Ketterer: Markttest für Neue Leipziger Schule

Christoph Ruckhäberle: "Garten", 2001, Öl auf Leinwand. (Ausschnitt)
München. Kometenhaft war vor zehn Jahren der Aufstieg der Maler der Neuen Leipziger Schule. 2005 schossen in London die Erlöse für Gemälde von Tim Eitel etwa von 20.000-Pfund-Taxen in den sechsstelligen Bereich. Wo ihr Marktwert heute liegt, wird eine Folge mit 15 Gemälden zeigen, die am 9. Juni bei Ketterer in München zum Aufruf kommt.
Von David Schnell, bekannt für seine gezirkelten Landschaften, werden drei Gemälde aus den Jahren 2000 bis 2003 zum Schätzpreis von 25.000 bis 35.000 Euro offeriert. Christoph Ruckhäberle mit seinen stilistischen Rückgriffen in das Typenarsenal der klassischen Moderne kommt bei Taxen zu 8.000 bis 12.000 Euro zum Aufruf.
Und an das Londoner Niveau versucht man im Falle von Tim Eitel, dem Maler hyperrealistischer Figuren in inszenierter Leere, anzuknüpfen. Seine „Nacht“ von 2004 ist mit 90.000 bis 120.000 Euro bewertet.
Nicht weniger hoch gesteckt sind die Erwartungen im Spitzensegment der „Kunst nach 1945“. Mit 250.000 bis 350.000 Euro ist Serge Poliakoffs zart schwebende und doch so typisch monolithische „Composition abstraite orange, jaune, vert, lie de vin“ von 1964 bewertet. Ein anderer gefragter Vertreter der sog. Nouvelle École de Paris ist Pierre Soulages. Sein informelles, fast schwarzes Gemälde „Peinture 81 x 60 cm, 2 mai 1957“ ist auf 150.000 bis 180.000 Euro geschätzt. 127 Lose enthält der Katalog.
Zwei Meter hoher Baselitz
Im Grafikbereich finden sich Namen wie Cy Twombly und Jean-Michel Basquiat. Von Anish Kapoor steht die komplette Serie der Farbradierungen „Shadows III“ zu Gebote – Kostenpunkt: zwischen 42.000 und 45.000 Euro. Unter den Gemälden deutscher Künstler wie A. R. Penck, Rupprecht Geiger und Emil Schumacher sticht Georg Baselitz’ gestisch expressiver “Kopf (Elke Profil)“ von 1977 heraus. Baselitz sorgte 2011 in London mit einem 3-Millionen-Euro-Erlös für Furore. Seine fast 2 Meter hohe Leinwand ist hier auf 200.000 bis 300.00 Euro dotiert.

Emil Nolde: "Marschlandschaft um Utenwarf", um 1920/25, Aquarell. (Ausschnitt)

Adolf Hölzel: "Figur in großer Landschaft", nach 1925, farbiges Pastell. (Ausschnitt)
Mit 250.000 bis 350.000 Euro steht Wladimir von Bechtejeffs arkadisches, expressionistisches Gemälde „Bogenschützen“ von 1910 an der Spitze des Klassische Moderne-Angebots, das bei Ketterer zum Aufruf kommen. Die Künstlerkarriere dieses „Blaue Reiter“-Mitglieds brach 1914 nach seiner Rückkehr nach Russland abrupt ab.
Entsprechend rar sind seine Werke. Die mit kubistischen Anleihen gestaltete Szene war zudem seit 1914 in Familienbesitz und gelangt somit nach fast einem Jahrhundert erstmals auf den Markt. Markante Kunst aus Zeiten epochaler Umbrüche hat unverkennbar einen besonders hohen Bewertungsbonus.
Unter den 110 Gemälden und Arbeiten auf Papier finden sich Werke von Lyonel Feininger (Taxe 35.000 bis 40.000), Adolf Hölzel (20.000 bis 30.000), Georg Tappert (100.000 bis 150.000) und Gustav Klimt zum Schätzpreis von 40.000 bis 60.000 Euro. Nicht ganz so gut aufgestellt wie gewohnt ist im Bereich Papier das Angebot der Brücke-Künstler. Erich Heckels Holzschnitt „Kniende am Stein“ von 1913 ist zwar unter Sammlern bekannt, doch als handkolorierter Probedruck wie in diesem Fall mit der Aura eines Unikats umgeben. Angesetzt ist er auf 10.000 bis 15.000 Euro.
Hauskünstlerin Gabriele Münter
Zu den Stammkünstlern Ketterers zählt Gabriele Münter. Für nicht ganz 400.000 Euro veräußerte Robert Ketterer vor einem halben Jahr ihre Ansicht vom Staffelsee bei Murnau von 1924. Diese Schaffenszeit zählt für Kenner schon nicht mehr zu der gefragtesten Periode der Malerin aus dem Umkreis der Künstlergruppe „Der Blauer Reiter“. Insofern dürfte es spannend werden, wenn das 1916 entstandene Gemälde „Abend am See“ zum Schätzpreis von 220.000 bis 280.000 Euro zum Aufruf kommt. Das verwunschen anmutende Bild malte sie ein Jahr nach der Trennung von Wassily Kandinsky.
Zwei exemplarische Gemälde stehen für die gesellschaftskritische Seite der Kunst um 1920: Walter Grammattés expressives Porträt „Die große Angst“, das auf 60.000 bis 80.000 Euro angesetzt ist, und Frans Masereels „Arbeiterinnen“, die zwischen Futurismus und Neuer Sachlichkeit angesiedelt sind und 14.000 bis 18.000 Euro kosten sollen.
Seit Jahren ganz oben in der Sammler-Gunst stehen die farblich delikaten Aquarelle von Emil Nolde. Mit 120.000 bis 150.000 Euro ist die um 1920/25 entstandene „Marschlandschaft um Utenwarf“ mit ihrem gewaltig-bewegten Himmel das höchst dotierte Blatt unter den drei angebotenen Nolde-Aquarellen.
Insgesamt hält Ketterer in diesem Frühjahr ein solides, mit einigen "Sahnehäubchen" gekröntes Angebot bereit, das Gros zu Schätzpreisen deutlich unter 50.000 Euro.
Auktion „Moderne Kunst“ und „Nach 1945/Zeitgenössische Kunst“ am 9. Juni
Vorbesichtigung in Berlin (ausgewählte Werke) vom 26. Mai bis 2. Juni, in München (alle Werke) vom 3. bis 8. Juni





