Kunstmesse in Brüssel: Antikenhändler stellen nicht mehr auf der Brafa aus

Die Brüsseler Antiquitätenmesse spricht mit ihrem großen Spektrum an Marktsegmenten ein breites Publikum an.
Brüssel. Brüssels Kunst- und Antikenmesse Brafa, Brussels Antique & Fine Art Fair, ist ein Indikator für die Veränderungen im Kunstmarkt. Es ist wohl kein Zufall, dass diese gerade in einem Land mit extremer Kolonialgeschichte offenkundig werden. Unsere Gesellschaft ist gezwungen, umzudenken und endlich den Forderungen mehrerer außereuropäischer, vor allem afrikanischer Staaten zur Provenienzforschung, Inventarisierung und Rückgabe ihres Kulturguts nachzugeben. Dass sich das auf den Tribal-Art-Markt mit hochkarätigen afrikanischen Skulpturen und Masken auswirken würde, war abzusehen.
Zusätzlich bewirkte 2022 das energische Durchgreifen internationaler Polizeieinheiten in mehreren Ländern den rückläufigen Markttrend für außereuropäische Stücke. Die Polizei beschlagnahmte in Belgien, Frankreich und Deutschland archäologische, antike Objekte, da viel in den Jahren 2011/12 in Syrien, Ägypten und dem Maghreb geraubt wurde.
Die Beauftragten des belgischen Verbraucherschutzes „Service Public Fédéral Economie“ gingen im Vorfeld der letzten Brafa-Ausgaben radikal vor: Sie fotografierten alle von den Händlern zur Messe mitgebrachten Objekte und beschlagnahmten, nach Konsultation ihrer Datenbanken, ähnlich aussehende Stücke.
Die Archäologie- und Antikenhändler beschlossen nun, nicht auf der Brafa auszustellen, da sie sich zu Unrecht als potenzielle Hehler und Geldwäscher verdächtigt fühlen. Ihre Abwesenheit bedeutet einen Verlust für den Variantenreichtum der Messe, deren Spezialität es ist, etwa 20 Marktsegmente in einem abwechslungsreichen Parcours anzubieten.
Auch Händler für afrikanische und ozeanische Kunst sind in geringerer Anzahl präsent. Sie kommen meist aus Brüssel, wie Serge Schoffel und Didier Claes. Letzterer offeriert neben einigen Skulpturen aus dem Kongo neue Schwarz-Weiß-Fotografien von Fabrice Monteiro, die er bereits für jeweils 16.000 Euro platzieren konnte.

Die Firma Brendel hat einst Blumen aus Holz und Pappmaché hergestellt, deren Blüten und Staubbeutel wissenschaftlich korrekt wiedergegeben sind.
Bei der Antiquitätenofferte ist das Meissener Porzellan der Münchener Galerie Röbbig eine Augenweide. Röbbig zeigt ein Paar Sperber mit Beute, ein Modell des Porzellan-Genies Johann Joachim Kändler von 1734. Auf seinem Stand hat er außerdem zwei weiße Porzellanlöwen des gleichen Künstlers, um 1748 in Meissen auf Bronzesockel montiert. Röbbig-Chef Alfredo Reyes betont, dass in Brüssel nicht nur die Verkäufe wichtig sind, sondern auch die Präsenz und die Chance, vielleicht etwas später doch ein Stück zu platzieren, also zu verkaufen.
Das veränderte Käufergebaren beschreibt Naïry Vrouyr, Tochter der Antwerpener Teppichhändlerfamilie Vrouyr, dem Handelsblatt: „Manche Kunden machen auf der Messe nur Fotos, schicken aber abends ein Mail mit einer fixen Bestellung.“ Denn jüngere Käufer sind an ein rascheres Tempo und Recherchen im Internet gewöhnt. Das gilt allerdings nur für Tapisserien, die unter 10.000 Euro kosten.
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Es zählt zu den Eigenheiten der Brafa, dass viele Verkäufe im Preisbereich zwischen 10.000 Euro und 30.000 Euro liegen und dass Kaufentscheidungen sich über die ganze Laufzeit der Messe erstrecken. Charakteristisch ist zudem, dass die Händler nur wenige Spitzenstücke im Millionenbereich mitbringen, anders als auf der „Tefaf“ in Holland.
Erstaussteller Samuelis Baumgarte aus Bielefeld zählt zu den Ausnahmen, da die Galerie sowohl mit Mobiles als auch mit bunten Papierarbeiten von Alexander Calder, im Dialog mit Joan Miro, auftritt. Calders Mobiles kosten zwischen 1,5 und fünf Millionen Euro.

