Reichtum: Das sind vier Milliardäre, die kaum einer kennt

In unserer öffentlichen Wahrnehmung existiert eine Art Pantheon der Superreichen: Musk, Bezos, Arnault, Gates. Ihre Namen sind globaler Besitzstand, ihre Sichtbarkeit Teil der Popkultur. Doch abseits dieser grellen Bühnen gibt es Tausende anderer Milliardäre auf anderen Kontinenten. Sie sind bei uns weitgehend unbekannt, obwohl sie in ihren Heimatländern die wirtschaftlichen, technologischen und sozialen Strukturen prägen.
Diese übersehenen Protagonisten können uns dennoch Denkanstöße für die eigene Zukunft geben. Daher macht es Sinn, sie sich immer mal wieder anzuschauen.
Einer von ihnen ist Shiv Nadar, Gründer des IT-Konzerns HCL Technologies. Kaum ein Name Indiens ist so einflussreich und gleichzeitig außerhalb so wenig bekannt. Nadar baute seit den 1970er-Jahren eines der größten Technologieunternehmen auf. Es zählt zu den zentralen digitalen Dienstleistern der globalen Wirtschaft. Sein Vermögen wird auf 33 Milliarden US-Dollar geschätzt.
Nadar genießt in Indien höchstes Ansehen und ist ein Vorbild für Unternehmertum, Innovation und Philanthropie. Er investiert Milliarden in Bildung, Universitäten, Stiftungen. Er schuf ein ganzes IT-Ökosystem, das Indiens Übergang zur Wissensgesellschaft nachhaltig stärkt. Nadar ist eine wegweisende Persönlichkeit in jenem Indien, das eine Weltmacht der Zukunft sein wird.
Widersprüchlich ist das Profil von André Esteves aus Brasilien. Der Gründer der Investmentbank BTG Pactual gehört zu den einflussreichsten Finanzakteuren Lateinamerikas. Er gilt als Inkubator für hochqualifizierte Finanzexperten und hat die Modernisierung des brasilianischen Kapitalmarkts vorangetrieben.
2015 wurde er vorübergehend festgenommen und wegen mutmaßlicher Justizbehinderung angeklagt. 2018 wurde Esteves von einem brasilianischen Bundesgericht rechtskräftig freigesprochen; die Vorwürfe wurden mangels Beweisen fallengelassen. Danach gelang ihm die Rückkehr an die Spitze seines eigenen Instituts.
Heute steuert er Kapitalströme in Infrastruktur, erneuerbare Energien, Digitalisierung und prägt damit die wirtschaftliche Entwicklung in einem Land, das strukturell fragil ist. Esteves verkörpert die ambivalente Realität vieler Tycoons in Schwellenländern. Sein Vermögen wird auf 13 Milliarden US-Dollar geschätzt.
Ein anderes Beispiel jenseits des westlichen Scheinwerferlichts ist Yousef Al-Benyan, ehemaliger CEO des saudischen Chemiekonzerns SABIC und heute Bildungsminister seines Landes. Unter seiner Führung entwickelte sich SABIC zu einem der wichtigsten globalen Player im Bereich synthetischer Materialien, Recycling und Industriechemie. Er steht für eine Eliteformation, die nicht nur auf disruptive Technologien setzt, sondern auf industrielle Modernisierung und staatliche Entwicklungspolitik.

Al-Benyan ist eine Schlüsselfigur für die Umsetzung der „Saudi Vision 2030“. Persönliche Vorwürfe gegen ihn sind nicht bekannt. Er erscheint auch nicht auf einer Milliardärsliste, aber sein Wirkungskreis rangiert auf diesem Niveau. Es geht um die Transformation Saudi-Arabiens vom Ölstaat zur diversifizierten Zukunftswirtschaft.
Das letzte Beispiel ist der nigerianische Milliardär Mike Adenuga mit einem geschätzten Vermögen von 6,3 Milliarden US-Dollar. Er gilt als eine der einflussreichsten Persönlichkeiten Afrikas. Adenuga baute mit Globacom eines der wichtigsten Telekomnetze Westafrikas auf und brachte digitale Infrastruktur in Regionen, die zuvor isoliert waren. Gleichzeitig ist er Gründer von Conoil Producing, einem der größten Ölförderunternehmen in Nigeria.
In seinem Land hat er den Rang eines Selfmade-Stars und eines vorbildlichen Patrioten. Dennoch war sein Unternehmen mehrfach Gegenstand staatlicher Verfahren. Unter anderem gibt es Ermittlungen der nigerianischen Anti-Korruptions-Behörde EFCC sowie weitere Delikte. Es gibt keine rechtskräftige Verurteilung. Adenuga ist dennoch ein Beispiel für Pionierkraft, den Willen zum Wandel und eine unternehmerische Power, die in schwierigen politischen und regulatorischen Kontexten operiert.
Diese vier Beispiele stehen für unterschiedliche Formen machtvoller Gestaltung. Sie zeigen, dass Vermögen durch eine unerschütterliche Fokussierung auf Tatkraft aufgebaut wird, und die Bereitschaft zur systemischen Adaption erfordert. Die Kontroversen um Esteves und Adenuga mahnen gleichzeitig, dass Erfolg nur dann nachhaltig ist, wenn er auf einer Basis von Compliance und ethischer Integrität steht.


Thomas Druyen ist Professor für Soziologie. An der Sigmund-Freud-Privatuniversität Wien leitet er das Institut für Vergleichende Vermögenskultur und Vermögenspsychologie sowie das Institut für Zukunftspsychologie und Zukunftsmanagement. Er schreibt an dieser Stelle alle 14 Tage die Kolumne „Der Vermögenspsychologe“.
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Erstpublikation: 05.12.2025, 04:00 Uhr.








