Kunstmarktgeschichte: Im Maschinenraum eines Auktionshauses

Hannover. Diskretion ist ein hohes Gut. Vor allem wenn es um privates Geld geht. Wer hat auf einer Auktion eingeliefert, wer hat gekauft? Diese Fragen bleiben meist offen. Transparent wird allein, für wie viel das angebotene Werk verkauft wurde. Dabei bleiben allerdings auch hier die Nebenabsprachen im Dunkeln.
Eine Ausstellung will nun ein wenig Licht in dieses Dunkel bringen. Sie blickt in den Maschinenraum des Hamburger Auktionshauses Hauswedell & Nolte, das 2015, nach fast 80 Jahren, seinen Geschäftsbetrieb einstellte. Die Geschäftsunterlagen stellte Ernst Nolte dem „Zentralarchiv für deutsche und internationale Kunstmarktforschung“, Zadik, angesiedelt an der Universität zu Köln, zur Verfügung. Dort läuft die Ausstellung ab Ende September bis 2025 und auf der kommenden Kunstmesse „Art Cologne“ (7. bis 10.11.2024).
Hauswedell & Nolte zählte zu den wichtigsten deutschen Auktionshäusern des 20. Jahrhunderts. An ihm kann beispielhaft analysiert werden, wie sich der Auktionshandel in Deutschland zu etablieren begann und wie sich die lokal verankerten Auktionshäuser unentbehrlich machten. Kernkompetenz waren der Expressionismus, vor allem auf Papier, aber auch auf Leinwand, und die Klassische Moderne.
Traditionell wurden die wichtigsten Sammler bei Hauswedell & Nolte vor der Auktion zu einem Abendessen eingeladen in das zu diesen Zeiten noch noblere Hamburger Hotel Atlantic. Das war allerdings nicht nur Netzwerken und kluge Kundenbindung im steifen Rahmen. Mit der Vorabendeinladung konnte sichergestellt werden, dass keiner der wichtigen Bieter durch verspätete Züge oder Staus auf den Autobahnen zu spät zur Auktion in den hohen Norden kam.
Die bieder hanseatisch genannten Abendessen, Dinner hießen diese Veranstaltungen erst sehr viel später, waren für manch einen Sammler genauso wichtig wie die Auktion. Hier wurden relevante Informationen ausgetauscht, es gab ja noch kein Internet; vielleicht wurde auch manche Falschinformation gezielt platziert, um das Bietgefecht des kommenden Tages zu befeuern.

Das Marketing für die Auktionen wurde mit Karteikarten gesteuert. Auf ihnen wurde nicht nur präzise vermerkt, wer einlieferte, wer kaufte und für welche Summe ein Werk den Besitzer wechselte. Die Karten verzeichneten Hintergrundwissen zu den Käufern und manchmal auch Anmerkungen zu ihrem Zahlungsverhalten.
Die Karteikarten und die 466 Kataloge des Auktionshauses bilden die breite Grundlage für die Kölner Ausstellung‚ die „Kunst und Kulturgüter in Zirkulation“ untersucht. Allerdings geht es nicht so weit, dass Sammler und Verkäufer genannt werden, da regieren Schwarzstift und Persönlichkeitsrechte. Das Wissen bleibt im Archiv. Es aufzudecken dürfte späteren Generationen vorbehalten bleiben. Vorerst geht es um die Mechanik im Auktionshaus, um das Dokumentieren und Verschleiern.
Die Katalogtexte zu den Losen hatten verschlüsselte Nummern, die auf die Vorbesitzenden hinwiesen, über die Einlieferungslisten lassen sich die Zahlen entschlüsseln. Insgesamt gibt es 238 dieser Einlieferungslisten. Seit 1951 fassen sie sämtliche Verkäufer zusammen, sie sind nicht auf Auktionen bezogen, weil einzelne Einlieferer ihre Werke in unterschiedlichen Auktionen anboten.
In den Auktionsprotokollen wurden dann die Ausruf- und die Zuschlagpreise notiert, die wiederum mit den Käufern, den Bieter- oder den Sitzlisten verbunden wurden. Alles handschriftlich. Insgesamt umfasst die Kundenkartei ungefähr 10.000 Namen von Einlieferern und Käufern samt Anmerkungen, welche Interessengebiete sie haben und wie sie sich an den vergangenen Auktionen jeweils beteiligt haben.
Diskrete Fotos von den Akteuren
Damit alle Mitarbeitenden ein Bild von den Kunden hatten, wurden Schnappschüsse im Saal und bei den Abendessen gemacht. Namenslisten schlüsseln die auf den Schwarz-Weiß-Fotos Abgebildeten auf, es gab ja noch kein Internet für die Recherche. Wenn dereinst alles digitalisiert zur Verfügung steht, weiterhin mit Schwärzungen von Namen, dann kann damit sehr konkret an einer Geschichte des Auktionshandels in Deutschland weitergeschrieben werden.

Die Ausstellung des Zadik setzt dabei Höhe- und Kipppunkte in der Unternehmensgeschichte geschickt in Szene. Mit Fotoauktionen etwa scheiterte das Auktionshaus, aber schon früh machte Hauswedell & Nolte mit Alter Kunst von sich reden. Ein Höhepunkt war Tilman Riemenschneiders „Lüsterweibchen“. Der mit einer weiblichen Figur geschmückte Deckenleuchter wurde mit 1,3 Millionen D-Mark zum ersten Objekt jenseits der Millionenschwelle in einer deutschen Nachkriegsauktion. Der attraktive Leuchter stammte aus der Hannoverschen Sammlung Pelikan.
Gute Ideen der Konkurrenz
Zusammenhänge werden immer wieder in knappen Sätzen illustriert. „Nach der Schließung des damaligen Marktführers, Roman Norbert Ketterers Kunstkabinett 1962 [in Stuttgart], erlangte der Auktionsbereich der modernen Kunst in nur wenigen Jahren nationale und internationale Bedeutung“, heißt es im Katalog. Von Sotheby’s übernahm Hauswedell & Nolte die Idee, bei bedeutenden Auktionen direkt aus dem Auktionssaal über Fernsehen und Lautsprecheranlage die vielen Interessierten in Nebenräumen teilhaben zu lassen.


Auch 1973 gab es so eine bedeutende Auktion, in der Expressionismus versteigert wurde. Bei Karl Schmidt-Rottluffs Ölgemälde „Blühende Bäume“ wetteiferten, das belegt die Ausstellung, der Großhändler Leonard Hutton aus New York und Roman Norbert Ketterer um das Werk. Hutton erhielt den Zuschlag für den damaligen Höchstpreis von 410.000 D-Mark. Beide, Hutton und Ketterer, saßen am Vorabend der Auktion am gleichen Tisch beim Abendessen.
„Der Weg zur Kunst. Das Hamburger Auktionshaus Hauswedell & Nolte“
25.09.2024 bis 28.09.2025 im ZADIK in Köln
sowie 07. bis 10.11.2024 als Sonderschau auf der Art Cologne in den Messehallen in Köln






