Untersuchungsausschuss Bafin-Vize-Chefin Roegele: „Wir wollten das Marktvertrauen schützen – und nicht Wirecard“

Die Stellvertreterin von Bafin-Chef Felix Hufeld wird die Finanzaufsicht bald verlassen.
Berlin Die stellvertretende Bafin-Chefin Elisabeth Roegele hat das Vorgehen der Finanzaufsicht im Wirecard-Skandal verteidigt. Das Verbot von Wetten auf fallende Wirecard-Kurse 2019 sei keine Parteinahme für den inzwischen insolventen Zahlungsdienstleister gewesen, sagte Roegele am Freitag vor dem Wirecard-Untersuchungsausschuss in Berlin. „Unsere damalige Intention war der Schutz des Marktvertrauens und insbesondere der Anleger – und nicht der Schutz des Unternehmens Wirecard.“
Das Leerverkaufsverbot auf Wirecard-Aktien hatten viele Investoren als staatlichen Vertrauensbeweis für den Zahlungsdienstleister gewertet. Die Bafin hatte es am 18. Februar 2019 für zwei Monate verhängt und dies „mit einer ernst zu nehmenden Bedrohung des Marktvertrauens“ begründet.
Die Behörde habe damals Anzeichen dafür gehabt, dass Leerverkäufer auf fallende Wirecard-Kurse wetteten und dabei Insiderinformationen über bevorstehende, negative Presseberichterstattungen hatten, erklärte Roegele. Ob die von den Medien erhobenen Vorwürfe gegen Wirecard wahr oder unwahr seien, spiele dabei keine Rolle.
Entscheidend für das Leerverkaufsverbot waren laut Roegele Hinweise der Strafverfolger. „Auslöser für das damalige Leerverkaufsverbot war die Information der Staatsanwaltschaft München, dass sie Anhaltspunkte habe, dass eine weitere Short-Attacke gegen Wirecard geplant sei.“ Zudem hätten die Strafverfolger in diesem Kontext Anhaltspunkte für weitere Straftaten wie Erpressung gehabt.
Die Staatsanwaltschaft hatte in einem Fax an die Bafin damals unter Berufung auf einen Anwalt von Wirecard berichtet, der Münchener Konzern werde von Mitarbeitern der Nachrichtenagentur Bloomberg erpresst. Diese hätten einen Betrag von sechs Millionen Euro gefordert und andernfalls damit gedroht, zusammen mit der „Financial Times“ in die negative Berichterstattung über Wirecard einzusteigen.
Roegele will sich nicht zu Gründen für ihr Ausscheiden äußern
Diese Vorwürfe haben sich längst als falsch herausgestellt. Damals habe die Staatsanwaltschaft München sie jedoch „als glaubwürdig eingestuft“, sagte Roegele. Ein paar Tage später habe die Staatsanwaltschaft auch gegenüber der Presse noch einmal betont, „dass sie die Hinweise als ernst zu nehmend bewertet“. Die Informationen der Staatsanwaltschaft zu überprüfen sei nicht die Aufgabe der Bafin, erklärte Roegele weiter. Zudem hätten die Informationen zu Beobachtungen der Bafin zu steigenden Leerverkaufspositionen und zu anderen Hinweisen an die Behörde gepasst.
Roegele und Bafin-Präsident Felix Hufeld hatten aufgrund der Ereignisse Ende Januar ihren vorzeitigen Rückzug verkündet. Hufeld, der am Freitag ebenfalls noch im Untersuchungsausschuss auftritt, scheidet am kommenden Mittwoch aus. Seine Nachfolge soll im Sommer Mark Branson antreten, der bisherige Chef der Schweizer Finanzaufsicht Finma.
Viele Abgeordnete kritisierten den Auftritt von Roegele scharf. „Bis heute hat Frau Roegele nicht verstanden, was echte Fehlerkultur bedeutet“, sagte der Grünen-Finanzexperte Danyal Bayaz. „Ihr Bild von Finanzmärkten und den Aufgaben einer Finanzaufsicht hinterließ einen Eindruck von Naivität und Vorurteilen.“
Finanzminister Olaf Scholz habe zu lange die schützende Hand über Roegele gehalten – „offenbar so lange, bis es nicht mehr ging“, sagte Bayaz. „Ihre Weigerung dem Untersuchungsausschuss offenzulegen, ob das Ende ihrer Amtszeit mit Wirecard zusammenhängt, spricht für sich selbst.“
Bafin will künftig besser kommunizieren
Aus Sicht von Roegele muss eine Lehre aus dem Fall Wirecard sein, dass die Finanzaufsicht künftig besser kommuniziert, dass ein Leerverkaufsverbot kein Gütesiegel für ein Unternehmen ist.
Darüber hinaus werde es nach der Verabschiedung des geplanten Gesetzes zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG) möglich sein, dass die Bafin zeitnah über Bilanzkontrollen bei Unternehmen informiert. Bei Wirecard sei dies aufgrund von Verschwiegenheitsverpflichtungen nicht gegeben gewesen.
