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Wirecard-Skandal BGH entscheidet: Zentraler Report zur Rolle von EY bleibt unter Verschluss

Der Richterspruch ist ein gutes Signal für EY – ein schlechtes für Wirecard-Anleger. FDP und Linke prüfen einen Einspruch vor dem Verfassungsgericht.
12.08.2021 Update: 13.08.2021 - 15:47 Uhr Kommentieren
„Der schmutzige Fleck wird Jahrzehnte auf EY lasten.“ Quelle: dpa
Untersuchungsausschuss zum Wirecard-Skandal

„Der schmutzige Fleck wird Jahrzehnte auf EY lasten.“

(Foto: dpa)

Frankfurt Der Bericht des Sonderermittlers des Bundestags zur Arbeit der Wirtschaftsprüfer im Wirecard-Skandal bleibt unter Verschluss. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden.

Der Ermittlungsrichter am BGH sah demnach keine Grundlage mehr für den Antrag zur Veröffentlichung des Berichts, nachdem sich der Untersuchungsausschuss Ende Juni aufgelöst hatte. Der Antrag sei damit unzulässig, heißt es in dem Beschluss vom 6. August, der dem Handelsblatt vorliegt. Aus ihm hatte zuerst die „Süddeutsche Zeitung“ zitiert.

In der Sache fällte der BGH keine Entscheidung: Der Antrag selbst sei „bereits unzulässig“, so der BGH, da der Antragsteller – der Untersuchungsausschuss – aufgrund seiner Auflösung „nicht (mehr) antragsberechtigt“ sei. „Die in der Sache aufgeworfene Frage, ob die Aufhebung des Geheimhaltungsgrades ,Geheim‘ zulässig ist, muss deshalb offen bleiben“, heißt es.

Hintergrund der Einstufung als „Geheim‘ ist die juristische Bewertung der Schutzwürdigkeit der Beweismittel, die EY in Form von Daten und Unterlagen dem Untersuchungsausschuss übergeben hatte. Auszüge aus diesen Quellen finden im Bericht des Sonderermittlers Erwähnung.

EY zufolge bedürfen sie auch in Zukunft der besonderen Geheimhaltung, unter anderem zum Schutz von Persönlichkeitsrechten und Geschäftsgeheimnissen. Im Bundestag sieht man das anders: Wirecard-Insolvenzverwalter Michael Jaffé habe EY umfassend von der Verschwiegenheitspflicht befreit, so die Argumentation der Abgeordneten.

Zentrale Erkenntnisse

Der nach dem Untergang des Dax-Konzerns im Zuge eines milliardenschweren Betrugsskandals einberufene Untersuchungsausschuss hatte als Sonderermittler Martin Wambach damit beauftragt, die Rolle der Wirtschaftsprüfer zu durchleuchten. Wambach ist Vorstand des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW), das die Richtlinien für die Arbeit der Branche in Deutschland aufstellt.

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Wambachs Urteil fiel gravierend aus. Sein Bericht besteht aus drei einzelnen Reports vom 16. und 19. April sowie 19. Mai. Der Arbeit der EY-Prüfer, die Wirecards Bilanz zehn Jahre freigezeichnet hatten, stellt er ein verheerendes Zeugnis aus. Im Bericht, der dem Handelsblatt in großen Teilen ungeschwärzt vorliegt, ist von nachlässiger Arbeit und teilweiser Pflichtverletzung die Rede. Als Beleg listet er zahlreiche Unstimmigkeiten auf.

Die Reaktionen im Untersuchungsausschuss waren entsprechend. Von „katastrophalen Prüfertätigkeiten“ sprach etwa der stellvertretende Vorsitzende Hans Michelbach (CSU). Lisa Paus von den Grünen ging sogar noch einen Schritt weiter: „Es ist erschreckend, was der Bericht des Ermittlungsbeauftragten im Fall EY alles zutage gefördert hat. Nach dem heutigen Tag ist kaum noch vorstellbar, dass die Gerichte bei EY am Ende keine grobe Fahrlässigkeit feststellen werden.“

Für die zahlreichen Schadensersatzklagen gegen EY sind die Feststellungen Wambachs höchst relevant. Doch den Anlegeranwälten liegt der Bericht bisher nicht vor, was die Verwertung seiner Ergebnisse vor Gericht erschwert. Auch die Bundestagsabgeordneten dürfen nicht aus dem Report zitieren, geschweige denn ihn weitergeben. Mit dem Beschluss des BGH bleibt er auf unbestimmte Zeit geheim.

