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Bamberger Kunst- und AntiquitätenwochenZitternde Tautropfen auf alten Gemälden

Erstklassige Alte Kunst lockt viele Besucher der Wagner-Festspiele aus Bayreuth nach Bamberg. Ihr Ziel: die Bamberger Kunst- und Antiquitätenwochen.Regine Müller 25.07.2024 - 16:21 Uhr
Johann Amandus Winck malte Obst, auf dem glitzernde Tautropfen feine Akzente setzen. Zum abgebildeten Gemälde gehört ein zweites im identischen Format. Foto: Senger Kunsthandel Bamberg

Bamberg. Alte Städte üben eine magische Anziehungskraft aus. Vielleicht ist es eine Form der Selbstvergewisserung, gewiss auch verklärende Nostalgie, vor allem aber wohl die ästhetische Erfahrung von Architektur und städtischen Strukturen, die sich in Jahrhunderten ausbildeten. Man spürt Geschichte und genießt das Originelle wie das Originale.

Unter den alten Städten in Deutschland gilt Bamberg als eine der schönsten, wenn nicht gar die schönste überhaupt. Insbesondere die Altstadt präsentiert sich in ihrer vom Krieg verschonten Geschlossenheit als ein einmaliges Ensemble, in dem sich – überstrahlt vom berühmten Dom – gotische Häuser an Renaissancebauten und barocke Palais schmiegen.

Seit 30 Jahren darf die Stadt den Unesco-Titel „Weltkulturerbe“ tragen. Historische Altstädte gibt es auch anderswo, aber in Bamberg wirkt das Stadtbild authentischer, denn hier sind keine internationalen Modeketten und Drogeriemärkte eingezogen. Keine grellen Logos würdigen altes Gemäuer zu pittoresken Werbeträgern herab. Denn die Bamberger Altstadt gehört den Kunsthändlern, sie prägen die Atmosphäre. Und werden umrankt von geschmackvollen kleinen Lädchen und Boutiquen.

Altmeister

Sehr gutes Angebot bringt sehr gute Preise

Der Stadt ist es gelungen, auf diese Weise die historische Altstadt ästhetisch „sauber“ zu halten, auch von einer Überzahl an Schnellimbissen. Nach Ladenschluss strömt man hier in deftige Traditionsgaststätten. Ein cleveres und vorausschauendes Stadtmarketing.

Einmal im Jahr feiert der örtliche Kunsthandel sich selbst mit den Kunst- und Antiquitätenwochen, die parallel zu den Wagner-Festspielen im nahe gelegenen Bayreuth stattfinden. Deren Besucher sind Flaneure mit viel Tagesfreizeit. „Die Stadt war immer sehr nett zu uns“, sagt Kunsthändler Christian Eduard Franke-Landwers, der ausgewählte Kunden auch in sein Privathaus einlädt, den Alten Ebracher Hof, ein ehemaliger Stadthof des Zisterzienser-Klosters Ebrach.

Blick auf das Angebot von Christian Eduard Franke: Kunsthandwerk und Malerei aus Gotik und Barock dominieren. Foto: Christian Eduard Franke

Franke-Landwers präsentiert im Salon einige seiner kleinen Kostbarkeiten, darunter ein Medaillon aus massivem Gold mit einem Emaille-Bild Augusts des Starken, besetzt mit Diamanten. 75.000 Euro soll das gute Stück kosten, „es war ein Geschenk an eine frühe Mätresse, gemalt ist August hier noch als Prinz von Sachsen“, so Franke-Landwers. Das Medaillon hat keinen Deckel und ist von imposanter Größe. Man fragt sich, wer da wen als Trophäe betrachtet hat, der Prinz die Mätresse, oder doch eher sie ihn?

Franke-Landwers sprudelt zu jedem seiner Objekte Provenienz und historisches Umfeld heraus, dass man gleich noch eine Geschichtslektion mitnimmt. Zum Beispiel eine große „Imari“-Porzellan-Platte von etwa 1690, weit gereist aus Japan. „Transportiert in Fässern mit Butter, damit nichts zerbricht. „Alles in Butter, das kommt daher!“

In seinem auch für Laufkundschaft zugänglichen Laden um die Ecke bietet Franke-Landwers kostbare Möbel und Kunsthandwerk an, etwa eine Terrine aus Silber aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. Auf dem Deckel prangt eine Zitrone, die so plastisch ist, dass man sie anfassen möchte. Das schwere Stück thronte wie ein Tafelaufsatz im Mittelpunkt des Tisches, Kostenpunkt: 38.000 Euro. Aus massigem Silber präsentiert Franke-Landwers auch ein hinreißendes Leuchter-Paar aus massivem Silber aus Rotterdam von 1770. Das Duo schlägt mit 84.600 Euro zu Buche.

