Kommentar: Die neue Bahn-Chefin geht endlich ein entscheidendes Problem an


Zu freundlich, zu weich, zu wenig Machtinstinkt. Das waren die Einwände gegen Evelyn Palla, als sie im Herbst an die Spitze der Deutschen Bahn rückte. Dann gab es auch noch ihre Ankündigungen, dass sich in Sachen Pünktlichkeit erst mal nichts verbessern, sondern verschlechtern würde. Als dann auch noch die schlechte Nachricht dazukam, dass sich die Eröffnung des Bahnhofs Stuttgarts 21 verzögern würde, sah sich so mancher Kritiker in seinem Urteil bestätigt.
Doch das war voreilig. Drei Monate später zieht Palla nun eine erste harte Linie. Und sie fängt da an, wo es kaum jemand erwartet hätte. Palla kehrt die Treppe von oben und das macht Sinn.
Nach Handelsblatt-Informationen aus Unterlagen des Aufsichtsrats plant sie einen tiefgreifenden Umbau der Zentrale. Die Führungsriege soll drastisch verkleinert, das Topmanagement faktisch halbiert werden. Die erste Ebene unterhalb des Vorstands schrumpft von 43 auf 22 Führungskräfte. Die Ebene der Konzernbeauftragten entfällt vollständig, fünf Posten verschwinden. In der gesamten Konzernzentrale plant die Südtirolerin einen „deutlichen“ Personalabbau.
Auch bei den Vorständen der Tochtergesellschaften sollen vier Positionen gestrichen werden. Wer bleibt, soll deutlich mehr Verantwortung tragen. Palla setzt auf Dezentralität und klare Zuständigkeiten bei den CEOs der operativen Einheiten.
Palla setzt damit auf das Rezept, das sie schon bei DB Regio erfolgreich angewandt hat. Drei Jahre führte sie die Regionalsparte, drehte sie betriebswirtschaftlich nach vorn, erzielte im ersten Halbjahr 2025 schwarze Zahlen und erreichte Pünktlichkeitswerte nahe 90 Prozent. Dafür genießt sie in der Branche Anerkennung.
Wahrscheinlich werden jetzt wieder die Ersten warnen, die Komplexität sei beim Gesamtkonzern ungleich höher, Eingriffe in die Führungsstrukturen würden sofort und überall wirken. Aber das sollen sie ja auch. Und Palla will richtig Tempo machen bei ihrem Reformplan. Zahlreiche Sanierungsprogramme sind zuvor gescheitert. Ihr Vorgänger Lutz versprach viel, hielt aber wenig. Das hörte die Politik gern, aber damit war niemandem geholfen. Der Zustand der Bahn gilt vielen Bürgern als Sinnbild staatlicher Dysfunktion. Entsprechend genau wird die Politik beobachten, ob Palla liefert.
Auch wenn die Verschlankung der Holding für erheblichen Unmut im Bahntower sorgen wird: Palla setzt den Rotstift dort an, wo er am stärksten schmerzt: direkt in ihrem eigenen Umfeld. Das ist nicht nur ein Signal in den gesamten Konzern, dass auf wirklich alle große Veränderungen zukommen.
Damit zeigt Palla auch Mut. Sie rückt endlich der Bürokratie zu Leibe, wo sie am stärksten wuchert. Wer mit Mitarbeitenden der operativen Bahntöchter spricht, hört seit Jahren dasselbe Mantra: Die Zentrale ist zu groß, zu komplex, zu langsam – schlichtweg aufgebläht. Entscheidungen wurden lange nicht mehr dort getroffen, wo die operative Expertise sitzt. Damit macht Palla Schluss.
Klar ist: Die Zentrale muss schlanker werden, wenn die Bahn wieder pünktlicher werden soll. Kein Konzern bleibt handlungs-, geschweige denn sanierungsfähig, wenn er sich im eigenen Managementdickicht verheddert. Die Rückverlagerung von Verantwortung in die operativen Bereiche ist deshalb nicht nur folgerichtig – sie ist überfällig.
Palla will auch die Unternehmenskultur grundlegend verändern. Künftig soll die DB wieder „auf Leistung arbeiten“. Da werden sich viele fragen, warum das in den vergangenen Jahren nicht der Fall war.
Mit ihrem Umbauplan zeigt die 52-Jährige aber auch eines: Die Vorbehalte gegen sie greifen nicht. Es waren jene Einwände, die Frauen in Spitzenpositionen nur allzu häufig entgegenschlagen.



In ihrem Plan setzt Palla 2026 als Jahr des Umbaus an. Jetzt muss sie liefern. Der Umbauplan stimmt einen aber zuversichtlich.
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