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Kunstsammler Christian Schwarm Aus Freude am Teilen

Christian Kaspar Schwarm verkörpert den neuen Sammlertyp im Zeitalter der Sharing Economy. Sein Herz hat er an zeitgenössische Kunst und Sachbücher verloren. Inhalt ist ihm wichtiger als Ästhetik. Ein Porträt.
12.11.2017 - 16:52 Uhr Kommentieren
Autoritäre Herrschaft in Polen wie in Iran im Blick. Quelle: Björn Behrens
Slavs and Tatars „Friendship of Nations: Polish Shi’ite Showbiz“

Autoritäre Herrschaft in Polen wie in Iran im Blick.

(Foto: Björn Behrens)

Hamburg Was haben Polen und Iran miteinander zu tun? Wie leicht lassen sich die Symbole und Politslogans zweier Länder aus sehr unterschiedlichen kulturellen und religiösen Sphären verknüpfen, wenn beide auf eine autoritäre Herrschaftsgeschichte zurückblicken können? Auf hohen Stoffbannern, die von Handwerkern in Iran kunstvoll bestickt wurden, vereinen sich die Motive: ein Vogel, der symbolisch auf ein mystisches Verständnis des Islams verweist, hockt auf einem Zeichen der polnischen Gewerkschaft Solidarność.

Auf einem anderen Banner ist ein kalligrafisch gestalteter Schriftzug auf Farsi zu lesen: „Allein Solidarität und Geduld“ – ein Solidarność-Slogan aus der Streikbewegung Anfang der 1980er-Jahre. Auch die Hauptfigur aus Andrzej Wajdas Epochenfilm „Mann aus Eisen“ taucht auf einem Banner auf – entfernt erinnert sie an Gewerkschaftsführer Lech Walesa. Den Kopf verbirgt sie aber nicht wie auf dem polnischen Originalfilmplakat hinter einer übergroßen Schraubmutter, sondern hinter einem schwarzen Tuch, das eine religiöse Bedeutung zu haben scheint.

Fenster zum Gesamtwerk

„Friendship of Nations: Polish Shi’ite Showbiz“ lautet der ironische Titel der aus zehn deckenhohen Bannern bestehenden Arbeit des in Berlin lebenden Künstlerduos Slavs and Tatars. Dahinter verbergen sich eine Polin und ein Iraner. Die ironische, anregende und zugleich sehr ästhetische Arbeit sorgte bereits auf der Sharjah Biennale 2011 für Diskussionen. Jetzt ziert sie als eine Art Portal die Präsentation der Sammlung des Berliner Strategieberaters Christian Kaspar Schwarm, die unter dem Titel „The vague room/Der unbestimmte Raum“ in der Bremer Weserburg zu sehen ist.

Die Ausstellung ist der vierte Teil der Reihe „Junge Sammlungen“, in der das Sammlermuseum Einblicke in bislang noch nicht bekannte Privatkollektionen gewährt. Und mit ihrem ungewöhnlichen politischen Ansatz ist die Arbeit von Slavs and Tatars so etwas wie ein Schlüssel zur ausgestellten Sammlung.

„Mir geht es um die Ideenwelt, die hinter den Kunstwerken steckt“, erklärt der 45-jährige Sammler und Mitinhaber der „Unternehmensberatung Schwarm Szmania“. „Die einzelne Arbeit, die ich erwerbe, sehe ich als Fenster zum Gesamtwerk des betreffenden Künstlers. Und sie eröffnet mir damit eine ausführliche Beschäftigung mit dem Gesamtwerk.“

„Mir geht es um die Ideenwelt, die hinter den Kunstwerken steckt.“ Quelle: Christian Kaspar Schwarm, Foto: Jana Gumprecht
Kunstsammler Christian Schwarm

„Mir geht es um die Ideenwelt, die hinter den Kunstwerken steckt.“

(Foto: Christian Kaspar Schwarm, Foto: Jana Gumprecht)

Schwarm interessiert sich für Künstler, die sich nicht im Ästhetischen erschöpfen, sondern ein markantes inhaltliches Konzept verfolgen. Dazu gehört zum Beispiel Peter Piller mit seinen Fotoserien, die auf Fundstücke aus deutschen Lokalzeitungen basieren. Das Bildmaterial aus den Zeitungen durchsiebt der Hamburger Künstler nach Themen, die wie Stereotype immer wieder auftauchen. Etwa der „erste Spatenstich“, bei dem wichtige Personen im Halbkreis mit Schaufel in der Hand um ein Loch im Boden stehen, oder Fotos von öden, ungestalteten Wiesen, die demnächst in Bauland umgewandelt werden sollen. Kein Lokalteil, der auf solche Motive verzichten könnte. Wenn man ein solches Motiv aber in sechs oder acht Variationen nebeneinander sieht, verwandelt es sich in eine Karikatur von sich selbst.

