Georg Baselitz: Leihgaben hätten gut getan

Elke Baselitz: Der Maler Georg Baselitz in seinem Atelier 2012.
Wien. Was für ein Empfang! Zwei gebrochene Helden auf der Leinwand und ein treuherzig dreinblickender hölzerner Riesenknabe begrüßen das Publikum der Georg Baselitz-Ausstellung in Klosterneuburg bei Wien. Sämtliche Werke stammen aus dem Besitz des Museumseigners Karlheinz Essl. Der Sammler und Unternehmer arrangierte die Arbeiten unter tätiger Hilfe des Meisters zu einem zunächst rätselhaft erscheinenden bunten Haufen.
Essl besitzt mit 44 Werken aus 44 Jahren ein recht umfassendes Konvolut an Baselitz-Kunst, dessen Schwerpunkt auf dem Werk der vergangenen 20 Jahre liegt. Darunter finden sich zahlreiche „Remix“-Gemälde, in denen der Künstler eigene ältere Werke neu interpretierte. Eine chronologische Hängung hätte demnach nur Lücken offenbart. So sollten die Arbeiten aus unterschiedlichen Phasen miteinander konfrontiert werden. An einigen Stellen funktioniert das wunderbar und an anderen geht es völlig schief. Geglückt ist etwa die Hängung dort, wo ikonenartige, nicht ganz so große Formate aufeinander stoßen, etwa ein „Weinstock“ von 1969 und eine 1972 entstandene „Trauerseeschwalbe“, Werke, die das nur sporadisch vorhandene Frühwerk vertreten. Ebenso ergänzen sich jene drei Gemälde ganz gut, in denen mehr oder weniger verklausuliert Marcel Duchamp auftaucht. Anhand von „Wir besuchen den Rhein II“, „Dr. Dumouchel kommt zu Besuch wohin“ und „Frisch verliebt – M. D.“ wird Baselitz’ heitere Auseinandersetzung mit der Moderne sichtbar.
Überblick über Malweisen
Doch nicht überall geht das Konzept der freihändig-assoziativen Kombination auf. So erschließt sich etwa für jemand, der Baselitz’ Werk nicht gut genug kennt, die Beziehung zwischen seinem „Volkstanz Italien“ und dem später entstandenen „Volkstanz Allegra“ keineswegs, hängen die Bilder doch in unterschiedlichen Räumen; dabei ist der „Volkstanz Allegra“ ein „Remix“ des erstgenannten. Eher zusammenhanglos wirkt auch jener Saal, in dem eines von Baselitz’ „Russenbildern“ auf eine Landschaft und vier Pferde stößt; warum, erschließt sich nicht genau.
Gewiss hätte es der Schau gut getan, wenn man sie mit einigen Leihgaben angereichert hätte. Eines macht sie trotz punktueller Schwächen aber immerhin sichtbar: Baselitz’ differenzierte Malweise – vom pastosen Frühwerk, das bisweilen geradezu von einem Horror Vacui gekennzeichnet scheint, über malerische Experimente (etwa den Korkendruck) bis hin zu den jüngeren, luftigen Remix-Kompositionen. So lässt sich ansatzweise ein Überblick über sein Oeuvre gewinnen, im Gegensatz zur Ausstellung in der Albertina 2007, die den Schwerpunkt auf jüngere Arbeiten legte.

Georg Baselitz: "Wir besuchen den Rhein II", 1997, Öl auf Leinwand, Foto: Mischa Nawrata. (Ausschnitt)
Im Herbst 2013 wird Baselitz wieder in der Albertina zu sehen sein, dieses Mal mit seinen Clair-Obscur-Holzschnitten aus dem 16. Jahrhundert. Seit 1965 sammelt der Künstler Drucke aus dem Manierismus, mit einer offenbar unermesslichen Gier nach Neuem. Zuletzt habe er ein Werk von Domenico Beccafumi erworben, schildert Baselitz: „Da setze ich alles ein, was ich habe; außer, dass ich Räuber ausschicke.“
Der Kunstmarkt interessiert ihn sichtlich. Dass seine eigenen Söhne als Galeristen ihr Brot verdienen (Anton Kern in New York, Daniel Blau in München), kann wohl kaum Zufall sein. Angesichts seines Markterfolges klingt es etwas kokett, wenn er klagt: „Tauchen frühe Werke in Auktionen auf, dann ist man als Künstler nicht mehr in der Lage, diese zurückzukaufen.“ Tatsächlich wurden sämtliche Rekordpreise mit Werken der 1960er-Jahre erzielt: 2,7 Millionen Euro im Vorjahr auf der Art Cologne für seinen „Soldat“, über 3,2 Millionen Pfund für das Bild „Spekulatius“ bei Sotheby’s London in 2011 und 4,1 Millionen Dollar für „B. J. M. C. – Bonjour Monsieur Courbet“, die der österreichische Galerist Thaddaeus Ropac im Mai 2008 bei Sotheby’s New York bewilligte.
Nicht unter 5 Millionen
Arne Ehmann, Leiter der Galerie Ropac in Salzburg, setzt den künftigen Marktwert noch höher an: „Leinwände aus der Helden-Serie der 1960er-Jahre wird man in Zukunft sicherlich nicht mehr unter fünf Millionen Euro bekommen. Werke aus den 1970er- und 80er-Jahren kosten meist zwischen ein und zwei Millionen Euro“, erklärt er. Jüngere, großformatige Leinwände kämen auf rund 450.000 Euro und aktuelle Bronzen bewegten sich „im Primary Market (in den Galerien) zwischen 500.000 und 2.5 Millionen Euro“.

Baselitz selbst scheint das Marktgeschehen aufmerksam zu beobachteten: „Als ich erstmals auf der Documenta in Kassel war, da war der Fotorealismus „in“, danach kam die Pattern Art; daran kann man sich heute schon gar nicht mehr erinnern. Irgendwann sind die Arbeiten all dieser Kampfhähne, die einander widersprachen, in einem Katalog vereint, und kosten eine oder zwei Millionen Euro oder noch mehr.“ Eine eigenwillige Betrachtung der Dinge – die doch von einer gewissen Abgeklärtheit zeugt.
„Georg Baselitz – Werke von 1968 bis 2012“, bis 20. März, Essl Museum, Klosterneuburg bei Wien. Katalog, Edition Sammlung Essl (dt./engl.), 25 Euro/29 Euro (Buchhandel)
"Der Clair-Obscur-Holzschnitt im 16. Jahrhundert. Meisterwerke aus der Sammlung Georg Baselitz und der Albertina", 29. November bis 2. Februar 2014, Albertina Wien





