Prüfers Kolumne: Wie Socken mit Gesicht zum Gesicht der Globalisierung werden
Tillmann Prüfer ist Mitglied der Chefredaktion des „Zeit-Magazins“.
Ich habe das Unternehmen Gesichtsocken.de kennengelernt. Bei Gesichtsocken.de kann man, wie der Name vielleicht vermuten lässt, Socken mit dem eigenen Gesicht bedrucken lassen. Oder mit dem Gesicht von Freunden. Vielleicht auch von Feinden. Ich finde es eigentlich schön, dass es heute möglich ist, alles mit allem zu bedrucken. Das Konterfei kann inzwischen selbst eine Wohnzimmerlampe zieren.
Aber ich möchte mich nicht von meinem eigenen Gesicht erleuchten lassen. Doch so eine Socke, fand ich, wäre eigentlich eine ganz gute Idee. Als ich die Gesichtssocke schließlich in Händen hielt, sprang mir ein Produktionsfehler ins Auge – oder ich ihm. Mein Gesicht war teilweise von der schwarz gefärbten Fersen- sowie Zehenpartie verdeckt.
Zum Glück kann man bei Gesichtsocken.de auch reklamieren. Ich schrieb also, und eine Mitarbeiterin versprach mir Ersatz. Sie drückte sich allerdings umständlich aus: „Das Problem wurde unseren Teams mitgeteilt und wir entschuldigen uns aufrichtig für die Probleme, die Ihnen dadurch entstanden sind.“
Na ja, es ging ja nur um eine Socke. Es überraschte mich, dass nun gleich mehrere Teams mit der Problemlösung beauftragt würden. Es war mir auch etwas unangenehm, dass sich die Dame gleich so aufrichtig entschuldigen musste. Wann hatte ich das zum letzten Mal gehört?
Ich bedankte mich und wartete. Die Mitarbeiterin, „Mathilde“, meldete sich erneut: „Die Designabteilung erklärt: Während der Produktion kann die Position jeder Socke unterschiedlich sein, daher ist es unvermeidlich, dass es zu Okklusionen kommt. Entschuldigung, produzieren wir weiterhin neue Produkte?“
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Das konnte ich nun wirklich nicht beantworten. Das müssten doch die Leute aus dem Hause Gesichtsocken.de selbst wissen. Und was ist eine „Okklusion“? Im Netz stand, eine Okklusion sei eine Wetterfront, die nur durch Vereinigung einer Kaltfront mit einer Warmfront entstehe – es könne im zahnmedizinischen Sinne aber auch der Kontakt zwischen dem Ober- und dem Unterkiefer gemeint sein. Wollte Mathilde mit mir darüber reden?
Dann entdeckte ich, dass Gesichtsocken.de tatsächlich in Hongkong logiert. Wahrscheinlich war Mathilde gar nicht Mathilde, und offenbar kommunizierte sie mit einer Übersetzungssoftware mit mir. Wenn Mathilde meine Botschaften vernahm, würde sie sie durch einen Deutsch-Chinesisch-Algorithmus schicken. Und aus „Wo bleiben meine Socken?“ wird: „我的襪子呢？“ („Wǒ de wàzi ní?“).
Wahrscheinlich wird eine solcher Dialog von Kontakt zu Kontakt absurder, weil man immer seltsamere Bruchstücke hin- und herübersetzen muss. Zuletzt erfuhr ich von Mathilde: „Die Produktionsmaschine wird willkürlich abfangen Teil der Wirkung für die Produktion, und die Socken sind Wärmeübertragung Technologie, die Zehenposition und Ferse Position ist die letzte Verarbeitung, und kann nicht menschliches Eingreifen, hoffe auch, Sie können verstehen.“
Ein Glück, dachte ich da, dass wir nicht über mein Gesicht auf einer Wohnzimmerlampe verhandeln müssen. Doch, liebe Mathilde, ich verstehe nur zu gut, ich meine: „太了解了“ („Tài liǎojiěle“).