Jonathan Monks ironische Verweise mit Künstlerkollegen wie Sol Lewitt und Sigmar Polke, Fiona Banners irritierend schöne, florale Collage, die aber aus Bildern von Kampfflugzeugen zusammengesetzt ist, oder Fotos und Dokumente von Fiete Stolte, die auf einen Langzeitversuch des Berliner Künstlers verweisen, im Alltag anstelle des 24-Stunden-Tags einen 21-Stunden-Tag zu leben – einschließlich der unvermeidbaren Kollisionen mit dem Tag-Nacht-Rhythmus, Öffnungszeiten oder den Terminkalendern von Freunden und Kollegen – das ist der künstlerische Stoff, aus dem die Sammlung Schwarm ist. Rund 25 Arbeiten und Werkgruppen sind insgesamt zu sehen, erworben seit ungefähr zwölf Jahren.

Als höhere Wesen befahlen

„Meine Begeisterung für die Kunst verdanke ich Sigmar Polke“, erklärt Schwarm. „Als ich sein Bild ‚Höhere Wesen befahlen: Rechte obere Ecke schwarz malen!’ sah, merkte ich, dass es ja Kunst gibt, die mich direkt anspricht und bestimmte Dinge in mir auslöst.“

Offensichtlich zählt Schwarm zu den Leuten, die keine halben Sachen machen. Mit Verve vertiefte er sich in die zeitgenössische Kunst, nahm Kontakt zu Künstlern und Galeristen auf. Wobei das Sammeln von Kunst für ihn aber nicht zur bloßen Jagd auf Trophäen ausartet. „Ich kaufe nicht für das Depot“, sagt er. „Mir geht es um die Konfrontation mit der Kunst.“ Das glaubt man sofort, wenn man mit ihm durch die Ausstellung in Bremen läuft – seine erste überhaupt. Zu jeder Arbeit hat Schwarm viel zu erzählen, Begeisterung ist immer zu spüren. Bislang waren diese Werke nur in Schwarms Berliner Wohnung zu sehen.

Sammler als Netzwerker

Doch ein Egotrip ist das Sammeln für Schwarm auch nicht. Ganz im Gegenteil. Vor acht Jahren gründete er das Internetportal „Independent Collectors“, auf dem die Eigentümer kleiner und großer Sammlungen ihre Schätze zeigen, miteinander diskutieren und sich vernetzen können. Inzwischen hat die Seite Mitglieder in der ganzen Welt, ein Newsletter präsentiert regelmäßig Sammler- und Sammlungsporträts. Zusammen mit BMW veröffentlichen die Independent Collectors zudem einen Führer zu Privatsammlungen auf der ganzen Welt, der nun schon in vierter Auflage erschienen ist.

„Die Leidenschaft ist bei den Sammlern unterhalb der überall gefeierten Topschicht mindestens genauso groß“, erklärt Weserburg-Direktor Peter Friese. „Junge Sammler wie Christian Kaspar Schwarm bilden nicht das Marktgeschehen ab, sondern bauen unverwechselbare Sammlungen auf, die genauso gut auch als Porträt des Sammlers selbst angesehen werden können.“

Der Sammler Schwarm hat neben der Kunst übrigens noch eine weitere Leidenschaft – Sachbücher. Fast täglich, so Schwarm, würde er sich neue Bücher kaufen, die ihm neue Sichtweisen auf die Welt eröffnen würden. Seine schönsten Funde teilt er inzwischen mit allen, die seine Passion teilen möchten. „8 Books a Year“ heißt sein Projekt – wer möchte, kann für einen Festbetrag acht von Schwarm ausgewählte Sachbücher pro Jahr wie bei einem Abonnement ins Haus erhalten. Ergänzt jeweils um einen Text, in dem Schwarm begründet, warum er das betreffende Buch für lesenswert hält. Rund 100 Menschen haben inzwischen ein solches Buch-Abo.

Vielleicht steht Christian Kaspar Schwarm für einen ganz neuen Sammlertyp, der von der Sharing Economy geprägt ist – und bei dem sich die Lust am Erwerben mit der Freude am Teilen vereint.

„The Vague Space“ läuft bis 18.2.2018 in der Weserburg, Bremen. Die Internetplattform www.independent-collectors.com ist runderneuert. Der von Peter Friese herausgegebene Katalog hat 108 Seiten mit zahlreichen Abbildungen und kostet 12 Euro.

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