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Ausstellung zum Jubiläum der ProduzentengaleriePetersburger Hängung aus Prinzip

Künstler gründeten 1973 die Produzentengalerie Hamburg. Längst ist sie zu einer Größe auf dem Kunstmarkt gereift. Jetzt liefert ihr 50. Geburtstag den Anlass für eine Retrospektive.Frank Kurzhals 29.09.2023 - 09:41 Uhr Artikel anhören

In der Ausstellung zum 50-jährigen Bestehen wurden alle Werke nach einem Zufallsprinzip gehängt.

Foto: Helge Mundt

Hamburg. Die bange Frage „Ist ein Kunstwerk seinen Preis überhaupt wert?“ stellen sich viele, die Kunst kaufen. Meist bleibt die Frage allerdings unausgesprochen, weil man sich gegenüber dem Galeristen nicht blamieren möchte. Die klassische Antwort auf diese Frage, wenn sie denn tatsächlich gestellt wird, lautet, kaufen Sie Kunst nicht als Geldanlage, nicht als Anlageklasse, sondern aus Überzeugung. Das gibt allerdings nicht mehr Sicherheit.

Denn was überzeugt eigentlich an einem Werk, die dekorative Oberfläche, die Aussage, die Machart, das unerhört Neue? Deswegen ist Gideon Modersohn, einer der Geschäftsführer der Produzentengalerie in Hamburg, davon überzeugt, dass eine gute Vermittlung den Kern einer auf Dauer ausgerichteten Galeriearbeit darstellt.

Seriöse Vermittlung gibt Sicherheit, generiert Verständnis. Die Hamburger Produzentengalerie feiert jetzt ihr 50-jähriges Bestehen. Da scheint die Beratung funktioniert zu haben.

Selbst wenn sich die Käufer wieder von ihren Werken trennen, haben sie selten finanzielle Verluste, denn die Trefferquote für eine herausragende Qualität, so Gideon Modersohn, ist in den vergangenen 50 Jahren Galeriearbeit überproportional hoch gewesen. Wer hier einkaufte, konnte meist mit gutem Gewinn wieder verkaufen, oder, noch besser, statt zu verkaufen, sich kontinuierlich an der Weiterentwicklung der ausgestellten Künstlerinnen und Künstler erfreuen.

Den Beweis für diese Behauptung tritt die Galerie nun an mit einer Retrospektive, die den Blick auf die vergangenen fünf Jahrzehnte richtet. Die Ausstellung wurde von Mario Kramer kuratiert, dem ehemaligen Sammlungsleiter am Museum für Moderne Kunst in Frankfurt am Main. Er inszenierte die gezeigten 75 Werke nach dem Zufallsprinzip. Das Vorbild dafür war der mit dem präzisen Zufall arbeitende Künstler John Cage.

Die mit den Büroflächen gut 180 qm große Galerie wurde virtuell in ein gleichmäßiges Raster aufgeteilt. Jedes der auszustellenden Werke erhielt eine Nummer und dann wurde gelost. Der Zufall entschied also, ob ein Bild unter der Decke hängt, in der Mitte einer Wand oder darüber platziert wurde, wie die direkte Kunst-Nachbarschaft aussieht.

Gruppenbild der Partner um den Kurator in der Mitte: Jürgen Vorrath, Gideon Modersohn, Mario Kramer, Luise Nagel und Peter Sander (v.l.n.r. ).

Foto: Volker Renner

Diese Form der Petersburger Hängung folgt der alten Utopie von „no ranks, no titles“; alles ist gleich gut, nur jeweils anders. Oder auch, alles ist gleich viel Wert. Die Kosten oder Preise der Werke spielen keine sichtbare Rolle. Der Sehnsucht nach Leitwerken, denen sich alle anderen unterordnen, wird nicht nachgegeben.

Und so hängen oder stehen einträchtig Werke von Anna & Bernhard Blume, Felix Droese, Bogomir Ecker oder auch Candida Höfer und Annika Kahrs neben Arbeiten von Astrid Klein, Olaf Metzel, Bernhard Prinz oder Andreas Slominski. Die meisten wurden schon früh in der Produzentengalerie ausgestellt und alle sind zu bekannten Positionen der modernen Kunst, mache auch zu Referenzgrößen der zeitgenössischen Kunst gereift.

Ist das trotzdem zu viel Aufwand für eine Jubiläums-Ausstellung? Ist das vielleicht sogar eine pure marketingorientierte Inszenierung, um besser verkaufen zu können? Das Gegenteil ist der Fall. Die Produzentengalerie in Hamburg lebt von der Rauminszenierung. Die meisten Werke sind deswegen gerade nicht autonom, funktionieren nicht überall, wo sie präsentiert werden. Sie sind stattdessen ortsspezifisch, und der Verkauf ist damit immer wieder ein Problem. Gleichwohl sind die Kunst-

Installationen genau deswegen einen Besuch der Galerie wert, weil sie nirgends beeindruckender sind als hier.

