der Firmenjets in die Kritik.
Ebert von Air Hamburg ist deshalb vorsichtig, wenn es darum geht, aus der nun wieder steigenden Nachfrage auch ein verbessertes Image der Business-Jets abzuleiten: „Inwieweit die Business-Aviation gesellschaftsfähig ist, ist natürlich immer schwer zu sagen und sicher auch von Land zu Land unterschiedlich.“ Zwar werden mittlerweile unter dem Strich wieder mehr Firmenjets gekauft. Gleichzeitig haben aber viele Unternehmen ihre eigenen Flotten in den zurückliegenden Jahren aufgegeben.
Zu den Konzernen, die noch eine solche betreiben, gehören zum Beispiel Volkswagen mit der Volkswagen Air Service und BMW mit dem BMW-Flugdienst. Auch die Allianz hat eigene Jets, ebenso große, nicht börsennotierte Unternehmen wie Würth oder Bosch.
Doch auch wenn nicht mehr so viele Unternehmen eigene Flugzeuge betreiben wie noch vor der Finanzkrise, bedeutet das nicht, dass die Manager deshalb auch weniger mit dem Business-Jet reisen. Die Flugzeuge werden nun bei Bedarf gemietet. „Der Treiber des Marktes ist aktuell das Wachstum im Chartersegment“, sagt Christoph Kohler, Managing Director der WINGX Advance GmbH. Auf Flüge dieser Kategorie entfielen zwischen Juni 2017 und Juni 2018 immerhin 58,9 Prozent aller Starts in Europa.
Unternehmen wie Air Hamburg profitieren von der wieder gestiegenen Nachfrage. „Es werden mehr Firmenjets gekauft und ebenso deutlich mehr Flugzeuge gechartert, da im Verhältnis mehr Geld zur Verfügung steht und generell mehr Geld für Reisen und andere Luxusgüter ausgegeben wird“, beobachtet Ebert. Air Hamburg habe von Anfang 2017 bis heute sieben fabrikneue Embraer Legacy 650E für Investoren bestellen dürfen. „Jede Legacy fliegt pro Jahr rund 1000 Stunden“, so Ebert.
Auch andere Zahlen von Air Hamburg zeigen den aktuellen Nachfrageboom. In der ersten Jahreshälfte ist die Zahl der Abflüge verglichen mit dem ersten Halbjahr 2017 um 19,3 Prozent gestiegen, die der Flugstunden sogar um 20,5 Prozent.
Ebert macht dafür auch das aktuelle Verspätungschaos der Linienfluggesellschaften verantwortlich: „Die Flexibilität ist immens hoch, gerade bei Business-Trips, bei denen exakte Aufenthaltszeiträume nicht immer voraussehbar sind. Airlines sind diesbezüglich nicht immer zuverlässig.“ Auch könnten abgelegene Ziele mit dem Business-Jet direkt und ohne Umstiege angeflogen werden.
Immer mehr Kunden würden zudem die kurzen Boardingzeiten mit den schnellen Sicherheitschecks zu schätzen lernen. „Die Passagiere benötigen nicht mehr als zehn Minuten von der Ankunft am Terminal bis zum Boarding“, so Ebert. Kapazitätsengpässe bei den Sicherheitskontrollen an den großen Flughäfen sorgen seit Monaten für lange Schlangen und haben eine grundsätzliche Debatte über die Kontrollprozesse ausgelöst.
Branche mit Imageproblem
Tatsächlich deuten die Daten von WINGX darauf hin, dass die Privatjets stark auf jenen Routen eingesetzt werden, wo auch im Linienbetrieb viele Geschäftsreisende unterwegs sind, den sogenannten Rennstrecken. Zu den im Juni am häufigsten geflogenen Verbindungen zählt die zwischen Le Bourget bei Paris und Genf. Gleichzeitig finden sich aber auch abgelegene Ziele oben in der Liste, wie etwa die Strecke zwischen London Oxford Airport und Bournemouth an der Südküste Englands.
Grundsätzlich ist die Zahl der Flüge innerhalb von Europa binnen eines Jahres (bis Ende Juni) um 3,5 Prozent gestiegen. Bei Langstrecken greifen die Nutzer dagegen wohl doch eher auf das Linienangebot zurück. So ist die Zahl der Privatflüge nach Nordamerika in den zurückliegenden zwölf Monaten um 7,8 Prozent gesunken.
Trotz der guten Zahlen – die German Business Aviation Association (GBAA), der deutsche Verband für Business-Fliegerei, hatte angesichts des starken Wirtschaftswachstums mit einer noch stärkeren Nachfrage gerechnet. „Die Unternehmen sind aber vorsichtig“, sagte Andreas Mundsinger, Geschäftsführer der GBAA, vor wenigen Tagen dem Informationsdienst Airliners.de: Auch weil die öffentliche Einstellung zum eigenen Geschäftsjet nicht immer positiv sei. „Dann heißt es: ,Ein Privatjet? Das kann ich doch gar nicht vertreten in meinem Unternehmen. Ich kann nicht der Belegschaft sagen, wir müssen sparen und dann ein Flugzeug chartern.‘“
Dabei ist es nicht zwingend so viel teurer, einen Business-Jet zu mieten, etwa, wenn kleinere Gruppen reisen müssen. Gerade zu Zielen wie Brüssel oder auch Genf rufen die Airlines schon mal Ticketpreise von mindestens 500 Euro pro Person auf.
Müssen zum Beispiel vier Personen reisen, kommen 2000 Euro zusammen. Die kleinste Privatjet-Kategorie – ein sogenannter Very-Light-Jet – gibt es bereits für ab 1800 Dollar je Stunde. Hinzu kommen allerdings noch variable Kosten wie etwa Flughafengebühren. Für eine Gulfstream G550, die auch Transatlantikflüge bewältigen kann, werden 6500 Dollar je Stunde fällig.
Doch Zahlen sind eben das eine, das Image ist etwas ganz anderes. Es gebe durchaus Unternehmen, die um die wirtschaftlichen Vorteile eines Privatjets wüssten, so Mundsinger. Dennoch würden sie aus Imagegründen darauf verzichten.
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