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Galeristinnen und Künstlerinnen Ausstellung über Konkrete Kunst: Die weibliche Seite der Geschichte

Konkrete Kunst ist weder feminin noch maskulin. Doch die Museen entdecken erst jetzt, welchen Anteil Künstlerinnen und Galeristinnen an ihrer Entwicklung haben.
09.09.2021 - 07:38 Uhr Kommentieren
Die zentrifugale Kraft von Farbe und Kreissegmente versinnbildlichte die Künstlerin 1970 in dem Bild, das sich in den Raum öffnet. Es ist mit Leuchtmitteln hinterlegt (Ausschnitt aus einem quadratischen Format). Quelle: Galerie Denise René/Kunstmuseum Stuttgart
Geneviève Claisse „Relief circle vert“

Die zentrifugale Kraft von Farbe und Kreissegmente versinnbildlichte die Künstlerin 1970 in dem Bild, das sich in den Raum öffnet. Es ist mit Leuchtmitteln hinterlegt (Ausschnitt aus einem quadratischen Format).

(Foto: Galerie Denise René/Kunstmuseum Stuttgart)

München Die Geschichte des Quadrats und der geometrischen Abstraktion hat auch eine weibliche Seite. Das ist noch viel zu wenig bekannt. Davon erzählt die Ausstellung „Zwischen System & Intuition: konkrete Künstlerinnen“ im Kunstmuseum Stuttgart noch bis 17. Oktober. Mathematisch berechenbare Formen, klare Farben, Variationsexperimente und ein gewisser Ordnungsgedanke sind Elemente dieser Richtung.

Für Kuratorin Eva-Maria Froitzheim standen am Anfang hauptsächlich die mehr oder weniger vergessenen Künstlerinnen im Vordergrund. Etwa Verena Loewensberg, die bis in die 1970er-Jahre fest zum Kreis der Zürcher Konkreten um Max Bill gehörte, oder die Brasilianische Bildhauerin Mary Vieira und ihre dynamischen Skulpturen.

Doch je mehr sich Loewensberg mit dem Lebensweg von Sonia Delaunay, der Grand Dame der Konkreten, oder mit den minimalistisch-konstruktivistischen Papierarbeiten der 1915 geborenen Französin Marcelle Cahn beschäftigte, formierte sich eine zweite Erkenntnis. Es gab ein enges Netz zwischen diesen Malerinnen und Bildhauerinnen und vielen Galeristinnen, die konkrete Künstlerinnen gefördert haben. Bis heute sind ihre Verdienste kaum dokumentiert. Einen Anfang macht die App des Museums.

Dabei ist klar, der heutige Platz der 97-jährigen Vera Molnar im Kunstbetrieb ist undenkbar ohne das Engagement der Ladenburger Galeristin Linde Hollinger. Die intelligent durchdachten Abstraktionen der Wahlpariserin sorgen gerade überall für Furore. In geometrischen Reihen untersucht sie den gesteuerten Zufall und befasst sich mit jenem „1 Prozent Unordnung“, die jeder Ordnung innewohnt.

Ein ästhetisches Vergnügen sind ihre algorithmischen Bilder dennoch. Da muss man nur in Stuttgart auf die Wand mit 25 gleichgroßen rot-weißen Formvarianten übereinander lagernder Quadrate schauen. Molnars Weg zum Erfolg war lang. Im französischen Rennes hat die Galerie Oniris sie seit 2000 im Portfolio.

Die Künstlerin experimentierte mit der Dreidimensionalität wie bei ihrem 2006 entstandenen Rahmenobjekt Nr. 15 aus lackiertem Aluminium. Quelle: Galerie Gudrun Spielvogel/VG Bild-Kunst, Bonn 2021
Nelly Rudin

Die Künstlerin experimentierte mit der Dreidimensionalität wie bei ihrem 2006 entstandenen Rahmenobjekt Nr. 15 aus lackiertem Aluminium.

(Foto: Galerie Gudrun Spielvogel/VG Bild-Kunst, Bonn 2021 )

Die Wende aber läutete Linde Hollinger ein. Sie bewundert den freien Geist und die Präzision der Konkreten Kunst. Und sie versprach Vera Molnar, die bereits in den 1960er-Jahren mit Computern experimentierte, vor mehr als 30 Jahren: „Ich bringe Dich dorthin, wo Du hingehörst“.

Die von Hollinger herausgegebene Werkübersicht und ihr Trommeln für eine unterschätzte Künstlerin öffneten wichtigen Museen und Sammlern vom Ingolstädter Museum für Konkrete Kunst bis zum Museum Ritter die Augen.