>>Lesen Sie hier: Geldanlage: Tipps, wie Sie mit wenig Geld in Kunst investieren können

Denn die Produzentengalerie Hamburg wird dem Anspruch, das Ungewöhnliche zu zeigen, gerecht. Kopf und Augen sind herausgefordert – in jedem Medium. Für Malerei und Skulptur als auch für Performance, Video und Konzeptkunst haben mehrere Generationen von Künstlerinnen und Künstlern hier eine Plattform und verlässliche Sammlerschaft gefunden.

Und als Beifang gibt es zu den Rauminszenierungen immer wieder Arbeiten, die gerahmt angeboten werden, die unabhängig von der Ausstellung ein Eigenleben haben und also auch für Sammler interessant sind, die nicht gleich eine ganze Inszenierung kaufen wollen oder können.

Eine Petersburger Hängung, die auch Decke und Boden mit einbezieht, weckt in der Jubiläumsausstellung der Produzentengalerie die Entdeckerlust.

Foto: Helge Mundt

Aber auch die Produzentengalerie lebt, wie die meisten anderen Galerien, vor allem von den Messen. Das stellt Gideon Modersohn unumwunden fest. Er ist seit 2012 in der Galerieführung, sein Vater, der Künstler Rainer Noeres, hat ihn behutsam in die Arbeit eingeführt.

Als sich sein Vater aus der Galeriearbeit verabschiedete, um die Modersohn-Stiftung in Worpswede zu führen, übernahm sein Sohn Gideon seine Galerieaufgaben, die er sich mit den anderen insgesamt fünf Partnern teilt. Die meisten von ihnen waren Künstler, daher der Name Produzentengalerie. Aber aus den Kunst-Produzenten wurden schnell Galeristen mit herausragendem Netzwerk in die Kunstszene, zu den Kunsthochschulen und natürlich zu Sammlern.

Mit Beginn des nächsten Jahres wird auch Luise Nagel, die seit 2015 ebenfalls Galeriepartnerin ist und die zuvor die Dependance der Produzentengalerie in Berlin leitete, zur Geschäftsführerin. Alle eint die Nähe zur Kunst, die sich zuerst über die Qualität definiert. Und dass sich Qualität irgendwann durchsetzt, davon sind sie überzeugt. Aktuell versteht sich die Produzentengalerie Hamburg als ein kleines mittelständiges Unternehmen, das, so Luise Nagel, nicht auf Expansion setzt, sondern auf kaufmännische Vernunft.

Anfänge in der Kampnagelfabrik

Von 1973 bis 1983 war die Produzentengalerie hauptsächlich ein Projektraum. Dann wurden die Ausstellungen immer teurer, die Versicherungen höher, ein neues Geschäftsmodell musste her. So wie andere Produzentengalerien, die sich zerstritten, die im Kleinen blieben, die sich nicht über ihr Programm einigen konnten, wollten die Hamburger nicht enden. Sie professionalisierten sich also, hießen immer noch Produzentengalerie, sind aber seitdem von einer eigenen Kunstausübung weit weg. Never change a winnig team. Modersohn studierte Kunstgeschichte, bewegt sich also schon auf einer abstrakteren Ebene als die Gründungsmitglieder, ist aber dafür gleichermaßen gut vernetzt.

In den ersten Jahren wurde die Galerie von den Stargaleristen Konrad Fischer, Düsseldorf, und Rudolf Zwirner, Köln, ganz wesentlich unterstützt. Davon haben sich alle in der Galerie schon längst emanzipiert. Mit den unterschiedlichen Umzügen wuchs die Eigenständigkeit. Die Galerie startete gegenüber der Kampnagelfabrik in der Barmbeker Straße. Seit 1997 ist sie in der Admiralitätsstraße in Hamburg, einem Ort, an dem der Flaneur auf viele Galerien unterschiedlichster Couleur trifft.

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Kaum jemand fragt noch, ob die Werke ihren Preis wert sind. Die aktuelle Ausstellung zeigt, dass sie es immer waren. Und sie ist aktuell eine der besten Ausstellungen, die Hamburg an zeitgenössischer Kunst zu bieten hat.

„Gegenwartsgesellschaft. 50 Jahre Produzentengalerie Hamburg“, bis 22. Dezember

Mehr: Galerienrundgang: Berlin im Rausch der Kunst

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