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Konzernumbau Streit bei der Commerzbank: Manager und Mitarbeiter klagen über politischen Einfluss

Viele Commerzbanker sind frustriert: Der Bund mische sich bei der Strategiesuche für die Zukunft der Bank zu stark ein. Eine Schlüsselrolle spielt dabei der Berater BCG.
11.12.2020 - 04:00 Uhr Kommentieren
Der Finanzinvestor Cerberus, der bereits fünf Prozent an der Bank hält, erwägt die Übernahme der Staatsbeteiligung in Höhe von 15,6 Prozent nach der Bundestagswahl. Quelle: dpa
Commerzbank-Zentrale

Der Finanzinvestor Cerberus, der bereits fünf Prozent an der Bank hält, erwägt die Übernahme der Staatsbeteiligung in Höhe von 15,6 Prozent nach der Bundestagswahl.

(Foto: dpa)

Frankfurt, Berlin Bei der Commerzbank rumort es gewaltig. Drei Vorstandsmitglieder und der Aufsichtsratschef haben im laufenden Jahr bereits hingeschmissen. Die Verabschiedung einer neuen Strategie lässt seit Monaten auf sich warten – und die Verunsicherung in der Belegschaft ist groß.

Für Frust sorgt bei vielen Mitarbeitern und Managern zudem, dass sich das Finanzministerium beim Frankfurter Geldhaus so stark einmischt wie lange nicht. „Die Sorge in der Bank ist groß, dass wir zum Spielball der Politik werden und dass am Ende die Strategie nicht mehr im Vorstand gemacht wird, sondern zu großen Teilen von Berlin aus“, sagt ein langjähriger Commerzbanker. Viele seiner Kollegen teilen diese Einschätzung.

Die Bundesregierung hat Deutschlands zweitgrößte Privatbank in der Finanzkrise gerettet und ist mit einem Anteil von 15,6 Prozent größter Aktionär. Viel Freude hatte sie mit ihrer Beteiligung in den vergangenen Jahren jedoch nicht. Der Aktienkurs der Commerzbank ist eingebrochen. Das Institut hat regelmäßig seine selbst gesteckten Ziele verfehlt. Zudem mahnte zuletzt die Finanzaufsicht eine höhere Eigenkapitalrendite und größere Sparanstrengungen an.

Die Klagen über den wachsenden staatlichen Einfluss kommen in Berlin deshalb bei vielen nicht gut an. „Ich verstehe das Katzengejammer der Commerzbank überhaupt nicht“, sagt der CDU-Finanzexperte Sepp Müller. „In der Not schreit man nach dem Staat. Wenn man ihn dann als größten Aktionär im Boot hat, muss man natürlich auch nach seinen Regeln spielen.“

Nach der staatlichen Rettung des Instituts 2008 war es der Bundesregierung viele Jahre vor allem wichtig, dass die Bank ausreichende Kapitalpuffer hat und ihren Managern nicht zu viel Geld bezahlt. Bei Strategiedebatten und der Frage, welche Eigenkapitalrendite die Bank erzielen soll, hielt sich die Politik dagegen zurück, heißt es in der Commerzbank. Unter Finanzminister Olaf Scholz (SPD) und dessen Staatssekretär Jörg Kukies habe sich dies jedoch dramatisch verändert.

„Paradigmenwechsel in Berlin“

„Der Grad der politischen Einmischung hat deutlich zugenommen“, klagt ein altgedienter Commerzbank-Manager. Ein anderer Beteiligter spricht von einem „Paradigmenwechsel in Berlin“. Das Finanzministerium übe über Berater und den Aufsichtsrat großen Druck auf das Institut aus.

Mehrere Manager, die der Commerzbank zuletzt den Rücken gekehrt haben, begründeten ihren Rückzug intern auch mit dem steigenden staatlichen Einfluss. Ein möglicher Kandidat für die Nachfolge vom Vorstandsvorsitzenden Martin Zielke hat Finanzkreisen zufolge auch deshalb frühzeitig abgewinkt, weil die Bundesregierung bei der Commerzbank aus seiner Sicht ungewohnt aktiv ist – und dabei ziemlich unberechenbar.

