Kunstmarkt: Banksys Preise steigen nach der Schredder-Aktion
London. Das Bild „Mädchen mit Ballon“ war das letzte in Sotheby’s prestigeträchtiger Abendauktion am vergangenen Freitag: Ein Werk von Banksy, versehen mit einem ungewöhnlich fetten Rahmen. Die Gebote, die übers Telefon eingingen, überschlugen sich, bis zum Preis von 1,04 Millionen Pfund.
Als die meisten Anwesenden sich dann anschickten zu gehen, geschah das Unglaubliche. Vielleicht hätte es gar keiner gemerkt – wäre da nicht der Alarm gewesen. Er ging los, nachdem der Hammer gefallen war, und plötzlich hing das Mädchen halb geschreddert aus dem Rahmen heraus. Sicherheitspersonal stoppten einen Mann, der sofort den Raum verließ und vermutlich den Fernzünder betätigt hatte.
Das alles ging rasend schnell, und während sich die meisten Gäste noch die Brille zurechtrückten, laut lachten oder einfach ungläubig um sich blickten, hoben Mitarbeiter des Versteigerungshauses schon das beschädigte Kunstwerk von der Wand und trugen es rasch aus dem Saal. Zurück blieb eine mit Spots beleuchtete Leerstelle.
In einer verspäteten Pressekonferenz nach der Auktion verkündete Alex Branczik, Leiter der Abteilung für zeitgenössische Kunst in Europa bei Sotheby’s, dann nur knapp: „Banksy suchte uns heim“. Er beteuerte, dass das Haus nichts von dem Schredder im Rahmen gewusst habe, der im Raum aktiviert wurde und das Bild halb zerstörte.
Branchenkenner halten das aber für unwahrscheinlich, denn jedes eingelieferte Werk wird für die Katalogangaben genau untersucht. Und der Käufer, der knapp 1,2 Millionen Euro für das „Mädchen mit Ballon“ bot? Sotheby’s sei mit ihm Kontakt, hieß es, er sei – wen wundert es? – von den Ereignissen überrascht worden.
Aber was macht man nun mit einer solchen Geschichte? Die hatte der der berühmt-berüchtigte Graffitikünstler, dessen wahre Identität nicht bekannt ist, ja via Instagram dazu geliefert: dass er von langer Hand geplant hatte, sein eigenes Werk zu zerstören, falls es in eine Auktion zum Verkauf käme; dass er vorrausschauend einen Mechanismus installiert, der angeblich auch noch nach zwölf per Batterie funktioniert?
Seit Samstag spekuliert die Kunstszene über die Glaubwürdigkeit des Künstlers, des Auktionshauses und eine mögliche Komplizenschaft. Vor allem aber auch gibt es Spekulationen über den neuen Wert der Arbeit.
Geradezu bizarre Ausmaße nimmt die Geschichte an, wenn man der Boulevardpresse wie der Daily Mail glaubt, nach deren Angaben der Besitzer eines Banksy-Druckes mit dem gleichen Motiv dieses mit einem Messer in Streifen geschnitten hatte, um es nun teurer zu verkaufen. So aber funktioniert selbst ein inflationärer Kunstmarkt nicht – der übereifrige Besitzer hat einfach nur einen Wertgegenstand vernichtet.
Ist es noch dasselbe Kunstwerk?
Der springende Punkt ist die Authentizität des Werkes. Wer auch immer der Einlieferer war – vielleicht doch Banksy selbst? –, klar ist: Sotheby’s verkaufte eine Arbeit, die sich im Prozess des Verkaufs veränderte und somit ihren Status wechselte.
Ist es noch die gleiche Arbeit? Spielt es eine Rolle, dass der Künstler selbst die Zerstörung der Arbeit lenkte, vor allem, nachdem sie ja in angebotener Form schon lange Jahre existierte? Wird der Käufer die Arbeit überhaupt noch kaufen wollen oder können?
Diese juristischen Fragen beschäftigen das Auktionshaus derzeit immer noch. Die Verhandlungen mit dem Käufer und wohl auch mit dem Einlieferer finden – wie immer – hinter fest verschlossenen Türen statt. Insofern ist auch die Spekulation, ob das Werk nun jetzt noch mehr Wert habe, rein hypothetisch.
Der Revoluzzer Banksy ist auch nicht unbedingt jener so klassenkämpferische Guerilla-Künstler, als der er sich geriert – oder wie es vielleicht manch einer gerne hätte, dem die Idee gefällt, dass der Spitze des Kunstmarktes ein Streich gespielt wird. Wollte Banksy wirklich seine Werke zerstören, sobald sie auf Auktionen angeboten werden, hätte er viele Rahmen zu präparieren.
Eine Recherche bei Artnet zeigt, dass allein in diesem Jahr schon 26 Arbeiten von Banksy versteigert wurden, nicht wenige davon in London und bei Abendauktionen. Die meisten verkauften sich sehr gut, die Preise steigen stetig. So sieht man auch schnell, dass die Produktion des oftmals anonym und illegal agierenden Streetart-Künstlers auch Gemälde und Drucke miteinschließt, und das schon seit vielen Jahren.
Hat Banksy also nicht vor allem erfolgreich Werbung in eigener Sache gemacht? Hat er nicht vielmehr seinen Namen und seine Marke als Künstler ins öffentliche Bewusstsein gerückt, als den Markt angegriffen?

Den Besitzern von Banksy-Arbeiten kann der Hype ebenfalls nur recht sein. Die Tagesauktion von Sotheby’s am 6. Oktober zeigt eines klar: wie erfolgreich die Schredder-Aktion für Sammler ist. Alle drei Banksy-Arbeiten verkauften sich dort um ein Vielfaches der Schätzung. „Untitled (Rat and Sword)“, ein Bild, das schon mehrfach glücklos im Handel war, stieg von 50.000 bis 70.000 Pfund auf 286.000 Pfund. Und da wurde gar nichts zerschreddert.
Eine ausführliche Besprechung der Auktionswoche folgt in der Freitagsausgabe des Handelsblatts und auf handelsblatt.com.






