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Antiquitätenhandel in BambergDie schönen Dinge ins Licht gerückt

Bambergs Kunst- und Antiquitätenwochen versuchen sich im Spagat zwischen stiller Alter Kunst und lautem Pop.Christiane Fricke 21.07.2022 - 10:12 Uhr Artikel anhören

Geschildert wird der Moment, in dem Thisbe entdeckt, dass ihr Geliebter Pyramus sich ins Schwert gestürzt hat.

Foto: Kunsthandel Senger, Bamberg

Bamberg. Der Löwe ist noch gar nicht aus der Deckung gekommen. Dennoch war er die Ursache, warum das mittelalterliche Liebespaar Pyramus und Thisbe den Tod fand. Pyramus, weil er annahm, das Raubtier hätte seine Geliebte und künftige Braut gefressen, Thisbe aus Kummer über die Selbstentleibung des Geliebten. Mehr über die dramatischen Facetten dieser Buchmalerei verrät Thomas Herzog, Geschäftsführer des Kunsthandels Senger in Bamberg.

Es ist Hochsommer, die Bayreuther Festspiele beginnen in wenigen Tagen, und – darauf abgestimmt – die 27. Bamberger Kunst- und Antiquitätenwochen. Bei den Kunsthändlern ist die umsatzträchtigste Zeit des Jahres angebrochen. Sie rücken ihre besten Akquisitionen ins rechte Licht.

Das kleine Blatt bei Senger ist jedoch nicht auf Anhieb zu entdecken. Wer die neuen Geschäftsräume gegenüber dem Stammsitz betritt, stolpert optisch zunächst einmal über ein fast wandhohes zeitgenössisches Gemälde von Marc Taschkowsky. Stilistisch zwischen neuem Pop und Comic schwankend, findet es seine Kunden, steht jedoch in seltsamem Gegensatz zu den so viel stilleren sakralen Skulpturen und Malereien, für die Senger in Deutschland erste Adresse ist.

Über eine Million Euro veranschlagt Herzog für das erst 2018 entdeckte Werk der so produktiven wie geschäftstüchtigen Werkstatt Cranachs. Es gehört zu den kostspieligsten Objekten, die in den nah beieinander liegenden Kunsthandlungen in der Bamberger Altstadt zu finden sind. Das kleine bemalte Kabinettschränkchen aus Elfenbein, das aktuell zur Ansicht im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg weilt, schlägt „nur“ mit 68.000 Euro zu Buche.

Bamberg hat indes auch für weniger ausgabefreudige Kundschaft etwas zu bieten. Historische Schlüssel gibt es in der Kunsthandlung Wenzel bereits ab 20 Euro. „Ich habe mein Leben lang Eisen gesammelt“, erklärt Matthias Wenzel das ungewöhnliche Interessensgebiet. Dafür reisen sogar gerade in der Renovierung steckende Schlossbesitzer von weit her an.

Die alte Kaiserstadt trotzt mit den Antiquitätenwochen dem Geschmackswandel in einer gemeinschaftlichen Kraftanstrengung.

Foto: Holger Schramm

Bei Wenzel findet sich erfahrungsgemäß auch viel „himmlisches Personal“. Von Ignaz Günther etwa ein geflügelter Engelskopf für 8500 Euro. Die Figur des Heiligen Maurus hält ein zweigesichtiges Teufelchen an einer Kette in Schach. Kostenpunkt für die nur vier Zentimeter tiefe, dennoch vollplastisch gearbeitete Skulptur aus der Zeit um 1500: 38.000 Euro. Sein schönstes Stück ist sicher eine um 1480 aus Lindenholz geschnitzte Heilige Barbara aus dem fränkisch-schwäbischen Raum.

Neun Händler haben sich für die Antiquitätenwochen wieder zusammengetan, darunter auch das Auktionshaus Schlosser. Bis auf die in der zeitgenössischen Populärkultur verwurzelte Galerie „AOA;87“, das Antiquariat Lorang und das Silber Kontor Heiss sind alle Allrounder. Sie bieten das ganze vielfältige Spektrum der schönen alten Dinge an, vom Tafelsilber über Tapisserien, Malerei, Skulptur bis zur historischen Möbelkunst. Jedes Geschäft verkörpert jedoch einen eigenen Stil, pflegt besondere Schwerpunkte.

Großzügige Öffnungszeiten
27. Bamberger Kunst- und Antiquitätenwochen
Die Auktionen

Burkhard Hauptmann etwa ist in Bamberg die Anlaufstelle für Möbel aus Klassizismus und Biedermeier; Christian Eduard Franke für die Ebenisten des 17. und 18. Jahrhunderts. Das ist im Prinzip nichts Neues, aber von Franke in diesem Jahr besonders akzentuiert. Jedes Stück wartet mit einer Besonderheit auf.

