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Kolumne „Out of the box“Kapitalismus im Endstadium

Früher stand Technologie für Fortschritt und Teilhabe. Heute ist die Zukunft zum privaten Sicherheitsprojekt der Reichen geworden. Frank Dopheide zeigt, wie wir sie zurückholen. 28.10.2025 - 17:44 Uhr Artikel anhören
Frank Dopheide ist Gründer und Geschäftsführer der Unternehmensberatung human unlimited, die sich auf das Thema „Purpose“ spezialisiert hat. Zuvor war er unter anderem Sprecher der Geschäftsführung der Handelsblatt Media Group und Chairman von GREY Worldwide. Foto: Klawe Rzezcy, Getty Images

„Je reicher jemand wird, desto weniger glaubt er an die Zukunft“, sagt Douglas Rushkoff, Professor für digitale Wirtschaft in New York, in seinem neuen Buch „Survival of the Richest“. Der Vordenker hat unsere Vorstellung von der Zukunft und Begriffe wie „viral gehen“ und „Digital Natives“ geformt. Nun beschreibt er einen massiven „Mindshift“ der Tech-Milliardäre.

Einst brachten Unternehmensgründer und -lenker menschliche Bedürfnisse und technologische Möglichkeiten zusammen und schufen so Fortschritt, große Unternehmen und große Vermögen.

Es war eine verheißungsvolle Zeit, als das Internet und die heute wertvollsten Konzerne des Planeten das Licht der Welt erblickten. Eine neue Ära, um den Einzelnen und die Menschheit zu ermächtigen. Das Internet als direkter Draht zu Märkten und Möglichkeiten und dem gesammelten Wissen der Menschheit – frei zugänglich für jedermann.

Eine weltumspannende Maschine, um die menschliche Intelligenz und Kreativität zu entfesseln. Das Silicon Valley machte sich ans Werk, um die Welt besser zu machen. „Think different“ und „Don’t do evil“ waren Versprechen, die Millionen Menschen und Milliarden Dollar bewegten. Es ging um die Zukunft und um alle.

Doch die Logik der Finanzmärkte erstickte die romantischen Vorstellungen im Keim. Mit dem großen Geld kamen nicht die großen Möglichkeiten, sondern die großen Profite. Statt Menschen zu beflügeln, begann die Technologie, Menschen zu tracken, um ihr Verhalten berechen- und monetarisierbar zu machen. Einer Art Zeckenindustrie, die menschliche Aufmerksamkeit und Daten absaugt und meistbietend weiterverkauft. Die Zukunft mutierte zum Geschäftsmodell.

» Lesen Sie auch: Wie kontrolliert man die Zukunft?

Nun wendet sich die Tech-Elite vom Menschen ab. Der Mensch ist kostspielig, kompliziert und unkalkulierbar. Ihn zu ersetzen, verspricht große Profitsprünge. Kapitalismus next level. Der Kunde ist schon längst nicht mehr König, sondern nur noch User. Eine Art Übergangstechnologie, auf dem Weg zum Bot und in die Singularität – die neue Zeitrechnung, in der die Maschinen überlegen sind. Silicon-Valley-Ikone Ray Kurzweil schrieb schon vor 20 Jahren das passende Buch über diese nächste Stufe der Evolution: die Mensch-Technologie-Verschmelzung. Willkommen im Zeitalter des Transhumanismus.

So ist das Ziel der Tech-Milliardäre nicht mehr, die Realität zu verbessern, sondern ihr zu entkommen, sagt Rushkoff. Silicon Valley ist nicht länger auf Weltrettung programmiert, sondern auf der Flucht. Rette sich, wer es sich finanziell leisten kann. Das fängt schon in den eigenen vier Wänden an. Statt Smart Home ist heute Survival Architecture angesagt, um für den Weltuntergang gerüstet zu sein. Der Doomsday-Bunker als Signature Piece. Sicher ist sicher. Fragen Sie Mark Zuckerberg.

Die Technologie wird zur Rettungskapsel in neue Welten: Metaverse, Marskolonie oder Kryonik (das Einfrieren nach dem Tod). Entstanden aus der Überzeugung, dass man mit unendlichen Mengen an Geld, Daten und Serverkapazitäten selbst Naturgesetze aushebeln kann – inklusive Schwerkraft, Klimawandel und den eigenen Tod.

Die Zukunft ist kein Planet, auf den man flieht. Sie ist ein Ort, den wir erschaffen.
Frank Dopheide

Doch was passiert mit der Zukunft, wenn selbst die reichsten und wirkmächtigsten Menschen den Glauben an sie verloren haben? Wenn sich eine Wirtschaftselite aus der Welt ausloggt, statt sie zu gestalten? Der Tech-Milliardär flieht auf den Mars, der deutsche Topmanager in die Quartalszahlen. Selbst Gründer starten ihr Unternehmen heute gern mit einem Exit-Plan. Wer denkt heute noch in Generationen? Allerdings kann mit keiner Dividende der Welt eine verlorene Zukunft zurückgekauft werden. Aber anders als die Schwerkraft ist der Kapitalismus keine Naturgewalt, die in alle Ewigkeit wirkt.

Wir sollten dem amerikanischen Narrativ nicht auf den Leim gehen. Die Zukunft ist kein Planet, auf den man flieht. Sie ist ein Ort, den wir erschaffen. „Nach mir die Sintflut“ ist kein Rettungsplan, nicht einmal für die Flüchtigen. Kein Ort auf der Erde ist so tot wie der Mars: minus 70 Grad, kein Sauerstoff, kein Wasser, kein Grün, aber jede Menge tödlicher Sonneneinstrahlung.

Zum Wesen der Zukunft gehört es, dass sie noch nicht geschrieben ist. Wir wissen, was zu tun ist, und haben die Technologie dazu. Es braucht keine Innovation, die Rendite steigert, sondern Türen öffnet. Denken wir die Zukunft nicht ohne den Menschen. Der Mensch ist kein Systemfehler, sondern ein besonderes Wesen.

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Wenn ein Sturm aufzieht, gehören Kapitän, Crew und alle Mann an Deck, nicht in den Fluchtwagen. Und bündeln wir unsere Kräfte. Die Initiative „Made for Germany“ mit über 100 Unternehmen und 800 Milliarden Euro Investitionen ist ein guter Start. Die Zukunft wird es uns danken.

Mehr: Wie viel Freude muss Künstliche Intelligenz machen?

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