Fitness: Diese Daten sind für Hobbysportler tatsächlich wichtig

Düsseldorf. Oftmals ist meine zweite Bewegung am Tag nach dem Ausstellen des Weckers der Druck auf das Display meiner Sportuhr. Der Morgenbericht wartet auf mich.
Auf Basis meines Schlafs und einiger anderer Faktoren berechnet die Uhr auf einer Skala von 1 bis 100 meine Bereitschaft zu einem Training.
Selbstredend, dass ich morgens nach dem ersten Kaffee auf der Körperfettwaage mir die Wahrheit über BMI, Gewicht, Knochengewicht oder Wasseranteil ausrichten lassen kann. Was die Uhr an Laune nicht versaut hat, erledigt dann leider allzu oft diese – selbstverständlich per WLAN mit meiner Datenbank verbundene – Körperfettwaage.
Wenn ich dann von meinem etwaigen Morgenlauf zurückkomme, kann ich mich über die App mit den Werten für den Verlauf der Herzfrequenz, die Schrittfrequenz, das vertikale Verhältnis oder die Bodenkontaktzeit beugen. Selbstverständlich auch für die Auswirkung der Einheit auf meine Bodybattery. Die profitiert selten davon. Dass ich beschwingter, mit besserer Stimmung in den Tag starte – dafür fehlt ihr der Sensor.
Bin ich auf dem Rad für einige Stunden unterwegs, gibt es natürlich alle fünf Kilometer Rundenzeiten und auf Wunsch die Auskunft Stamina, die von 100 runterzählt, wie lange ich das, was ich gerade tue, bei gleicher Anstrengung wohl durchhalte.

Mein Körper wird permanent vermessen, beobachtet, eingeschätzt, beurteilt. Aber was davon nützt mir wirklich, was habe ich als eher kontraproduktiv kennengelernt, was ignoriere ich?
Wie Daten und Wahrnehmung gemeinsam fit werden
Zu den jüngeren Ergänzungen in der Software von GPS-Sportuhren zählt die Abfrage nach der eigenen Einschätzung. Wie hart fand man das und wie fit hat man sich gefühlt. Und im Kern weist diese Abfrage auf den richtigen Weg hin, wie Hobbyathleten sich mit den gewonnenen Daten auseinandersetzen.
So wie der Kontostand direkt nach Eingang des Gehalts kaum aussagekräftig ist, ob am Ende des Monats das Konto noch im Haben liegt, können Daten beim anfänglichen Kennenlernen des Athleten auch kräftig danebenliegen. Nach vielen Jahren der Nutzung verschiedener Modelle von verschiedenen Herstellern habe ich festgestellt, dass bei paralleler Nutzung die Algorithmen deutlich voneinander abweichende Empfehlungen gegeben haben.
Was allen gemein ist: Die langfristige Tendenz stimmt überein. Wo also beginnen, wo also enden?
Herzfrequenz

Die Herzfrequenz, sei sie über Brustgurt (noch immer am genauesten) oder am Armgelenk gemessen, ist heute weiterhin eine der zuverlässigsten Angaben, um sein Training zu kontrollieren und zu steuern. Die erfolgreichen Läufe, die eine Bestzeit ergaben, oder jene, die sich im Training gut anfühlten, einte eines: ein gleichmäßig ansteigender Verlauf der Herzfrequenz, die zum Schluss nicht mehr abfällt.
Sie ist auch gut dafür, vor allem ein Rennen nicht zu schnell zu beginnen, gerade einen halben oder ganzen Marathon. Dort zu Beginn nicht zu schnell zu starten ist entscheidend für den Erfolg.
Herzfrequenzvariabilität

Diesen Wert erfassen Sportuhren, sei es von Apple über Garmin, Polar bis Suunto, nicht während der Einheiten. In der Nacht hingegen wird dieser Wert ermittelt. Grob: Das Herz schlägt gar nicht exakt wie ein Metronom, sondern durchaus unregelmäßig und je mehr es das kann, desto fitter. Am nächsten Morgen fließt er in die Einschätzung der Fitness und den Vorschlag fürs Training ein, neben der Schlafqualität (Länge und Schlafphasen).
Sehr zuverlässig konnte ich diesen Wert in den roten Bereich unterhalb des Fensters drücken, wenn ich das eine Glas Wein mehr getrunken habe und die Heimfahrt mit einem Wegebier gekrönt habe, sprich deutlich zu viel Alkohol im Spiel war. Schlechter Schlaf, schlechte Erholung, alles schlecht. Spoiler: Das merkte ich auch ganz ohne Uhr.

