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  4. Inflation verstärkt die soziale Ungleichheit

Globale TrendsWarum die Preise für Reiche nur halb so stark steigen wie für Arme

Die globalen Preisschübe stürzen die Ärmsten in ein Dilemma: Sie leiden unter Inflation und deren Gegenmittel gleichermaßen. Das birgt sozialen Sprengstoff.Torsten Riecke 30.05.2022 - 11:24 Uhr Artikel anhören

Handelsblatt-International-Correspondent Torsten Riecke analysiert jede Woche in seiner Kolumne interessante Daten und Trends aus aller Welt. Sie erreichen ihn unter riecke@handelsblatt.com.

Foto: Klawe Rzeczy

Die Inflation ist momentan das größte Problem für die Weltwirtschaft. Ob es um die ökonomischen Folgen des Krieges in der Ukraine geht oder um die Auswirkungen der gekappten Lieferketten. Ob es um die Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaft oder um die drohende Nahrungsmittelknappheit geht. Überall ist der Preisschub die treibende Kraft der Krisen.

Leider war die Frage, wie sich die Inflation am besten bekämpfen lässt, auch das Thema, über das beim Weltwirtschaftsforum (WEF) am meisten gestritten wurde. Während 14 Prozent der vom WEF befragten Chefökonomen in den Industrieländern der Meinung sind, dass die Inflation das größere Risiko darstellt, und Zinserhöhungen befürworten, halten 27 Prozent der Volkswirte die Gefahren einer Rezession infolge einer strafferen Geldpolitik für größer.

Ein Blick auf die Krisenkarte der Welt verrät, dass sich insbesondere die ärmeren Länder in Afrika die größten Inflationssorgen machen müssen. Der Grund: Die weiterhin steigenden Nahrungsmittelpreise können dort schnell zu einer Hungerkatastrophe führen. In den USA und Europa hingegen fürchtet man eher Wohlstandsverluste als den Hungertod.

Dass Inflation die soziale Ungleichheit verstärkt, zeigt sich aber nicht nur auf globaler Ebene zwischen reichen und armen Ländern. Auch in den westlichen Industrienationen zersetzt sie den sozialen Kit, der unsere Gesellschaften zusammenhält. Für Großbritannien hat das Institute for Fiscal Studies (IFS) herausgefunden, dass die Inflationsrate auf der Insel für den ärmsten Teil der Bevölkerung mit 14 Prozent etwa doppelt so hoch ist wie für die Topverdiener.

Der Grund dafür ist offensichtlich: Ärmere Familien müssen einen größeren Teil ihres Haushaltseinkommens für Energie und Nahrungsmittel ausgeben und werden deshalb von den stark steigenden Preisen in diesen Bereichen besonders hart getroffen. Allein die Energiekosten werden sich in Großbritannien im Laufe dieses Jahres voraussichtlich verdoppeln. Auch das ist sozialer Sprengstoff. Deshalb hat der britische Finanzminister Rishi Sunak jetzt staatliche Nothilfen im Umfang von knapp 15 Milliarden Pfund auf den Weg gebracht, um die größte Not zu lindern.

In Deutschland ist die Lage zwar nicht ganz so dramatisch. Aber sie ist offenbar brenzlig genug, dass Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil (SPD) am Wochenende für 2023 ein „Klimageld“ für Bürger mit weniger als 4000 Euro monatlichem Bruttoeinkommen vorschlug. Das soll ähnlich wie in Großbritannien die Auswirkungen der steigenden Lebenshaltungskosten dämpfen und dürfte wie auf der Insel die Sparpläne des Kassenwarts, hierzulande Christian Lindner, durchkreuzen.

Zinserhöhungen sind notwendig, aber sie sind ein stumpfes Schwert

Verwandte Themen Großbritannien Inflation Christian Lindner Ukraine Europa Konjunktur

Was hat das alles nun mit dem Streit der Ökonomen über das richtige Rezept zur Bekämpfung der Inflation zu tun? Sehr viel. In Davos zeigte sich nämlich einmal mehr, dass die geplanten Zinserhöhungen der Notenbanken zwar ganz gut geeignet sind, die staatlich induzierte Übernachfrage nach der Pandemie zu bremsen. Gegen die wichtigsten Ursachen der Inflation, hohe Energie- und Nahrungsmittelkosten sowie gestörte Lieferketten, helfen Zinserhöhungen jedoch überhaupt nicht.

Im Gegenteil, sie bremsen Wachstum und Beschäftigung, was wiederum die Ärmsten der Welt am stärksten trifft. Hohe Inflationsraten oder hohe Zinsen – beides verstärkt die soziale Ungleichheit. Es ist deshalb richtig, wenn der Staat die härtesten Folgen dieses Dilemmas mildert.

Mehr: Krieg, Inflation, Wachstumseinbruch – So retten Sie jetzt Ihr Geld.

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