Analyse Vier Gründe, warum die Kurse chinesischer Aktien unter Druck bleiben dürften

Das Jahr des Büffels startete schlecht: Chinas Börsenindizes sanken im ersten Quartal.
Der milliardenschwere Fall von Archegos Capital in den USA hat gezeigt, dass man mit Wetten auf chinesische Aktien ziemlich viel Geld verlieren kann. Und selbst wer nicht auf Differenzkontrakte gesetzt hat, merkt: Die Zeit der schnellen Kursgewinne in China ist im Moment vorbei.
Vor ziemlich genau einem Jahr begann die Kursexplosion, vor allem bei den chinesischen Technologiewerten. Schon 2019 war kein schlechtes Jahr für chinesische Aktien.
Aber seit dem Frühjahr 2020, als die Welt in die Coronakrise rutschte und China sich bereits wieder in die neue Normalität vorgekämpft hatte, ist ihr Wert noch einmal enorm gestiegen.
Der Hang Seng Tech Index mit 30 Werten hatte Ende März 2020 in der Spitze bis Mitte Februar um 250 Prozent zugelegt, der CSI 300 aus Bluechip-Werten in Schanghai und Shenzhen immerhin um knapp 150 Prozent. Dann kam Mitte Februar die Wende – die Kurse sanken.
Viel spräche eigentlich für weiter steigende Bewertungen: Chinas Wirtschaftsleistung soll im laufenden Jahr um gut acht Prozent zulegen, sagt der Internationale Währungsfonds voraus. Die technologische Aufholjagd mit staatlicher Unterstützung geht weiter.
Und dennoch sieht es so aus, als ob das noch junge chinesische Jahr des Büffels kein gutes an Chinas Börsen werden könnte. Der CSI 300 Index ist in den ersten drei Monaten dieses Jahres um mehr als drei Prozent gefallen. In einem Quartal, in dem der Dax um mehr als neun, die Nasdaq um mehr als 15 Prozent zugelegt haben und sich auch die anderen Schwellenländerbörsen im Schnitt besser schlugen. Es ist eine kleine Zeitenwende.
Vier Gründe sind für die neue Skepsis verantwortlich: eine schärfere Regulierung für chinesische Unternehmen in den USA, eine schärfere Regulierung der Techfirmen in China selbst, hohe Bewertungen chinesischer Aktien und eine zurückhaltendere Geldpolitik auf dem Heimatmarkt. Von diesen vier Gründen dürfte trotz Erholung in den vergangenen Tagen keiner kurzfristig nicht mehr zutreffen.
Grund 1: Die Verbannung von den US-Börsen droht
Nach dem Antritt von US-Präsident Joe Biden im Januar und nach dem ersten Zusammentreffen der Außenminister Chinas und der USA im März zeichnet sich keine Annäherung im Verhältnis beider Länder ab. Das Decoupling geht weiter - und dazu gehört spätestens nach den Kursverlusten des chinesischen Kaffeehausbetreibers Luckin Coffee auch das finanzielle Decoupling: Chinesischen Unternehmen, die US-Bilanzierungsmethoden nicht anwenden, droht der Rauswurf an den US-Börsen.
Diese Drohung belastet die Kurse der in den USA notierten mehr als 200 chinesischen Firmen. Darunter ist das Who's who chinesischer Techkonzerne: Von den Onlinehändlern Alibaba und JD.com über das Internetunternehmen Tencent bis zum Suchmaschinenbetreiber Baidu. In Vorbereitung auf die zunehmenden Probleme in den USA haben sich viele der Firmen bereits für eine Zweitnotierung in Hongkong entschieden.
Grund 2: Die Regulierer zu Hause setzen die Tech-Firmen unter Druck
Bei den chinesischen Tech-Unternehmen sorgt der zunehmende regulatorische Druck zu Hause für weitere Verunsicherung. Fünf Monate ist es her, dass die chinesischen Aufsichtsbehörden den Börsengang der Onlinefinanzfirma Ant verhinderten, weil sie Regulierungsprobleme sahen.
Seither sind Wettbewerbs- und Meldeverstöße bei Übernahmen Dauerthemen bei den Tech-Unternehmen, die sich lange Zeit großer Freiheiten erfreuten. Spannend wird sein, ob sich diese Unsicherheiten auf die erwarteten Börsengänge aus China auswirken werden, etwa die des Fahrdienstleisters Didi Chuxing und von Megvii, einem Entwickler Künstlicher Intelligenz.
Grund 3: Die bekannten Werte sind längst keine Schnäppchen mehr
Die lange Zeit des Kursanstiegs hat zudem dafür gesorgt, dass chinesische Aktien nicht mehr die günstige Risikobeimischung fürs Portfolio sind, die sie einmal waren. Beispiel Kweichou Moutai: Der Schnapsproduzent ist der größte Einzelwert im CSI 300 und bei ausländischen Investoren beliebt.
Mittlerweile aber liegt das Kurs-Gewinn-Verhältnis bei über 50 und damit deutlich höher als bei manch ausländischem Konkurrenten. Auch Alibaba und Tencent sind als bekannte Anlageziele für ausländische Investoren nicht billig. Und so schichten erste Investoren um – in Bankentitel, in kleinere Wachstumstitel oder auch in Firmen, die im neuen Fünfjahresplan der Regierung als strategisch erwähnt sind, etwa Produzenten erneuerbarer Energien oder den Halbleiterhersteller SMCI.
Grund 4: China hält den Geldhahn nicht so weit offen wie die USA
Nicht zuletzt verunsichert Investoren, dass die Fed in den USA trotz der bevorstehenden drastischen Wirtschaftserholung dort die Geldpolitik ultralocker lassen will, während die Töne in China andere sind. Die Kredite aus der großen Ankurbelung während der Finanzkrise 2008 belasten Banken und Wirtschaft noch heute. Deshalb und aus Furcht vor hoher Inflation sind Notenbanker und Politiker in China vorsichtig - was Investoren nicht mögen.
Die wirtschaftliche Aufholjagd in China ist noch lange nicht vorbei, der rasante Kursanstieg an den Börsen dürfte seine Pause aus dem ersten Quartal aber durchaus fortsetzen.
Mehr: Chinas Angriff auf die Weltwirtschaft – die nächste Phase hat begonnen
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Der Halbleiterhersteller unter Punkt 3 heißt SMIC. Dieser unterliegt allerdings auch starken US-Restriktionen.