Aber nicht immer spüre ich so präzise, dass ich nicht ganz fit bin, und dann lässt sich zumindest ein sehr niedriger Wert nutzen, um sich zu prüfen: War es zu lang am Vorabend? Ist das leichte Halskratzen oder die laufende Nase doch schon eine heraufziehende Erkältung?
Irrig wäre jedoch die Annahme, dass eine Nacht mit schlechter Erholung und niedriger Herzfrequenzvariabilität auch heißt, dass man im Laufe des Tages nicht trainieren kann. Im Gegenteil, erst unlängst hatte ich eine herrliche, mehrstündige Radausfahrt, und ich kam gut über die Hügel, obwohl mir morgens noch am Handgelenk nahegelegt wurde, lieber gar nicht oder nur kurz und ohne Intensität zu trainieren.
Trainingsbereitschaft

Entsprechend gehe ich mit dem morgendlichen Bericht um, den mir meine Uhr erstellt und in eine Empfehlung für die Bereitschaft zu einem Training zusammenfasst. Zu viel Belastung, schlechter Schlaf, zu viel Stress – das alles kann sie bündeln und anzeigen: Erholungstag oder guter Tag zum Trainieren.
Die volle Punktzahl von 100 und laut Uhr Energie zum Ausreißen von Windrädern hatte ich selten und eigentlich immer nur dann, wenn ich, wie zuletzt, mit einer Coronainfektion flachlag. Klar, da habe ich tagelang nix gemacht außer liegen. Für die Uhr war ich erholt.
Aber oft passt das überein mit meiner Wahrnehmung. Nur passt es aber nicht immer in einen groben Trainingsplan oder besser in den Alltag.
Ich trainiere so, dass ich es unterbringe neben Arbeit, Familie, Freunde und meinen anderen Interessen. Da ist es dann wenig nützlich, wenn mir die Uhr nahelegt, ich solle just an dem Tag, an dem ich eine intensive Einheit geplant habe, die Füße hochlegen.
VO2Max

Wer sein Training strukturiert und abwechselt mit intensiven und regenerativen Einheiten, sollte über kurz oder lang Fortschritte machen. Dabei verändert sich die sogenannte Laktatschwelle. Grob gesagt: Die Grenze, bis der der Körper Sauerstoff verbrennt. Präzise: „VO2 Max ist die maximale Sauerstoffmenge (in Millilitern), die Sie pro Minute und pro Kilogramm Körpergewicht bei maximaler Leistung verbrauchen können.“
Früher wurde ins Ohr gestochen, Blut abgenommen und beim Laktattest bestimmt, wo die eigene Grenze liegt. Geht heute ohne Blutverlust mit der Sportuhr, die dann die sogenannte VO2Max ergibt. Also den Wert, mit dem man Sauerstoff verarbeitet, bis man in den anaeroben Bereich kommt.
Die Theorie ist mühselig, hat viel mit Biologie zu tun, die Uhren machen leicht zu deutende farbige Bereiche draus. Das Problem: Die unterschiedlichen Hersteller ermitteln unterschiedliche Werte. Den absoluten Wert, bei mir beim Laufen derzeit 46 (ausgezeichnet, aber nicht überragend), sollte man also mit Vorsicht genießen. Die Entwicklung hingegen beobachten.
» Lesen Sie auch: Welche Digital-Health-Trends gibt es in Asien?
Sollte bei mehr Anstrengung der Wert gar nach unten gehen – dann gilt es, die eigene Strategie zu überdenken.
Voraussage

Geradezu ekelhaft genau können hingegen heute die Voraussagen sein, welche Zeit man für eine beliebige Strecke braucht. Der so prognostizierte Wert gibt ziemlich genau die Grenze an, die ich selber für möglich halte.
Klar, kann man unterbieten, ist ein gutes Gefühl, aber eine solide Ausgangsbasis, um vielleicht einen Stadtlauf zu planen, ist nicht verkehrt. Mit dem Ergebnis eines Zehn-Kilometer-Rennens lässt sich dann wiederum bei feelrace.com zum Beispiel ermitteln, was als Marathon drin ist und wie man ihn angehen sollte.
Stamina

Als geradezu wertlos empfinde ich den bei meiner Uhr eingebauten Wert Stamina, also Durchhaltevermögen. Der sagt mir, wie lange ich die Belastung des Moments durchhalte.
Das nützt mir nur nichts, wenn der nach gut zwei Dritteln der Strecke bei null liegt, ich noch weitermuss und weiterfahre. Und gar nicht sofort einfach vom Rad falle.
Daten nutzen, nicht als Absolutes begreifen
Hobbyathleten wie ich tun gut daran zu lernen, mit der Zeit die eigene Wahrnehmung abzugleichen mit den Daten und informierte Entscheidungen zu treffen, statt sich zum Abhängigen der Zahlen zu machen.

Dafür allein gehen die Empfehlungen der verschiedenen Anbieter zu weit auseinander.
Erstpublikation: 07.06.2024, 09:34 Uhr.








