Jörg-Michael Bertz: „Sammler kauften aus Begeisterung“
Der Art Consultant Jörg-Michael Bertz.
Foto: Julia SteinbrechtDüsseldorf. Handelsblatt: Herr Bertz, als Sie anfingen, welche Epoche war da der Umsatzbringer?
Jörg-Michael Bertz: 1972 waren das die Alten Meister und dekorative Kunst. Wer erfolgreich war, wollte sich in historischem Ambiente präsentieren.
Wann löste die zeitgenössische Kunst die Kunst vergangener Epochen als Leitbild ab?
Mit der Abendauktion der Pop-Art-Sammlung von Robert und Ethel Scull in New York im Oktober 1973 begann der Aufstieg der zeitgenössischen Kunst. Die Versteigerung erzielte das sensationelle Ergebnis von 2,2 Millionen Dollar.
Welchen Stand hatten damals die Zeitgenossen in Deutschland?
Auf dem 1967 gegründeten und jährlich stattfindenden Kölner Kunstmarkt, der heutigen Art Cologne, sowie auf der Documenta III und IV konnte sich das deutsche Publikum bestens über zeitgenössische Kunst informieren. Aber auf eine Auktion mit „Contemporary Art“, wie ich sie als Erster in Deutschland im November 1973 in Düsseldorf organisierte, waren die deutschen Sammler noch nicht vorbereitet. Da die meisten zeitgenössischen Arbeiten ins Ausland verkauft wurden, entschloss sich Christie‘s, diese Versteigerungen nach London zu verlegen.
Ab 1974 bauten Sie diesen Bereich mit auf. Was war für Sammler der Impuls, sich Neuem zuzuwenden?
Es war anfangs ausschließlich die Begeisterung für diese neue Kunstströmung aus Amerika. Bereits 1968 kaufte der dynamische Wella-Fabrikant Karl Ströher, der bis dahin Expressionisten gesammelt hatte, in New York die geschlossene Pop-Art-Sammlung des verstorbenen Leon Kraushar. Der Versicherungsmakler hatte die Bedeutung der Pop Art ganz früh erkannt. Der Kunsthistoriker und Schokoladenfabrikant Peter Ludwig begann ebenfalls in dieser Zeit, intensiv amerikanische Gegenwartskunst zu erwerben.
Die Fragen stellte Susanne Schreiber.