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Auktion bei Neumeister„Bergpredigt“ aus Hitler-Besitz versteigert – Chefin des Auktionshauses nennt Details

Eine gemalte biblische Erzählung mit unklarer Herkunftsgeschichte von Frans Francken d. J. versteigerte Neumeister für 58.500 Euro. Auch alle anderen Arbeiten blieben unter der 100.000 Euro-Schwelle.Sabine Spindler 28.09.2023 - 15:31 Uhr Artikel anhören

Auktionatorin Katrin Stoll hat sich jahrelang vehement für die Aufklärung von Verstrickungen des Kunsthandels während der Nazizeit engagiert.

Foto: Lauren Leis /Neumeister

München. Jahrelang stand bei Frans Franckens frühbarocker Tafel „Die Bergpredigt“ die Frage nach Raubkunst im Raum. Auch wenn vieles in diese Richtung wies: Letzte Woche wurde das Gemälde – wie berichtet – mit fragwürdiger Herkunft im Auktionshaus Neumeister für 58.500 Euro inklusive Aufgeld versteigert. Denn es fanden sich keine Beweise für NS-verfolgungsbedingten Entzug. Dabei war die Provenienz mehr als heikel.

Ende April 1945 hat eine Münchner Bande die Holztafel aus dem 17. Jahrhundert samt 600 anderer Bilder aus der Parteizentrale der NSDAP gestohlen. „Die Bergpredigt“ aus dem Bestand des „Führermuseums Linz“ kam, wie berichtet, 2009 bei der Fernsehsendung „Kunst und Krempel“ wieder ans Licht. Bürger können dort private Schätze begutachten lassen.

Als TV-Zuschauer erkannte der Provenienzforscher Stephan Klingen das Gemälde als Werk aus diesem Raubzug. Rechtsnachfolger des Eigentums von Adolf Hitler wäre die Bundesrepublik Deutschland. Ein Gericht befand jedoch, dass die damalige Eigentümerin, die das Bild geerbt hatte, es gutgläubig ersessen hat. Das Bild hat dennoch dunkle Flecken.

Hildebrand Gurlitt, Kunsthändler im Dienst der Nazis, hatte das Gemälde im besetzten Frankreich erworben und an Hitler für dessen „Führermuseum“ in Linz weiterverkauft. Eine jahrelange zeit- und kostenaufwendige Recherche begann, als Neumeister-Chefin Katrin Stoll, die sich vehement für die Aufklärung von Verstrickungen des Kunsthandels während der Nazizeit engagiert, das Bild zum Verkauf anvertraut wurde. Es konnte kein Geschädigter gefunden werden.

Zumindest Nachteile musste wohl die Verkäuferin hinnehmen. Der Verkauf verzögerte sich um Jahre. Franckens Stern steht auf dem Altmeistermarkt nicht mehr so hoch wie 2010, als das Dorotheum mit dem Rekordpreis von 7 Millionen Euro die Preise puschte. Vor 15 Jahren schätzten die Experten von „Kunst und Krempel“ die „Bergpredigt“ auf 70.000 bis 100.000 Euro. Ein Sammler aus dem Ausland hat nun bei 45.000 Euro den Zuschlag bekommen. Die restlichen 13.500 Euro sind Aufgeld. Nur zwei Bieter zeigten Interesse. Die immer noch im Dunkeln liegende Geschichte hat manchen Interessenten wohl abgeschreckt.

Empörend fand Katrin Stoll das Angebot zweier internationaler, in Sachen NS-entzogener Kunst engagierter Kanzleien, deren Geschäftsmodell auf Restitutionsfragen fußt. „Sie wollten es zu einem Dumping-Preis rauskaufen und selbst vermarkten“, sagte Katrin Stoll dem Handelsblatt.

Letzte Woche wurde das Gemälde im Auktionshaus Neumeister für 58.500 Euro inklusive Aufgeld versteigert. Es fanden sich keine Beweise für NS-verfolgungsbedingten Entzug. Dabei war die Provenienz mehr als heikel.

Foto: Neumeister

Der Fall Frans Francken ist für Katrin Stoll ein weiteres Signal für ein notwendiges Raubkunst-Rückgabe-Gesetz für Private. Sie bewegen sich aktuell in juristischen Grauzonen. Denn die Washingtoner Erklärung gilt nur für museale Institutionen. „Es ist überfällig, dass die Bundesregierung proaktiv die Frage eines Reglements für Privatpersonen in die Hand nimmt“, sagte sie im Gespräch. Die „Bergpredigt“ hat in ihren Augen einmal mehr gezeigt, „dass im Handel sich vieles anders darstellt, als man es sich Berlin vorstellt.“

Insgesamt hat Neumeister nach Berechnungen des Handelsblatts rund 40 Prozent der 740 aufgerufenen Lose aus den Bereichen Kunst, Antiquitäten und Schmuck abgesetzt. Über die Höhe des Umsatzes gibt das Münchener Haus keine Auskunft. Kein Erlös lag über der 100.000-Euro-Grenze.

>> Lesen Sie auch: Umgang mit Raubkunst – Aus Hitlers Bunker gestohlen

Heftig beboten wurde eine Meissner Schneeballvase mit dem Bildnis König Alberts von Sachsen. Sie ging erst bei 78.000 Euro mit Aufgeld in neue Hände. Teuerstes Los wurde mit 97.500 Euro inkl. Aufgeld das mit Perlmutt belegte Gemälde „Der verliebte Alte“ von Lucas Cranach d. Ä. Laut rückseitigem Wachssiegel gehörte die Tafel aus dem 16. Jahrhundert einst zur königlichen Sammlung der Wettiner.

Dass sich eine Institution für die zarte Zeichnung des Berliner Hofsilberschmieds Johann Georg Hossauer engagieren würde, lag nahe. Das Blatt von 1830 stellt den Erinnerungspokal für das zu Ehren der russischen Zarin und einstigen Preußenprinzessin veranstaltete Fest „Zauber der Weißen Rose“ in Potsdam dar. Drei Mal wurde er ausgeführt und laut Hossauer-Spezialistin Melitta Jonas war der Silberschmied sehr stolz auf diese Arbeit. Von taxierten 14.000 stieg die Zeichnung auf brutto 26.000 Euro.

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Einen der drei Silberpokale besitzt die Stiftung Preußischer Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg. Als Käufer gab Neumeister nicht mehr als ein deutsches Museum bekannt.

Mehr: Restitutionsverfahren in Deutschland: Hürden sollen beseitigt werden

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