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WeiterbildungFachkräftemangel erfordert neue Reskilling-Strategien

Digitale und klimaneutrale Transformation stellt Beschäftigte vor große Herausforderungen. Darauf können sie vorbereitet werden. Monika Schnitzer zählt Lösungen auf. 10.10.2024 - 17:00 Uhr Artikel anhören
Monika Schnitzer: Sie ist Professorin an der Ludwig-Maximilians-Universität in München und Vorsitzende des Sachverständigenrats. Foto: Skizzomat, Reuters

Wenn in den kommenden Jahren die Babyboomer in Rente gehen, verliert der Arbeitsmarkt nicht nur viele, sondern auch überdurchschnittlich gut ausgebildete Arbeitskräfte. Zu wenige kommen nach: 2,9 Millionen der jungen Erwachsenen haben keinen Berufsabschluss – ein neuer Höchststand. Schon jetzt klagt über ein Drittel der Unternehmen, dass ihnen Fach- und Arbeitskräfte fehlen.

Gleichzeitig fordern Klimawandel, digitale Transformation und Künstliche Intelligenz die Geschäftsmodelle der Unternehmen heraus und stellen die Beschäftigten vor neue Qualifikationsanforderungen. Wer zu den Gewinnern oder Verlierern der Transformation gehört, hängt davon ab, ob die Unternehmensleitungen und die Beschäftigten die richtigen Entscheidungen treffen.

>> Dieser Gastkommentar ist ein Beitrag zur großen Handelsblatt-Aktion „Zukunftsplan Deutschland“. Alle Texte finden Sie hier.

Beschäftigte verharren oft in Jobs, die sie nicht gerne ausüben und die nicht perfekt zu ihren Qualifikationen, ihren „Skills“, passen, weil sie Arbeitsplatz- und Wohlstandsverlust fürchten oder örtlich gebunden sind und vor Ort keine Alternativen haben. Die empirische Evidenz gibt ihnen recht: Bewerbungen auf Jobs mit anderen Anforderungsprofilen sind seltener erfolgreich und oft mit Gehaltseinbußen verbunden. Allerdings führt der Verbleib in solchen schlechten „Matches“ zu Frust, Stagnation und niedriger Produktivität, was wiederum Wachstum kostet.

Reskilling: Schlüssel zur Mitarbeiteranpassung

Den Beschäftigten ist auch selten bewusst, wie sich durch die Transformationen ihre Jobprofile verändern werden und in welchen anderen Tätigkeiten ihre bisherigen Fähigkeiten künftig gebraucht werden könnten. Mit der Folge, dass sie sich bei einem Arbeitsplatzwechsel wieder auf dieselben Tätigkeiten bewerben und so wieder schlechte „Matches“ eingehen. Auch die Unternehmen klagen über schlechte „Matches“. Gegenüber der OECD gab jüngst über ein Viertel der befragten deutschen Unternehmen an, dass die Mehrheit ihrer Belegschaft nicht die benötigten Qualifikationen hat.

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Wie kann die Qualität der „Matches“ verbessert werden? Zuletzt haben einige große Unternehmen Schlagzeilen gemacht, die ihren Beschäftigten hohe Abfindungen bezahlt haben, um sie loszuwerden. Ein teurer und riskanter Weg, gerade angesichts des Fachkräftemangels. Erfolgversprechender könnte es sein, das Personal in den Transformationsprozess mitzunehmen. Reskilling ist das Stichwort, und einige Unternehmen haben dafür gute Prozesse entwickelt.

Damit die Beschäftigten wissen, welche Zukunft sie im Unternehmen haben, muss die Unternehmensleitung – am besten datenbasiert – Transparenz über Tätigkeitsprofile schaffen, die die künftigen Aufgaben und die dafür nötigen Qualifikationen illustrieren. Auf dieser Basis identifizieren die Personalverantwortlichen Tätigkeiten, die künftig gefragt sind, und solche, die überflüssig werden.

