Bücher: Welche Bücher Spitzenpolitiker und Unternehmer empfehlen


Der Beruf des Journalisten hat viele Vorzüge, einer davon: Man darf jedem Fragen stellen. Politikern, Unternehmerinnen, Wissenschaftlern, das ist ein großartiges Privileg meines Jobs.
Manche dieser Gespräche bleiben an der Oberfläche, manche aber gehen tiefer. Meist die, die vom eigentlichen Anlass abschweifen, hin zu ganz anderen Themen, zur Musik, zur Kunst, zum Kochen – oder zu einem der schönsten Zufluchtsorte des Denkens: zu Büchern.
Einer, mit dem man immer über Bücher sprechen kann, ist zum Beispiel Olaf Scholz. Keine Frage: Seine Amtszeit als neunter Kanzler der Bundesrepublik Deutschland war keine gute, sein Führungsstil kritikwürdig. Aber es gab eine interessante, eher unbekannte Seite dieses Kanzlers: Bücher prägten seinen Blick auf die Welt, sie halfen ihm, seine politischen Ziele und die großen Linien zu definieren.
Scholz hatte immer ein Buch dabei
In seiner etwas abgegriffenen Aktentasche, die er sich als Referendar nach dem Jurastudium gekauft hatte, trug Scholz auf seinen Reisen viele Akten mit sich, bis zu sieben Tageszeitungen, seine Lesebrille – und immer auch ein Buch. Wenn er in der Kanzlermaschine zu uns Journalisten nach hinten kam, um über die politische Lage zu diskutieren, erwähnte er manchmal das Buch, das er gerade las.
„Hillbilly Elegy“ etwa, jene 2016 erschienenen Erinnerungen des heutigen US-Vizepräsidenten J.D. Vance an dessen von Armut und Drogen geprägtes Aufwachsen in der weißen Arbeiterschicht von Ohio, sie haben Scholz zu Tränen gerührt. „Revolusi“ des belgischen Autors David Van Reybrouck über die Geschichte Indonesiens von der Kolonialherrschaft zur Unabhängigkeit von den Niederlanden hat Scholz’ Blick auf den globalen Süden geschärft, er erzählte oft davon.

Bücher, das wurde mir auf diesen Reisen bewusst, schufen das gedankliche Fundament, auf dem Scholz politische Visionen aufbaute – auch wenn sie am Ende in erfolglose Politik mündeten.
Auch Siemens-Chef Roland Busch liest viel und gibt anderen gern Empfehlungen. Dem Handelsblatt erzählte Busch einmal, dass er das Buch „Wie Zellen funktionieren“ von David Goodsell verschenkt habe, weil es ihn so faszinierte. Was dem Physiker das Atom, ist dem Biologen die Zelle. Busch, der promovierte Physiker, wollte die Grundlagen einer Disziplin verstehen, von der er vorher kaum Ahnung hatte.
Und dann gibt es Unternehmer, die von der Lektüre anderer derart angeregt sind, dass sie selbst zu Autoren werden. Drogerie-Mogul Dirk Roßmann las Jonathan Safran Foers Buch „Wir sind das Klima!“ und verschenkte gleich danach 2000 Exemplare an alle Bundestagsabgeordneten und die Vorstände sämtlicher Dax-Unternehmen. Später schrieb er neben einer Autobiografie drei Ökothriller. Das Klima, die Umwelt, es wurde sein Thema.
Für mich ist das Lesen ein Rückzugsort. Eine Sauna für den Kopf, in der sich die Gedanken klären und die Welt neu zusammensetzt.
In der beruflichen Recherche hilft mir das Lesen zum Beispiel, um ideologische Schichten freizulegen. „Hillbilly Elegy“ habe ich erst gelesen, nachdem Vance ins Weiße Haus aufgestiegen war. Ich wollte sein ultralibertäres, zugleich religiös geprägtes Denken nachvollziehen, auch seine Attitüde.
Zurzeit lese ich „Der junge Stalin“ des britischen Journalisten und Historikers Simon Sebag Montefiore, der durch eine exzellente Archivarbeit erklären kann, wie eine kriminelle Karriere in eine Mischung aus politischem Fanatismus und niederem Sadismus münden kann.
30 Empfehlungen aus den Führungsetagen
Weil Bücher eine große Wirkkraft entfalten können, haben wir uns in der Redaktion für die Ferienzeit etwas ausgedacht: Wir wollten wissen, was in den Führungsetagen von Wirtschaft, Finanzwelt und Politik gelesen und was empfohlen wird. Welche Bücher dort inspirieren, bilden, weiterbringen. Entstanden ist eine Liste mit 30 Empfehlungen, zusammengefasst von meinem Kollegen Sven Prange. Es ist eine, wie ich finde, sehr hilfreiche Lektüre für eine Zeit, die von Krieg, Krisen und Umbrüchen geprägt ist.
Wenn ich länger Urlaub hätte, würde ich versuchen, sie fast alle zu lesen. Da es nur zwei Wochen sind, beginne ich mit dem Tipp von Bayer-Chef Bill Anderson: „Democracy and Solidarity“ des Kulturhistorikers James Davison Hunter. Der Mann, der den Begriff „Culture Wars“ mitgeprägt hat, analysiert die Erosion demokratischer Kultur in den USA. Eine Lektüre, die auch hierzulande aktueller kaum sein könnte. Das Desaster um die Kandidatur der Juristin Frauke Brosius-Gersdorf für eine Richterstelle beim Bundesverfassungsgericht ist das beste Beispiel dafür.

Spannend finde ich auch die Empfehlung von Trumpf-Chefin Nicola Leibinger-Kammüller: „Sei klug und halte dich an Wunder“ von Mascha Kaléko, eine Sammlung pointierter Gedanken, Aphorismen und Gedichte. „Lebensklugheit trifft auf ironischen Witz und eine Spur Melancholie“, sagt Leibinger-Kammüller.
Lesen ist für mich essenziell, und ich frage mich, ob es auch bei meinen Kindern so sein wird. Noch lesen sie begeistert. Noch freuen sie sich auf jeden Besuch in der Bibliothek. Noch dürfen sie kein Smartphone haben. Aber was wird sein, wenn das erste Gerät kommt? Wird die Lust am Lesen dann weichen?
Vielleicht auch gerade nicht. Man muss nur auf Tiktok schauen, genauer gesagt auf „Booktok“. Da stellen junge Menschen Bücher vor, in kurzen Videos und mit wachsendem Erfolg. 25 Millionen Bücher wurden 2024 laut aktuellen Zahlen des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels wegen Booktok gekauft – doppelt so viele wie noch im Jahr zuvor. Inzwischen versammeln sich unter „#Booktok“ mehr als 50 Millionen Beiträge.
Vor allem die Jungen lesen wieder. In der Altersgruppe der 16- bis 19-Jährigen stieg der Anteil der Buchkäufer um fast zehn Prozent, bei den 20- bis 29-Jährigen um fast acht Prozent. Wer hätte das gedacht?





Es sind Zahlen, die beruhigen. Und sie zeigen: Die Zeit des Lesens ist nicht vorbei. Es beginnt vielleicht gerade neu. Lassen Sie sich von uns und unseren Ratgebern aus Politik und Wirtschaft inspirieren!
Erstpublikation: 25.07.2025, 09:14 Uhr.










