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Prüfers KolumneWie Händler mit den Preisen unser Gehirn austricksen

Die Wirtschaft wirbt längst nicht mehr mit dem besten Preis, sondern mit dem besten Gefühl. Oder mit dem Gefühl, dass man sowieso nichts mehr versteht.Tillmann Prüfer 05.07.2025 - 10:10 Uhr
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Der Autor ist Mitglied der Chefredaktion des „Zeit-Magazins“. Foto: Handelsblatt

Oscar Wilde hat einmal behauptet: „Heute kennt man von allem den Preis, von nichts den Wert.“ Das würde er heute wohl nicht mehr sagen – jedenfalls nicht nach einem Supermarktbesuch. Wer dort wissen will, was der Kaffee kostet, kann Folgendes lesen: „4,44 Euro!“ schreit es von einem Plakat. „Vorher 6,99!“ – 36 Prozent Ersparnis also. Allerdings steht da noch eine Fußnote: „Bisheriger 30-Tage-Bestpreis, außer: Jacobs Krönung 4,44.“

Kaffee hat also nicht nur einen Preis, sondern auch einen 30-Tage-Bestpreis.

Übersetzt: In den letzten 30 Tagen war der Kaffee nicht billiger – außer, er war es doch. Oder genauer: Der Preis wurde einmal erhöht, um ihn dann wieder zu senken. Was als spektakuläre Preissenkung verkauft wird.

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„Schaukelpreis“ nennt sich das im Juristendeutsch. So ein Angebot wird nun vor dem Bundesgerichtshof verhandelt. Denn genau solche Preistricks wollte der Gesetzgeber verhindern. Sie spielen mit unserer Wahrnehmung – ein kleiner Taschenspielertrick auf Kosten jener Hirnregion, die uns in der Steinzeit das Überleben sicherte: Wer zögert, verliert. Deshalb greifen wir zu – wie einst bei der Kaninchenjagd.

Die EU wollte dem Ganzen einen Riegel vorschieben

Die EU wollte solchen Reflexen einen Riegel vorschieben. Seit Kurzem muss bei Rabatten auch der niedrigste Preis der letzten 30 Tage angegeben werden. Was passiert? Die Händler schreiben ihn hin – ganz unten, winzig klein, in einer Sprache, die niemand versteht. Wenn man ihn überhaupt findet.

Man kann darüber lachen. Oder sich fragen, warum es ein ganzes Rechtssystem braucht, um zu klären, ob 36 Prozent Ersparnis überhaupt eine sind. Der Anwalt des Discounters sagte, der Text sei eindeutig – nämlich eindeutig nicht eindeutig. Und wer je versucht hat, in einer App die Kündigungsfrist seines Handyvertrags zu finden, wird ihm recht geben: Moderner Konsum ist ein Wald aus Klauseln, Algorithmen und Kleingedrucktem. Der Verbraucher irrt darin umher wie ein Reh im Scheinwerferlicht.

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Vielleicht spricht der BGH im Herbst ein Machtwort. Am Prinzip ändert das nichts. Die Wirtschaft wirbt längst nicht mehr mit dem besten Preis, sondern mit dem besten Gefühl. Oder mit dem Gefühl, dass man sowieso nichts mehr versteht.

Also scrollen wir durch Portale, vergleichen, rechnen – und haben am Ende trotzdem keine Ahnung. Vielleicht lässt man das mit dem Kaffee einfach. Und bestellt sich einen Chestnut Oat Flat White. Der wird wenigstens zuverlässig immer teurer.

Mehr: Was Arbeitsträume über unsere Psyche verraten

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