Kommentar Berlin und Paris geben ein schlechtes Beispiel für Europa ab – sie bilden ein Tandem der Trägheit

Die Minister bei der Vorstellung ihrer Reformpläne.
Es war Eigenlob in höchsten Tönen: Bundesfinanzminister Olaf Scholz und sein französischer Amtskollege Bruno Le Maire gerieten ins Schwärmen, als sie am Dienstag ihre nationalen Investitions- und Reformpläne vorstellten. Der deutsch-französische Motor laufe auf Hochtouren, das war die Botschaft ihrer Videoschalte, und er treibe ganz Europa an.
Die Realität sieht anders aus. Deutschland und Frankreich bilden ein Tandem der Trägheit. Scholz und Le Maire haben wenig Neues zu bieten, schwierige Reformen schieben sie auf. Mit ihrem mangelnden Elan drohen die beiden größten Volkswirtschaften der EU eine große Chance zur Modernisierung Europas zu verspielen.
Es ist keine Übertreibung, das Projekt, um das es geht, historisch zu nennen: Erstmals in der Geschichte Europas kann die EU im großen Stil Schulden aufnehmen und das Geld, teils als Zuschüsse, teils als Darlehen, an die Mitgliedstaaten weiterreichen.
Der mit 750 Milliarden Euro gefüllte Wiederaufbaufonds soll verhindern, dass Europa ökonomisch weiter auseinanderdriftet. Denn der wirtschaftsstarke Norden erhält an den Märkten viel günstigere Konditionen als der angeschlagene Süden.
Die gemeinsame Finanzierung gleicht die Startbedingungen bei der Bekämpfung der Krisenfolgen an und verhindert, dass Europa die Fehler der Euro-Krise wiederholt. Nicht nur Länder wie Italien, Spanien und Griechenland profitieren davon, sondern letztlich auch Deutschland, das als Exportnation die Kaufkraft seiner europäischen Partner benötigt.
Negative Signalwirkung für den Rest Europas
Es war Scholz, der zusammen mit Le Maire den Anstoß für den Wiederaufbaufonds gab. Etwas Eigenlob sei dem Vizekanzler also vergönnt, gerade in Wahlkampfzeiten. Auch die Idee, die Zahlungen an Auflagen zu koppeln, war richtig. Diese sollen sicherstellen, dass die Investitionsmittel sinnvoll ausgegeben werden und die Regierungen Strukturreformen anpacken.
Nur geben jetzt ausgerechnet Scholz und Le Maire ein schlechtes Vorbild ab. Deutschland finanziert mit dem Geld der EU zu 80 Prozent Projekte, die ohnehin geplant waren. Zusätzliche Wachstumsimpulse, die etwa der Internationale Währungsfonds von Berlin fordert, bleiben weitgehend aus. Bei den Franzosen ist es ähnlich.
Und auch bei ihrer Reformverweigerung sind Scholz und Le Maire ganz nah beieinander. Auf den von Brüssel schon länger angemahnten Umbau des Rentensystems verzichtet der Bundesfinanzminister, er entlastet weder Zweitverdiener, noch liberalisiert er regulierte Berufe. Das wird Signalwirkung für den Rest Europas haben. Die deutsch-französische Ambitionslosigkeit ist leider ansteckend – und deshalb so ein Ärgernis.
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