Unmut unter Abgeordneten – Klage wird geprüft

Bei EY sorgt die Entscheidung für Erleichterung. „Der Bundesgerichtshof hat den Antrag des parlamentarischen Untersuchungsausschusses als unzulässig abgelehnt. EY Deutschland begrüßt, dass zu diesem Vorgang nun eine Entscheidung des BGH vorliegt“, erklärte ein EY-Sprecher auf Handelsblatt-Anfrage. Ansonsten äußere man sich nicht zum Fall.

Für Entrüstung sorgt der Beschluss unter Parlamentariern. „Ich halte die Urteilsbegründung für schwer nachvollziehbar“, sagte der Linken-Finanzexperte Fabio De Masi am Donnerstag dem Handelsblatt. „Das Dokument ist ein Herzstück des Untersuchungsausschusses und eingehend rechtlich geprüft. Auch EY hatte Gelegenheit für eine Stellungnahme.“ Er respektiere den BGH, sagte De Masi. „Aber auch der BGH sollte die Rechte eines Verfassungsorgans nicht ungebührlich beschneiden.“

Zufriedengeben will sich De Masi mit dem aktuellen Ausgang daher nicht: „Ich bin bereit, vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen.“

Damit steht der Linken-Politiker nicht allein. Auch FDP-Parlamentarier Florian Toncar lässt derzeit ein entsprechendes Vorgehen gegen den BGH-Beschluss prüfen, wie er auf Anfrage bestätigte.

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Wenn ein Organstreitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht eine Aussicht auf Erfolg habe, werde er diesen Schritt gehen, sagte Toncar. „Es spricht viel für die Auffassung, dass der BGH die Verwertungsmöglichkeiten der Arbeitsergebnisse des Untersuchungsausschusses nicht einschränken darf. Das Bundesverfassungsgericht müsste prüfen, ob Artikel 44 Grundgesetz ein entsprechendes Recht des Ausschusses und des einzelnen Abgeordneten beinhaltet.“

Toncar stellt klar: „Unser Interesse am Wambach-Bericht ist nicht erledigt, auch wenn die Arbeit des Untersuchungsausschusses beendet ist.“ Das BGH-Urteil stelle eine „Missinterpretation“ dar. „Wichtig ist nicht nur der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses, sondern auch dessen politische Verwertungsmöglichkeit. Es macht für mich als Abgeordneter einen großen Unterschied, ob ich über den Wambach-Bericht reden darf oder nicht“, betonte Toncar.

Der Verweis von EY auf interne Betriebsgeheimnissen sei „vorgeschoben bis abenteuerlich“: „Es kann nicht sein, dass sich der BGH der Selbsteinstufung von EY anschließt und der Bericht nun dauerhaft unter Verschluss bleibt.“

Und noch eine letzte Möglichkeit sieht Toncar, sollten die Aufklärer auf Granit stoßen. Möglich sei ein zweiter Untersuchungsausschuss in der neuen Legislaturperiode mit eng begrenztem Fokus: „Dieser sollte nicht das ganze Fass Wirecard wieder aufmachen, sondern sich gezielt die Rolle der Prüfer vornehmen. Mit EY sind wir nicht fertiggeworden.“

Nach FDP und Linken bringen nun auch die Grünen einen zweiten Untersuchungsausschuss ins Spiel. „Es bleibt kein anderer Weg“, erklärte Grünen-Finanzexpertin Lisa Paus am Freitag. „Sollte es beim Beschluss des BGH bleiben, muss ein zweiter Untersuchungsausschuss das Versagen der Wirtschaftsprüfer unter die Lupe nehmen.“ Die Geschäftsbeziehungen von EY und Wirecard müssten transparent gemacht werden. Das sei die letzte Chance für Tausende geprellte Anleger, zu einer Entschädigung zu kommen, sagte Paus.

„EY darf nicht damit durchkommen, durch Verweigerung jeder Aufklärung ihre Fehler verborgen zu halten. Die Einstufung der EY-Dokumente als Geheimsache war von Anfang an unbegründet“ und habe die Arbeit der Abgeordneten erschwert. Auch die Große Koalition trage Schuld: Sie habe durch ein schnelles Ende des Untersuchungsausschusses die politische Verantwortung für den Skandal vernebelt.

Mehr: „Es ist ein Wahnsinn ...“: Die letzten 48 Stunden von Wirecard

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