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  4. Fazit der Donatello-Schau in Florenz: Die Renaissance ist die skulpturale Periode schlechthin

Ausstellung in FlorenzDonatello: Der große Inspirator

In Florenz räumt eine fulminante Schau über Donatello mit alten Gewissheiten auf. Nicht die Malerei, sondern die Skulptur prägte die Renaissance.Christian Herchenröder 21.04.2022 - 15:30 Uhr Artikel anhören

Madonnenbildnisse von so zärtlich zugewandtem Ausdruck sind in der Frührenaissance etwas völlig Neues.

Foto: Ela Bialkowksa, OKNOstudio

Florenz. Es ist eine Jahrhundertausstellung geworden. Im Florentiner Palazzo Strozzi und im Skulpturen-Museum Bargello wird mit 130 Exponaten das Lebenswerk von Donatello (1386–1466) ausgebreitet, und sein Einfluss auf Zeitgenossen und Nachfolger beleuchtet. Daneben bietet die Stadt am Arno eine weitere Zahl bedeutender Werke, die im Dom-Museum, in Kirchen und Palästen zu besichtigen sind.

In Florenz verbrachte der schon zu Lebzeiten gefeierte Renaissance-Bildhauer die meiste Zeit seines Lebens. Die Hauptthesen der von dem Pisaner Kunsthistoriker Francesco Caglioti kuratierten Schau sind: Donatellos Bedeutung und sein Einfluss auf den kunsthistorischen Kanon war bislang überschattet von der Malerei. Caglioti, der Donatello als „wohl besten Bildhauer aller Zeiten“ bezeichnet, sieht die Renaissance als skulpturale Periode schlechthin. Sie schöpfte ihre Inspiration aus der Marmorskulptur der Griechen und Römer.

Im Falle Donatellos kam die Erleuchtung auf einer frühen Rom-Reise mit dem fast zehn Jahre älteren Bildhauer und Architekten Filippo Brunelleschi. Sie war dem Studium der in der Ewigen Stadt ausgegrabenen Antiken gewidmet.

Schon die überlebensgroße Marmorskulptur des David (1408–1409) zeigt in ihrer monumentalen visionären Ausstrahlung eine Überwindung der gotischen Schultradition. Sie war als Domschmuck bestellt und wurde bald als Symbol der Florentiner Republik in den Palazzo della Signoria (den heutigen Palazzo Vecchio) überführt. Hier wird schon der Keim zu Donatellos 1446 für Padua geschaffenen Reiterstandbild des Gattamelata gelegt, das als erstes dieser Bronzewerke seit der Antike gilt.

Die intime Freundschaft mit Brunelleschi, dem späteren Architekten der Domkuppel und der Medici-Kirche San Lorenzo, war auch von künstlerischer Konkurrenz durchdrungen. Um 1408 schuf Donatello für die Kirche Santa Croce ein lebensgroßes expressives Holzkruzifix. Der Künstler-Biograf Vasari berichtet über Brunelleschis vernichtendes Urteil, Donatello habe einen Bauern ans Kreuz genagelt.

Francesco da Sangallos hagerer, wie üblich nur mit einem Fell bekleidete Johannes der Täufer liegt stilistisch und im Ausdruck sehr nah an Donatello.

Foto: Ela BialkowskaOKNOstudio

Etwa zwei Jahre später schnitzt Brunelleschi für Santa Maria Novella ein lebensgroßes großes Kruzifix, das nicht zuletzt wegen seiner anatomischen Finesse – der Katalog spricht von „höchster Eleganz“ – als erstes Renaissance-Werk der Kunstgeschichte bezeichnet wird. In der Ausstellung hängen beide Holzbildwerke zum Vergleich.

Beim Rundgang durch diese exzeptionelle Schau wird Saal für Saal klar, dass Donatello nicht nur durch seine subtile Technik, sondern schon durch die Breite seines Arbeitsmaterials eine Sonderstellung unter den Renaissance-Bildhauern einnimmt: Terracotta, Holz, Sandstein, Marmor und Bronze.

Ausstellung

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Zu den ausgestellten Frühwerken gehören Terrakotta-Plastiken, ein Material, dessen Wirkungskraft im Florenz des 15. Jahrhunderts Donatello zugeschrieben wird. Madonnen mit Kind aus Berlin, Detroit, London und dem Museum Bardini in Florenz zeigen eine emotionale Zuwendung, die unter den Bildhauern seiner Zeit einzig ist. Spätere, farbig gefasste Madonnen-Reliefs wurden zu Prototypen, die vielfach reproduziert und vermarktet wurden.

Donatellos individuellste technische Innovation war das zarte, mit fast zeichnerischer Feinarbeit in den Marmor gravierte Flachrelief. In dieser Technik sind Architektur und Hintergrundfiguren fließend mit dem Raum verbunden, was den Eindruck einer luftigen Linearperspektive schafft.

Ein bewegendes Paradebeispiel ist das in London aufbewahrte Relief des toten, von Engeln gestützten Christus aus der mittleren Schaffensphase von 1435. Hier sind die Köpfe des Leichnams und der beiden Engel so aus dem Marmor herausgearbeitet, dass sich ein Dreiklang stillen Leidens ergibt.

Das um 1408 entstandene Kruzifix von Donatello (li.) soll sein Künstlerkollege Brunelleschi, Schöpfer der re. abgebildeten Kreuzigung, als ans Kreuz genagelten Bauern verspottet haben.