Dass Molnar inzwischen zu den gewichtigen Namen der geometrischen Abstraktion zählt, signalisierte diesen Sommer der kunsthändlerische Global Player Thaddaeus Ropac mit einer Molnar-Personalausstellung in seiner Salzburger Galerie. In der Galerie Hollinger ist die Künstlerin noch bis zum 25. September ausgestellt. Die Preise für ihre aktuellen quadratmetergroßen Leinwände liegen zwischen 22.000 und 30.000 Euro, Computergraphiken um die 8500 Euro.

Die Netzwerke zwischen Galeristinnen und konkreten Künstlerinnen sind allerdings keine Folge der Frauenbewegung und Post-68er-Attitüden. Schon 1944 gründete Denise René in Paris ihre Galerie und verschrieb sich ganz dem Geometrischen. Ihre erste Ausstellung galt dem jungen Victor Vasarely. Die Potenz von Künstlerinnen aber übersah sie nie.

1961 nahm René die gerade 26-jährige Geneviève Claisse, die auch in Stuttgart vertreten ist, unter Vertrag und begleitet ihre Entwicklung von einer Malerei der streng geometrischen Form hin zu farbstarken dynamischen Variationen mit Kreisen. Im Juni kostete so eine psychedelische Leinwand aus den 1970er-Jahren bei Lempertz 8500 Euro.

Zwischen 1985 und 2019 realisierte die Künstlerin die 25 rotweißen Variationen überlagerter Quadrate. Sie sind derzeit im Kunstmuseum Stuttgart zu sehen. Quelle: Galerie Linde Hollinger/Kunstmuseum Stuttgart/VG Bild-Kunst, Bonn 2021
Vera Molnar „Interstices“

Zwischen 1985 und 2019 realisierte die Künstlerin die 25 rotweißen Variationen überlagerter Quadrate. Sie sind derzeit im Kunstmuseum Stuttgart zu sehen.

(Foto: Galerie Linde Hollinger/Kunstmuseum Stuttgart/VG Bild-Kunst, Bonn 2021)

Die Reihe der Galeristinnen lässt sich fortsetzen. In Paris richteten Colette Allendy 1953 der Malerin Aurelie Nemours, deren Kompositionen hauptsächlich von Quadraten bestimmt sind, die erste Personalschau aus. Und in Schwäbisch Gmünd setzte Edith Wahlandt Mettler ab 1971 konkrete Akzente. Es waren keine feministischen Solidaritätsakte, meint die Ausstellungs-Kuratorin Eva-Maria Froitzheim. „Es trieb sie eher eine Vision, dass Frauen selbstverständlich an der Entwicklung der der Kunstszene und der Gesellschaft teilnehmen“, so die Stuttgarterin zum Handelsblatt.

Die Kunstszene hatte seit den 1920er-Jahren eine gewisse Toleranz entwickelt. Auch Kunsthändler zeigten sich offen für die Werke von Frauen. Léonce Rosenberg beispielsweise, Galerist von Marcelle Cahn, begrüßte „die neuen, überraschenden Werte, die Frauen in die Gesellschaft einbrachten“, so der Ausstellungskatalog.

„Mainstream ist die konkrete Kunst auch heute noch nicht, aber sie hat ihre Gültigkeit bewahrt“, sagt Gudrun Spielvogel. Bei der Münchner Galeristin gehört die 2013 verstorbene Nelly Rudin zum festen Programm. Die Schweizerin hat spätestens in den 1980er-Jahren das zweidimensionale Bild verlassen und ist mit konkret gestalteten Rahmenobjekten und kastenartigen Leinwänden in den Raum vorgestoßen. Ihre Bildobjekte sind mit 7000 bis 20.000 Euro immer noch erschwinglich.

Entdeckt wurde Rudin übrigens von Marie-Therese Vacossin, Gründerin der seit 1966 bestehenden Edition Fanal in Bern. Noch immer verlegt Fanal exzellente Drucke konkreter Künstler und Künstlerinnen. „Das Material dieser Generation aber wird knapp“, sagt Gudrun Spielvogel.

Ausstellungen mit Bildern von Shizuko Yoshikawa, die japanische Zen-Ästhetik und konkrete Kunst verknüpfte, oder mit Aurelie Nemours wie in den 90er-Jahren sind heute nicht mehr möglich. Spielvogel, die ihr Programm sowohl auf Künstler wie auf Künstlerinnen der Abstraktion zugeschnitten hat, bleibt trotzdem dran. Es gefällt ihr, dass die Idee des Konkreten weder feminin noch maskulin ist.

„Es wird Zeit, die Leistungen von Galeristinnen sichtbarer zu machen“, meint Eva-Maria Froitzheim. Gemeinsam mit dem Zentralarchiv für deutsche und internationale Kunstmarktforschung (Zadik) in Köln plant das Kunstmuseum Stuttgart im Oktober ein Online Symposium über die Rolle von Frauen im Kunstmarkt.

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