Daraus werden, und das ist der entscheidende Schritt, Umschulungs- und Weiterbildungspläne für Beschäftigte mit Jobprofilen erstellt, die keine Zukunft haben, mit dem Ziel, den identifizierten Bedarf bei künftig gefragten Tätigkeiten zu decken. Am Ende ist klar, welche Beschäftigte wie gut und zu welchen Kosten für andere Tätigkeiten umgeschult werden können.

Wie die Forschung zeigt, muss Reskilling eng betreut und evaluiert werden, sonst bleibt es ein teurer Blindflug.
Monika Schnitzer
Vorsitzende des Sachverständigenrats

Diese Jobprofilanalyse wird bei vielen Unternehmen sträflich vernachlässigt. Stattdessen wird viel Geld in teure Plattformen mit standardisierten Weiterbildungsinhalten investiert. Das ist jedoch nicht zielgenau. Wie die Forschung zeigt, muss Reskilling eng betreut und evaluiert werden, sonst bleibt es ein teurer Blindflug. Weiterbildungsmaßnahmen müssen so aufgesetzt werden, dass ihre Ausbildungsziele transparent und verständlich sind.

Es versteht sich von selbst, dass sie mit den notwendigen technischen und personellen Kapazitäten ausgestattet werden müssen. Hilfreich ist auch individuelles Mentoring der Beschäftigten. Dies erhöht nicht nur die Teilnahme an den Maßnahmen, es hilft auch den Führungskräften, zielgenau auf die individuellen Weiterbildungsbedarfe zu fokussieren.

Management entscheidend für Reskilling-Erfolg

Das mittlere Management spielt beim Reskilling eine zentrale Rolle. Die direkten Vorgesetzten kennen die Fähigkeiten und Potenziale ihrer Beschäftigten am besten und sind gleichzeitig weisungsgebende Vertrauenspersonen.

Sie stehen jedoch vor einem Anreizproblem: Sie wollen jeden ihrer Beschäftigten weiterentwickeln, gehen dabei allerdings das Risiko ein, dass früher oder später die besten befördert werden und somit ihr eigenes Team geschwächt wird. Damit dies die Manager nicht davon abhält, ihre Teammitglieder zu fördern, sie also kein „Talent Hoarding“ betreiben, könnten Bonusvereinbarungen auf die erfolgreiche Weiterbildung konditionieren.

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Gleichzeitig sind Unternehmen im Wettbewerb um den Erhalt und Gewinn von Fachkräften nur erfolgreich, wenn sie den veränderten Ansprüchen der Beschäftigten Rechnung tragen. Immer mehr von ihnen, gerade die jüngeren, verbinden mit ihrer Arbeit mehr als den reinen Broterwerb.

Es geht ihnen viel mehr um das, was unter anderem vom Wirtschaftsnobelpreisträger Christopher Pissarides als „good work“ beschrieben wird: Autonomie, faire Entwicklungschancen, Flexibilität und „a sense of purpose“. Das, zusammen mit einer gut durchdachten Weiterbildungs- und Umschulungsstrategie, ist die Grundlage für viele gute „Matches“. Dazu braucht es in der Unternehmensleitung strategische Weitsicht, umsichtige Mitarbeiterführung und Bereitschaft zu neuen Konzepten.

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Die konkreten Handlungsempfehlungen:

    Pauschale Weiterbildungsangebote bringen wenig. Unternehmen brauchen Jobprofilanalysen, um künftige Tätigkeitsprofile und derzeitige Qualifikationsprofile abzugleichen und daraus individuelle Umschulungsangebote für ihre Beschäftigten zu entwickeln.„Talent Hoarding“ ist ein Problem. Das mittlere Management muss zum Beispiel mit Bonuszahlungen dazu motiviert werden, Talenten die Chance zu geben, sich aus dem angestammten Unternehmensbereich herauszuentwickeln„Purpose“ ist nicht nur ein Schlagwort. Unternehmen müssen vermeintlich weiche Faktoren wie Autonomie und Sinnhaftigkeit einer Arbeit in ihre Führungskonzepte einbeziehen.

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