Madonna aus Orvieto: Die melancholisch blickende Nussbaum-Skulptur aus Umbrien stellt Matthias Wenzel aus. Foto: Barthel, Bamberg

Das überreiche Angebot in seinem Laden umfasst neben barocken Möbeln aus Paris und Wien und zierlichen Rokoko-Sekretären auch ein Sortiment schlichterer Möbel aus der Roentgen-Manufaktur. Deren reduzierte Ästhetik bezeichnet Franke-Landwers als „protestantisch“. „Die Objekte machen auch etwas mit den Menschen“, ist er überzeugt.

Eine Ecke weiter findet sich im Silberkontor von Julia Heiss überwiegend puristisches Kunsthandwerk: „Meine Leidenschaft gilt dänischem Silber“, sagt die Kunsthändlerin. „Mich interessiert in erster Linie die Form, dann die Legierung und dann erst das Geld.“ Prunkstück ihres Angebots: ein Silberkrug von Hans Hansen von 1938, zu haben für 3200 Euro.

Kunsthändler Matthias Wenzel versteht sich als Generalist, er führt das älteste Antiquitätengeschäft Bambergs in zweiter Generation. Er gesteht eine Schwäche ein für sogenannte „Lüsterweibchen“. Aktuell sind zwei Deckenlampen aus Geweihstangen mit einem wohlgebauten Weib vornedran im Angebot, eines für 5000 und ein neogotisches für 3800 Euro.

Wesentlich mehr anlegen muss man für die Spitzenstücke des Angebots bei Wenzel: eine so anmutige wie herbe Madonna aus dem 14. Jahrhundert, die vermutlich im italienischen Orvieto um 1310 entstanden ist. Die Holzskulptur aus der Blütezeit der Gotik soll 300.000 Euro kosten. Herausragend auch ein Gemäldepaar des Flamen Hendrik Goevarts mit ausgelassenen Festszenen, zusammen kosten die stimmungsvollen Bilder 56.000 Euro.

An drei Standorten ist der Senger Kunsthandel in der Stadt vertreten. Thomas Herzog, Schwiegersohn von Walter Senger und Geschäftsführer, zeigt in seinen neuen Galerieräumen eine Kombination von Klassischer Moderne, Zeitgenossen, Design und Alter Kunst. Walter Sengers Tochter Simone Kundmüller macht auf eine mittelalterliche Altargruppe aufmerksam, die 48.000 Euro kosten soll.

Buchstäblich köstlich ist ein farbstarkes Gemäldepaar mit äußerst plastischen Stillleben von Johann Amandus Winck mit Obst, auf dem Tautropfen zu zittern scheinen. Das Bilderpaar, das der Münchener Meister auf Kupfer malte, schlägt mit 42.500 Euro zu Buche. Besonders originell: ein klappbarer Hausaltar, handlich wie ein iPad, aber aus der Kölner Schule um 1500, zu haben für die schnelle Andacht zwischendurch für 48.000 Euro.

Im Auktionshaus Schlosser werden am Wochenende Werke der Moderne und Zeitgenossen sowie Alte Kunst, Kunsthandwerk und Asiatika versteigert. Schlosser residiert in einem weiteren Pracht-Palais. Auf die Frage nach der aktuellen Flaute in den großen Auktionshäusern bestätigt er: „Unsere Frühjahrsauktionen waren bescheiden und hätten besser sein können. Wie es jetzt läuft, ist noch ein Buch mit sieben Siegeln. Aber es gibt Interesse. Wenn nur die Hälfte von denen bieten, an die wir Zustandsberichte geschickt haben, dann wird es eine gute Auktion.“ Der Markt sei schwierig in Deutschland, während das Interesse aus den USA und den Nachbarländern ungebrochen sei, sogar verstärkt, berichtet Schlosser.

Schlossers Zukunftsstrategie? „Wir wollen mehr zeitgenössische Kunst präsentieren, dann kommen andere Kunden. Die Spannung zwischen Alt und Neu ist interessant“, sagt Schlosser. So präsentiert er im ersten Stock seines imposanten Hauses ein expressives Frauenporträt neben Stuckgirlanden an der Wand. Die „Küchendiva“ blickt herausfordernd, mit Zigarette im Mund und einem Turm aus Töpfen, Pfannen und Schüsseln auf dem Kopf. Das Limit dieses Gemäldes von Elvira Bach liegt bei moderaten 6.500 Euro.

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Letzte Station des Rundgangs: der kleine Laden von Claudia und Markus Schmidt-Felderhoff, die ihr gotisches Haus von 1307 selbst restauriert haben und dort auch heute leben. Spitzenstück unten im Laden: ein rustikaler Kastentisch vom Anfang des 17. Jahrhunderts mit eingearbeiteter Schieferplatte, auf der man Rechnungen schreiben konnte, Kostenpunkt: 8500 Euro.

29. Bamberger Kunst- und Antiquitätenwochen: 23.7. bis 23.8., Mo. bis Sa. 10 bis 18 Uhr, sonn- und feiertags nach vorheriger Absprache, www.bamberger-antiquitäten.de

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