Eine dem französischen Möbelschreiner Jean-François Hache zugeschriebene Kommode der Zeit um 1770 etwa fällt mit ihren ungewöhnlich furnierten Einfelderungen auf der Frontseite ins Auge. Doch es ist nicht einfach nur Furnier, sondern eine Einlegearbeit aus Hirnholz, die aussieht wie ein Mosaik aus kleinen ovalen Elementen. Kostenpunkt: 68.000 Euro.

Das um 1770 gefertigte Möbelstück zeigt in den Einfelderungen vorne und seitlich eine optisch reizvolle Einlegearbeit aus Hirnholz. Sie sieht aus wie ein Mosaik.

Foto: Michael Aust; Kunsthandel Christian Eduard Franke

Etwas mehr als das Doppelte veranschlagt Franke für sein Prunkstück, einen mainfränkischen Aufsatzschrank. Subtil ein- und ausschwingende Formen verleihen ihm ein selten formschönes Erscheinungsbild. Das Gegenstück befindet sich im Bayerischen Nationalmuseum in München. „Meine Türen sind jedoch original“, merkt der Kunsthändler mit Stolz an.

Seinen jährlich erscheinenden Katalog verschickt Franke an 3000 Kunden. So kompensiert er seine Zurückhaltung, an internationalen Messen außerhalb des Landes teilzunehmen und hält trotzdem Kontakt zur internationalen Sammlerklientel. Die interessiert sich vornehmlich für sein immer ansehnliches Sortiment an Tabatièren, edlen Schnupftabakdosen.

Der Benediktinermönch hält einen kleinen Teufel mit zwei Gesichtern in Schach. Die um 1500 geschnitzte Skulptur ist 4 Zentimeter flach, jedoch vollrund gearbeitet.

Foto: Kunsthandel Wenzel, Bamberg

Zwei elegante Silberterrinen mit Deckel aus Breslau, innen vergoldet, erkennt wieder, wer die „Hidden Treasures“-Auktion bei Neumeister mit Kunst dem Besitz der Herzöge von Württemberg-Oels wahrgenommen hat. Christian Eduard Franke erwartet dafür 76.500 Euro.

Von Durchhaltewillen und Gestaltungskraft zeugt der Kunsthandel Schmidt-Felderhoff. Nach fast zehn Jahren Renovierungsarbeiten konnten sie die neuen Geschäftsräume in ihrem „Haus zum roten Hahn“ von 1340 beziehen. Hier herrscht keine Überfülle wie bei Franke, Wenzel oder Senger, das wird bei einer Videoführung klar. Alles ist sehr fokussiert auf besondere Einzelstücke, die Markus Schmidt-Felderhoff auch restauriert hat.

Neu hereingekommen ist ein italienischer vor 1500, in der Frührenaissance entstandener sogenannter „Gnadenstuhl“ im Urzustand. Das Figurenensemble aus Gottvater, Christus und der Taube wird während der Antiquitätenwochen im Erdgeschoss sichtbar für das Publikum restauriert. Ein um 1720 datierter roter Régence-Stoff aus einem nordfranzösischen Schloss liefert den Hintergrund.

26. Bamberger Kunst- und Antiquitätenwochen

Mit langem Atem durch die Pandemie

Den Winter brauchen Markus und Claudia Schmidt-Felderhoff nicht zu fürchten. Der alte gusseiserne Kaminofen, der von der original mittelalterlichen Küche nebenan befeuert wird, heizt das gesamte obere Stockwerk. Man kann darin Pizza backen, und er ist vom Schornsteinfeger sogar abgenommen.

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Noch ist es sehr heiß in Bamberg. Julia Heiss, Spezialistin für skandinavisches, speziell dänisches Silber, sitzt in ihrem kleinen Kontor, die Fenster und Türen vor Hitze und Sonne fest verschlossen. „Hoffentlich kommt keiner mehr“, stöhnt sie am Nachmittag. Doch das ist ein frommer Wunsch in einer Stadt, die zu den schönsten in Deutschland zählt.

Es klingelt. Vielleicht ist es eine Kundin, die sich ein Schmuckstück zum überschaubaren Preis gönnen möchte. Oder ein Sammler, der sich für dänisches Silber erwärmt. Und Julia Heiss zählt auf, was sie noch auf Lager hat: Das Art Déco Service aus 925-Silber von Cohr, der Speisewärmer aus Sterling Silber ist noch da, aus der Manufaktur Jensen die Pyramidenschale, eine Saucière von 1920 in 830er-Silber, das Service Nr. 80 mit den abstehenden Henkeln und viele schöne Silberbecher. „Die lassen sich toll als Vase zweckentfremden.“

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