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Serie: Frauen im Auktionshaus – Teil 5Gudrun Ketterer: Animateurin am Auktionspult

Gudrun Ketterer hat mehr Einfluss bei Ketterer Kunst, als es auf den ersten Blick scheint. Die Ehefrau des Inhabers ist Strategin, Auktionatorin und Team-Chefin.Sabine Spindler 12.04.2023 - 11:41 Uhr Artikel anhören

Den Saal, das Internet, die Telefonbieter stets im Blick: Die Auktionatorin orchestriert das Auktionsgeschehen mit charmantem Lächeln und Professionalität.

Foto: P. Ostburg/Ketterer Kunst

München. Das Handelsblatt nannte Gudrun und Robert Ketterer vor zwei Jahren die Millionenjäger unter den deutschen Auktionatoren. Wie eine in Familienunternehmen häufige Doppelspitze sieht das Ehepaar vor Albert Oehlens großem Gemälde aus. Aber das Bild trügt.

Gudrun Ketterer ist weder Co-Geschäftsführerin noch Mitinhaberin. Doch um ihre Ideen durchzusetzen, braucht sie den Chefsessel nicht. Als moderne Managerin des umsatzstärksten Auktionshaus Deutschlands, das vergangenes Jahr vor allem mit Klassischer Moderne und Gegenwartskunst erstmals einen Bruttoumsatz von knapp über 100 Millionen Euro einfuhr, sind ihr Resultate wichtiger als ein Titel auf der Visitenkarte.

Ihre charmante Gelassenheit hat einen Grund: Sie und Firmenchef Robert Ketterer sind so etwas wie das Yin und Yang des Münchener Versteigerers Ketterer Kunst. Und der Part der blonden Schwäbin ist dabei offensichtlich. Gudrun Ketterer ist die Geerdete. Sie strahlt eine kraftvolle Ruhe aus, selbst wenn sie dicht getaktet Kunstwerk für Kunstwerk versteigert.

Vor 15 Jahren stieg sie erstmals aufs Podium, um eine Auktion durchzuführen. Das war kein geplanter Karriereschritt, sondern eher eine Notsituation. Robert Ketterer, bis dato alleiniger Protagonist im Auktionssaal, büßte an jenem Tag seine Stimme ein. Um den Rest zu schonen für die hochpreisige Suite mit ausgewählten Werken, sprang die Kunsthistorikerin bei den weniger spektakulären Losen ein.

Heute dirigiert sie souverän den Contemporary Day Sale. Keiner ahnt, wie gut sie über die bekannten Gesichter im Saal und Telefonbieter Bescheid weiß. Im Hause Ketterer ist eine gute Kundendatei mehr als ein Adressbuch. „Wir analysieren das Bieterverhalten und wissen genau, ob jemand nur bis zum Limit geht oder bis zum Äußersten“, erzählt die 56-Jährige im Gespräch mit dem Handelsblatt. Auf welcher Höhe der Zuschlag schließlich landet, hängt auch von Fingerspitzengefühl, Psychologie und schnellem Reagieren der Auktionatorin ab. Das richtige Timing des Zuschlags ist eine Kunst für sich.

Erfolgreich am Pult: Gudrun Ketterer hielt die Interessenten bei Kauflaune, als Kirchners Gemälde „Bauernwagen mit Pferd“ aus dem Jahr 1922/23 Schritt für Schritt von geschätzten 100.000 auf 587.500 Euro inkl. Aufgeld gehoben wurde.

Foto: Handelsblatt

Manche behaupten immer noch, dass Männer die besseren Auktionatoren seien – witziger, konsequenter und mit dem Tunnelblick ausgestattet. Doch wer das in den Raum stellt, hat nie die emotionslosen Versteigerungen etwa eines Müncheners wie Hugo Ruef erlebt. Knistern im Saal kann indes Gudrun Ketterer entzünden. Etwa im Dezember, als neun telefonisch zugeschaltete Bieter und auch der Saal um Alex Katz‘ Porträt „Anna“ kämpften. Auf 40.000 Euro war es taxiert. Erst bei 150.000 Euro brutto erfolgte der Zuschlag.

Brillant versteht sie die Technik des unausgesprochenen Animierens zum nächsten Schritt übrigens auch, wenn sie nicht mehr am Pult steht, sondern beim Evening Sale auf der Telefon-Bank Platz genommen hat. Kunstverkaufen hat viel mit Psychologie zu tun. Wenn Ketterers First Lady die finanzstarken Bieter aus der Schweiz oder vom Tegernsee bei den spannendsten Losen betreut, nennt man das wohl Premium-Kundenbetreuung. Ihrem Ruf als Millionenjägerin macht sie alle Ehre.

>> Lesen Sie hier: Irene Lehr – Auge für übersehene Kunst-Avantgarden

Dabei liebt Gudrun Ketterer die leisen Töne – in Bezug auf ihr Outfit und auch im Umgang mit anderen. Wie sie ihren Arbeitsplatz eingerichtet hat, ist ein Statement. Sie sitzt mittendrin im Akquise-Team am langen Tisch mit ihren Mitarbeiterinnen. Kein separates Büro, kein repräsentativer Schreibtisch. „Mein Führungsstil ist klassisch weiblich. Flache Hierarchien und kooperatives Miteinander befördern den schnellen Austausch“, sagt die Team-Chefin.