Die beiden weißen, um 1748 in Meissen entstandenen Porzellanlöwen finden sich auf dem Stand von Röbbig.
Miros Grafik beginnt bei 4000 Euro. Für ein großes Gemälde erwartet Baumgarte 2,1 Millionen Euro. In dieser Preisklasse entdeckt man ferner auch drei überdimensionale Gänse des Designerstars François-Xavier Lalanne aus dem Jahr 1991. Der Pariser Gemäldehändler Mathias Ary Jan hat die Skulpturen auf eine naturgetreue Grasfläche gestellt. Kostenpunkt: 1,8 Millionen Euro.
Logischerweise findet die Besucherin auf der Brafa bei der Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts viele Gemälde, Zeichnungen und Skulpturen vom sogenannten zweiten Markt. Etwa von der Malergruppe Cobra. Gruppenmitglied Karel Appel ist unter anderem bei ‚Die Galerie‘ aus Frankfurt zu finden.
Von Corneille hat Patrice Trigano aus Paris ein unbetiteltes Gemälde von 1953 dabei. Häufig zu sehen sind auch Gemälde und Arbeiten auf Papier von Hans Hartung, darunter ein besonderes Bild bei der Pariser Galerie Brame & Lorenceau aus dem Jahr 1948.
Zu einer Art Nationalheiligen macht ein gutes Dutzend Galerien den in Belgien geborenen, in Frankreich lebenden Maler Pierre Alechinsky. Werke des Cobra-Mitbegründers warten in allen Größen, Farbtönungen, Techniken - und von sehr unterschiedlicher Qualität - auf die Besucher. Diese reisten bislang sehr zahlreich zur 68. Brafa in den Expo-Hallen Heysel an. Die Messe läuft bis 5. Februar.
Die zwei besten Alechinsky-Werke hängen am Stand des Brafa-Präsidenten Harold t’Kint de Roodenbeke und waren gleich verkauft. Die Samuel Vanhoegaerden Gallery aus Knokke widmet ihren gesamten großflächigen Stand dem heute 95-jährigen Künstler.
Werke von Christo, nach dessen Riesenerfolg mit der posthumen Verhüllung des Pariser Triumphbogens, sind ebenfalls an vielen Ständen zu erwerben.
Den belgischen Humor pflegen nur zwei Aussteller. Die auf Comics spezialisierte Galerie Huberty & Breyne, die in Brüssel und Paris tätig ist, konzentriert sich auf Philippe Geluck. Der Comiczeichner belehrt uns, dass Alechinsky als Kind wohl gerne Monopoly spielte. Weil Alechinsky mit dem Rand-Dekor seiner Bilder das Brett des Kinderspiels imitiert.


Die sich auf Flamen beschränkende Galerie Jamar aus Antwerpen zeigt Werke des ironischen, utopischen Bastlers Panamarenko. Er fertigte 2004 einen Fledermaus-Mann mit enormen Flügeln an und erfand eine fliegende Untertasse mit drei Metern Durchmesser aus Bronze.
Die ziemlich zäh erscheinenden, ungern kommunizierten Verkäufe erklären die Galeristen mit der Höhe der Mehrwertsteuer von 21 Prozent in Belgien. Da stellt man die Rechnung lieber zu Hause, wenn irgendwie möglich.
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