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Das Finanzministerium steht bei der Commerzbank grundsätzlich vor einem Dilemma. Lässt es das Institut einfach machen, setzt es sich dem Vorwurf aus, sich nicht angemessen um die Staatsbeteiligung zu kümmern. Greift es durch, gibt es Kritik an zu viel politischer Einmischung.

In der Vergangenheit hat das Ministerium wiederholt betont, es achte die Zuständigkeiten der Organe und nehme keinen Einfluss auf geschäftspolitische Entscheidungen der Commerzbank. Nichtsdestotrotz hat man in Berlin natürlich die Klagen von Bankenaufsehern und großen Anteilseignern am Kurs der Commerzbank registriert.

Um für neue Impulse zu sorgen, hat der Bund im Mai mit Jutta Dönges und Frank Czichowski bereits zwei neue Aufsichtsräte in das Kontrollgremium des Geldhauses wählen lassen. Zudem hat die Finanzagentur, die den Anteil des Bundes verwaltet, die Commerzbank von der Beratungsgesellschaft Boston Consulting Group (BCG) durchleuchten lassen.

Bis zu 17.000 Stellen in Gefahr

Das dabei entstandene Gutachten spielt mittlerweile eine Schlüsselrolle im Streit zwischen Frankfurt und Berlin. Denn die Vorschläge, die BCG zum Umbau des Instituts gemacht hat, sind zum Teil sehr radikal – und aus Sicht einiger Commerzbank-Manager schlicht nicht umsetzbar.

Dennoch verweise das Finanzministerium in Gesprächen über die künftige Ausrichtung des Instituts immer wieder auf die Ergebnisse von BCG, klagt ein Beteiligter. „Die Politik versucht mit dem Gutachten, wesentliche strategische Pflöcke einzuschlagen und dem Vorstand klare Leitplanken vorzugeben, in welche Richtung sich die Bank künftig entwickeln soll.“

Finanzstaatssekretär Kukies weist diese Darstellung zurück. „Aufgabe von BCG war es, das bisherige Geschäftsmodell der Commerzbank zu beleuchten“, sagte er dem Handelsblatt. „Es ist allein Aufgabe des Vorstands der Commerzbank, eine neue Unternehmensstrategie zu entwickeln.“ Die Commerzbank äußerte sich zu dem Thema nicht.

Das vom Staat in Auftrag gegebene Gutachten halten die Finanzagentur und das Bundesfinanzministerium unter Verschluss. Eckdaten und Auszüge daraus sind der Commerzbank jedoch bekannt. In einer Präsentation für eine Aufsichtsratssitzung im Juli, die dem Handelsblatt vorliegt, sind Details zu zwei BCG-Szenarien aufgeführt.

Der radikalste Vorschlag, der mit „Digital private bank with Mittelstandsbank“ überschrieben ist, beinhaltet den Abbau von 14.000 bis 17.000 Arbeitsplätzen. So ließe sich eine Eigenkapitalrendite von acht Prozent erzielen. Die Implementierungsrisiken bei dieser Strategie stuft die Commerzbank allerdings als „hoch“ ein.

In einem zweiten BCG-Szenario, das den Namen „radical cost reduction“ trägt, ist von einem Abbau von 10.000 bis 12.000 Stellen und einer Eigenkapitalrendite von sieben bis acht Prozent die Rede.

In der Präsentation für die Aufsichtsratssitzung sind neben den BCG-Szenarien auch Vorschläge des Beratungsunternehmens Bain sowie die Planungen des damaligen Commerzbank-Vorstands aufgeführt. Sie sehen unter anderem den Abbau von 10.000 Stellen vor. Das entspräche in etwa jedem vierten Arbeitsplatz.