Brisant ist das Leerverkaufsverbot auch deshalb, weil die Bundesbank damals keinen Grund zum Eingreifen sah. Sie wurde von der Bafin am 15. Februar 2019 über das geplante Leerverkaufsverbot informiert und führte anschließend verschiedene Analysen zur Wirecard-Aktie durch. Daraufhin informierte sie die Bafin, dass sie deren Einschätzungen „nicht teile und die damalige Kursentwicklung der Wirecard-Aktie keine Ausstrahlungseffekte auf andere in Deutschland börsennotierte Finanztitel hätte“.
Eine offizielle Stellungnahme der Frankfurter Kollegen holte die Bafin im Anschluss nicht ein. Roegele begründete dies damit, dass die Bundesbank lediglich eine mögliche Gefährdung der Finanzstabilität geprüft habe. Bei Wirecard sei jedoch von Anfang an klar gewesen, dass es um das Thema Marktvertrauen gehe – und dafür sei die Bundesbank nicht zuständig.
Darüber hinaus habe die Bafin damals keine Erlaubnis gehabt, das Fax der Staatsanwaltschaft München mit der Bundesbank zu teilen. Die Bundesbank habe deshalb nicht das volle Bild gehabt, „weil ich ihr nicht alle Informationen zur Verfügung stellen konnte“.

Felix Hufeld verlässt die Bafin bereits in wenigen Tagen. Sein Nachfolger wird Mark Branson.
Viele Abgeordnete überzeugt diese Erklärung nicht. Sie sind der Ansicht, die Bafin habe bewusst keine offizielle Einschätzung von der Bundesbank eingeholt, weil ihr nach dem mündlichen Austausch mit der Bank klar war, dass die Stellungnahme negativ ausfallen würde.
Roegele sagte, die Bafin habe das Leerverkaufsverbot damals trotzdem nicht im Alleingang erlassen. Da die Maßnahme auf europäischem Recht beruhte, sei eine Zustimmung der europäischen Finanzaufsicht Esma für sie essenziell gewesen. „In diesem Fall habe ich das zur Bedingung gemacht.“
Eine interne E-Mail der Bafin zeigt, dass Roegele damals durchaus Zweifel am grünen Licht der Esma hatte. „Die Formulierung der Leerverkaufsverordnung kann man so verstehen, dass Leerverkaufsverbote nur bei Unternehmen des Finanzsektors zulässig sind“, schrieb sie am 16. Februar 2019 an Hufeld und den obersten Bankenaufseher Raimund Röseler. „Zwar hat Wirecard eine Bank im Konzern, aber die börsennotierte AG ist selbst keine Bank.“ Roegele fragte deshalb bei ihren Kollegen nach, ob Wirecard als Finanzholding eingestuft ist und deshalb im Rahmen des Kreditwesengesetzes reguliert wird. Dies war jedoch nicht der Fall.
Zudem berichtete Roegele über die offenbar zähen Gespräche mit der europäischen Finanzmarktaufsicht Esma, ob diese das geplante Leerverkaufsverbot unterstützen würde. „Wir können derzeit noch nicht abschätzen, ob sich die Esma auf der Basis der aktuellen Informationen zu einer positiven Opinion durchringt.“ Am Ende unterstützte die Esma den Beschluss der Bafin dann – laut Roegele gab es dabei keine Gegenstimme.
Keine Positionierung des Finanzministeriums
Eine weitere spannende Frage beim Leerverkaufsverbot ist, ob das Finanzministerium vor der Verhängung der Maßnahme hätte intervenieren können oder sollen. Die „Grundsätze für die Ausübung der Rechts- und Fachaufsicht“ legen nahe, dass das Ministerium grundsätzlich die Möglichkeit dazu gehabt hätte. Beim Erlass von „bedeutenden Allgemeinverfügungen“ gibt es nämlich sogenannte „Erlaubnisvorbehalte“.
Auf der anderen Seite steht in den Grundsätzen auch, die Bafin nehme „ihre Aufgaben unabhängig wahr“. Das Finanzministerium vertritt deshalb die Auffassung, dass die Finanzaufsicht Einzelentscheidungen autonom trifft und die Politik dabei nicht interveniert. Dies ist Beteiligten zufolge auch seit Jahren die gelebte Praxis zwischen beiden Behörden.
Roegele betonte, die Bafin habe das Finanzministerium über das bevorstehende Leerverkaufsverbot informiert. Das Ministerium habe anschließend keinerlei Wertung vorgenommen, ob es die geplante Maßnahme gut oder schlecht finde. Eine solche Positionierung sei auch nicht üblich, sagte Roegele. Eine Intervention des Finanzministeriums bei Einzelmaßnahmen sei ihr in sechs Jahren als Exekutivdirektorin der Bafin „nicht passiert“.
Mehr: Eklat im Wirecard-Ausschuss – Opposition wirft Finanzministerium Verschleppung vor.
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Herr Müller kippte einen Eimer Flüssigkeit in das Feuer ... Ich wollte es doch löschen - aber es war Benzin im Eimer!! So ist das Handeln Frau Roegeles zu bewerten!