Foto: Ela Bialkowska, OKNOstudio

Das Ensemble ist so stark und anrührend, dass die Engel im Hintergrund nur noch als Schemen wahrzunehmen sind. In dem 15 Jahre später für den Hochaltar der Basilica St. Antonio in Padua entstandenen Bronzerelief gleichen Themas ist die Trauer expressiv veräußerlicht.

Eine der größten Statuen Donatellos ist die 2,85 Meter hohe, vergoldete Bronzeskulptur des Heiligen Louis von Toulouse aus dem Museum der Kirche Santa Croce. Sie entstand in separat gegossenen Einzelteilen. Die Technik hatte Donatello von Lorenzo Ghiberti übernommen, dem Schöpfer der berühmten Dom-Türen.

Donatellos wilde Draperien inspirierten nachfolgende Künstler

Die monumentale Gesamtwirkung dieses Auftragswerks bewirkt die Untersicht, in der die Schattenwirkungen des wild drapierten Gewandes und der fromm erstarrte Blick des Bischofs starke Wirkung zeigen. Das um 1420 entstandene Werk hatte einen starken Einfluss auf die Malerei. Protagonisten wie Masaccio, Filippo Lippi, Piero della Francesca und Andrea del Castagno schworen dem fließenden Faltenwurf der Spätgotik ab und ließen sich von der wilden Draperie Donatellos inspirieren.

Donatellos berühmteste Plastik ist die teilvergoldete Bronze des siegreichen jugendlichen David, die in die Jahre 1435–40 datiert wird. Dieses Hauptwerk im Donatello-Saal des Bargello ist eine der seltenen Skulpturen dieser Epoche, die bei hohem Standort von allen Seiten betrachtet werden konnte. Erst beim Umschreiten zeigt sich die feine Ziselierarbeit von Goliaths Helm und Bart und den einst Gold strotzenden Locken Davids.

Auf dem 1435 entstandenen Relief des toten, von Engeln gestützten Christus (li.) sind die Köpfe des Leichnams und der beiden Engel so aus dem Marmor herausgearbeitet, dass sich ein Dreiklang stillen Leidens ergibt. Expressiv veräußerlicht dagegen das 15 Jahre später für den Hochaltar der Basilica St. Antonio in Padua entstandene Bronzerelief (Mitte).

Foto: Ela Bialkowska, OKNOstudio

Diese für Cosimo I de“ Medici entstandene Plastik inspirierte noch lange Bildhauer der ersten Florentiner Garde. Der 30 Jahre später entstandene „Siegreiche David“ von Andrea del Verrocchio, der nun nicht mehr antikisch nackt ist, hat den nonchalant aufgestützten linken Arm, die gespreizte Beinhaltung, die androgyne Ausstrahlung. Noch die Haltung des nackten muskelstarken Herkules von Antonio del Pollaiolo (um 1480) folgt dem jugendlichen Vorbild.

Die Ausstrahlung Donatellos auf nicht minder bedeutende Künstler der Renaissance wird in einem Ausstellungssaal besonders eindringlich vor Augen geführt. Hier wird ein Hauptwerk wie das besonders fein gravierte Marmorrelief der Dudley-Madonna aus dem Londoner Victoria & Albert Museum nicht nur als Inspirationsquelle für Bildhauer der Hochrenaissance herausgestellt.

Die teilvergoldete Bronze des siegreichen jugendlichen David entstand 1435 bis 1440. Erst beim Umschreiten zeigt sich die feine Ziselierarbeit von Goliaths Helm und Bart und den einst Gold strotzenden Locken Davids.

Foto: Ela Bialkowska, OKNOstudio

In Zeichnungen von Leonardo da Vinci, Pietro Perugino, Fra Bartolomeo, Baccio Bandinelli und Bronzino zeigt sich seine prägende Wirkung. Auch Michelangelos Flachrelief der sogenannten „Stufen-Madonna“ von 1490, die erste autographe Skulptur des Bildhauers und Malers, ist ohne Donatellos Vorbild nicht denkbar.

Aber, wie die Ausstellung zeigt, ist Donatellos Gesamtwerk noch reicher an Innovationen und Anregungen. So wird die farbig gefasste Terrakotta-Büste des Niccolò da Uzzano in ihrer lebendigen Ausstrahlung in der Literatur als die erste wahre Porträtbüste der Renaissance bezeichnet.

Und das in den 1440er-Jahren in Padua entstandene Reiterstandbild des Gattamelata die erste, frei stehende Reiterstatue seit der Antike, vor allem seit der römischen Statue des Marc Aurel. Im letzten Teil der Ausstellung erscheint ein riesiger griechischer Pferdekopf der Epoche um 340 v. Chr. aus Medici-Besitz als Donatellos Vorbild. Der Bildhauer konnte ihn im Medici-Palast studieren.

Donatello gab seinen Figuren ein leibliches Wesen

Als Techniker hat er seine Lehrmeister im Bronzeguss (Ghiberti und Michelozzo) bald überflügelt. Die Leidenschaft, seinen Figuren leibliches Wesen und kompositionelle Erfindungskraft zu geben, unterscheidet ihn von vielen seiner Nachfolger, die als „Donatelliani“ eine ephemere Wirkung hatten.

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„Donatello, die Renaissance“ läuft bis 31. Juli im Palazzo Strozzi und Museo Nazionale del Bargello in Florenz. Der Katalog kostet 69 Euro. Weitere wichtige Werke Donatellos sind in den Kirchen Santa Croce, San Lorenzo, im Palazzo Vecchio und im Dom-Museum zu sehen.

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