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Die neue Führungsspitze der Commerzbank hat allerdings bereits klargemacht, dass sie die Umbaupläne des alten Topmanagements noch einmal kräftig überarbeiten will. Aufsichtsratschef Hans-Jörg Vetter, der im Sommer mit Rückendeckung des Bundes installiert wurde, treibt die Debatte über die künftige Ausrichtung derzeit voran.

Beschlossen werden soll die neue Strategie dann Anfang 2021, wenn der neue Vorstandschef Manfred Knof an Bord ist. Insider rechnen mit der Entscheidung auf einer für den 10. Februar angesetzten Aufsichtsratssitzung.

Pikanter Beraterwechsel

Pikant finden viele, dass sich der Aufsichtsrat der Commerzbank seit wenigen Monaten nun ebenfalls von BCG beraten lasst. Ein Schreiben von Boston Consulting an das Kontrollgremium, in dem die Berater die Pläne des scheidenden Firmenkundenvorstands Roland Boekhout scharf kritisieren, liegt dem Handelsblatt vor.

Einige Beschäftigte fürchten, dass Chefkontrolleur Vetter einen Großteil der BCG-Vorschläge durchdrücken und damit letztendlich auch die Vorstellungen des Bundes erfüllen wird. Innerhalb der Commerzbank glauben manche deshalb, dass das Institut dann nicht mehr alle Verspechen einhalten kann, zu denen es sich bei der staatlichen Rettung 2008 verpflichtet hat. Dazu zählt unter anderem die Kreditversorgung des deutschen Mittelstands.

Zudem gibt es die Sorge, dass bei zu starken Einschnitten die gesamte Bank destabilisiert werden könnte. „Es gibt die Welt der Berater und die Niederungen des Alltags. Das ist nicht immer deckungsgleich“, sagt ein Manager.

Auch viele Mitarbeiter halten nichts von den zahlreichen Umbauplänen, die derzeit kursieren. „Jeder meint, der Commerzbank Ratschläge geben und wetteifern zu müssen, ob nun 10.000, 12.000 oder 15.000 Leute abgebaut werden sollen“, klagt ein Beschäftigter. „Aber ich habe noch niemand gefunden, der eine vernünftige und umsetzbare Strategie präsentiert hat.“

Skeptische Aktionäre

Auch andere Commerzbank-Aktionäre mahnen, man könne eine Bank nicht von außen mit Gutachten steuern. Zudem sei es grundsätzlich problematisch, wenn sich die Bundesregierung zu stark einmische. Die Politik konzentriere sich schließlich nicht nur auf wirtschaftliche Fragen, sondern verfolge in aller Regel auch eine politische Agenda, die oft nicht mit den Interessen anderer Aktionäre übereinstimme.

Der FDP-Abgeordnete Frank Schäffler schätzt die Lage ähnlich ein. „Die Bundesregierung spielt sich als Unternehmer auf. Dabei ist der Staat der schlechteste Unternehmer“, sagt der Politiker. „Der Staatseinfluss auf die Commerzbank muss schnell beendet werden.“ Das Geldhaus müsse betriebswirtschaftlich sinnvoll geführt werden. „Ihr zusätzlich gesamtgesellschaftliche Aufgaben aufzudrücken wäre völlig falsch und würde die Konsolidierung weiter verzögern.“

Der Linken-Abgeordnete Fabio De Masi ist dagegen der Ansicht, dass „der Fokus auf kurzfristige Renditeziele insbesondere in einer Pandemie nicht angemessen ist“. Im Vordergrund müsse stehen, Massenpleiten von Unternehmen abzuwenden.

Aus Sicht von De Masi ist es selbstverständlich, dass der Staat Einfluss auf Banken nimmt, die er mit Steuergeldern gerettet hat. Das Beispiel Commerzbank zeigt aus seiner Sicht jedoch auch, dass der Bund bei Staatsbeteiligungen in der Coronakrise eine klare Strategie braucht. „Es reicht nicht, viel Geld in ein schwarzes Loch zu füllen.“

Mitarbeit: Kathrin Jones

Mehr: Wie es zum Eklat um Cerberus und die Commerzbank kam.

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