Robert Ketterer nennt seine Frau den besten Sparringspartner, den er sich vorstellen könne. Da sind wir wieder beim Yin und Yang. „Ich bin der kühlere Kopf und denke die Dinge zu Ende“, sagt Gudrun Ketterer über sich. Als Hongkong im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts zur zweitwichtigsten Kunstmarktmetropole aufstieg, dachte Robert Ketterer über eine Expansion nach Asien nach. Die aufsteigende Wirtschaftsmacht Fernost sah verlockend aus. Und in der Tat geben laut einer aktuellen Sotheby´s Studie asiatische Kunstkäufer heute pro Person mehr Geld aus als Sammler in anderen Teilen der Welt.

Robert Ketterer nennt seine Frau den besten Sparringspartner, den er sich vorstellen könne. „Ich bin der kühlere Kopf und denke die Dinge zu Ende“, sagt Gudrun Ketterer über sich.

Foto: Handelsblatt

Gudrun Ketterer hingegen plädierte dafür, an der Kernkompetenz festzuhalten und überzeugte ihren Mann von einer anderen Strategie. Seit Jahren steigt das internationale Interesse an Werken der amerikanischen Pop Art, der Minimal Art und der Abstrakten Expressionisten. Das Nein zu Asien hieß bei ihr gleichzeitig Ja zur US-Kunst. In vielen deutschen Sammlungen schlummern diese Millionen-Objekte. Starke Verkaufsobjekte sozusagen vor der Haustür.

„Das ist Kunst, die auf der ganzen Welt gefragt ist“, weiß die Kunstmarktexpertin. Sie soll Ketterer auch die finanzstarke internationale Kundschaft bringen. Mehr als eine Million Euro für die komplette Serigrafie-Serie „Andy Mouse“ von Keith Haring oder für Richard Serras Eisenskulptur „Corner Prop No. 6“ haben in den letzten Auktionen das Potential aufblitzen lassen.

Wer glaubt, dass Gudrun Ketterer der sanfte Engel ist, täuscht sich. Das bestätigt auch Rüdiger K. Weng. Der Vorstand der Weng Fine Art AG ist seit Gründung seines Unternehmens Kunde im Hause Ketterer: „Sie ist keine Kopfnickerin und kann zudem sehr bestimmend sein.“

Manches, was im Hause Ketterer auf den Weg gebracht wurde, war ihre Initiative. Als Kunsthistorikerin kannte Gudrun Ketterer neben Kirchner, Kandinsky, Otto Dix und George Grosz noch viele hervorragende, übersehene Künstler. Viele waren durch Berufsverbot unter den Nazis und durch den Zweiten Weltkrieg in Vergessenheit geraten.

Akteurin ohne Machtambition

Auktionen unter dem Titel „Seitenwege der Avantgarde“ hatten um 2010 einen Doppeleffekt. Sammler wurden bedient, die mit den gestiegenen Preisen für Kunst des frühen 20. Jahrhunderts nicht mehr mithalten konnten. Und unterbewertete Kunstwerke und Namen rückten auf dem unter Warenmangel leidenden Expressionisten- und Moderne-Markt nach.

Für Albert Birkle, Walter Gramatté oder Dorothea Maetzel-Johannsen waren diese Sonderkataloge ein Katalysator für die nächste Preisliga. Die Gemälde der Hamburger Malerin etwa erzielten ein paar Jahre später durchaus Erlöse über der 100.000-Euro-Grenze.

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Nicht ohne Grund ist Gudrun Ketterer Leiterin des Akquise-Teams. Kunden nennen sie eine geschickte Verhandlerin. Sie kann überzeugen mit Marktwissen und großem Kunstsachverstand. Nicht jedes Werk Emil Schumachers etwa ist für die Neue Nationalgalerie interessant. Genaue Klassifizierung innerhalb des Oeuvres erfordert Kennerschaft.

Im Hause Ketterer setzt man auf eine Politik der niedrigen Taxen, um die Kauflust zu wecken und so viele Interessenten wie möglich zu animieren. Kunsteigentümer mit Verkaufsabsichten missfällt diese Strategie aber ziemlich häufig.

Gudrun Ketterer hat ein schlagkräftiges Gegenargument – das sind die vielen Top-Erlöse. Die Angebote zu reizvollen Taxen unter Vertrag zu nehmen, ist ein hartes Geschäft, das Gudrun Ketterer bestens versteht. Zeichnet sich ab, dass die Mischung nicht stimmt, gefragte Positionen und Richtungen fehlen, greift sie zum Hörer und geht auf Sammler zu. Wer kein Talent zur leichten Kommunikation mit schwergewichtigen Absichten hat, ist hier fehl am Platze.

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Gelernt hat sie den Umgang mit Kunden schon, als sie noch Gudrun Schäfer hieß und im Berliner Auktionshaus Bassenge arbeitete. Gemeinsame Kundenbesuche mit dem damaligen Geschäftsführer Tilman Bassenge waren eine gute Schule.

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Der Auktionssaal war Jahrhunderte lang ein Ort männlicher Macht. Haben sich Frauen wie Gudrun Ketterer ein Stück dieser Macht erobert? „Ich habe kein Interesse an Macht“, entgegnet sie mit der Überzeugungskraft einer Frau, die ihr Selbstbewusstsein aus ihrer Kompetenz schöpft. „Meine Leidenschaft ist mein Beruf. Ich will, dass Dinge bestmöglich laufen und einen hohen Zuschlag für unsere Einlieferer realisieren“, ergänzt sie. Für das Orchestrieren einer Abendauktion stünde sie wohl sofort bereit. Weil Frauen es können, wie die Handelsblatt-Serie gezeigt hat.

Auf handelsblatt.com lesen Sie: 17.3: Überblick, 24.3.: Diandra Donecker, 31.3.: Irene Lehr, 6.4: Katrin Stoll und 14.4.: Gudrun Ketterer

Mehr: Frauen im Auktionshaus – Teil 1: Diese Frauen leiten das Geschick von Auktionshäusern

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