Kommentar Bigger Tech: Apple, Google & Co. überwinden die Grenzen des Wachstums

Die großen Technologiekonzerne prägen mit ihren Plattformen den digitalen Alltag von Verbrauchern und Unternehmen.
In der Wirtschaft gilt eine Gesetzmäßigkeit: Je größer ein Unternehmen wird, desto geringer ist das Wachstum. Das hat mit der Bürokratie zu tun, die Organisationen ab einer gewissen Größe durchzieht, aber auch mit der Schwierigkeit, immer neue lukrative Geschäftsfelder zu erschließen.
Einige wenige Konzerne erwecken indes den Eindruck, dass sie sich über die Grenzen des Wachstums hinwegsetzen können. Ob Apple mit dem iPhone, Alphabet und Facebook mit der Onlinewerbung oder Microsoft und Amazon mit ihren Systemen fürs Cloud-Computing: Die großen Technologiekonzerne haben in dieser Woche spektakulär gute Quartalszahlen vorgelegt.
Dafür gibt es mehrere Gründe. Die Corona-Pandemie hat eine Digitalisierung aller Lebensbereiche erzwungen, von der praktisch alle Technologieunternehmen profitieren, von Snap bis Netflix, von Salesforce bis – ja: IBM.
Bei den Big Five kommt jedoch hinzu, dass sie mit ihren Produkten und Plattformen zentrale digitale Märkte beherrschen. Die Zwischenbilanzen dürften insofern nicht nur die Aktionäre aufmerken lassen, sondern auch die Kartellbehörden.
Von der Sonderkonjunktur profitiert der gesamte Technologiesektor, so unterschiedliche Unternehmen wie Crowdstrike, Qualtrics und Zoom haben in den vergangenen Monaten hervorragende Geschäfte gemacht – ihre Aktienkurse zeigen das.
- Nur der Chipmangel gefährdet Apples aktuellen Superzyklus
- Facebook warnt vor „deutlichem“ Rückgang des Wachstums
- Google-Mutter Alphabet steigert Umsatz unerwartet kräftig
- Microsoft übertrifft Umsatzerwartungen dank Cloud-Geschäft
Und die Investitionen in die Digitalisierung bleiben hoch. Besonders Technologien für die digitale Transformation sind gefragt, von Videokonferenzsystemen über Onlineshops bis Cloud-Infrastrukturen.
In der Technologiebranche gibt es eine „Super League“
Allerdings gibt es innerhalb der Branche eine Zweiklassengesellschaft. Die fünf Technologiekonzerne wachsen trotz ihrer gewaltigen Größe immer noch ähnlich stark wie manches Start-up. Das schlägt sich im Börsenwert nieder: Sie bilden eine Art „Super League“, in der alle Vertreter mindestens eine Billion Dollar wert sind.
Ein paar Zahlen zeigen die Dominanz: Alphabet, Apple, Facebook und Microsoft verbuchten im zweiten Quartal zusammen rund 220 Milliarden Dollar Umsatz und damit deutlich mehr als die Wall Street erwartet hatte. Und die Gewinne der Techkonzerne stiegen auf insgesamt 68 Milliarden Dollar. Mit solchen Summen ließe sich so mancher Staatshaushalt finanzieren.
Auch die Prognosen sind glänzend, sieht man von Facebook ab. Das hat aber nicht etwa mit der Konkurrenz im Online-Werbemarkt zu tun, sondern mit einer Änderung im Apple-Betriebssystem iOS, die die Personalisierung von Anzeigen bei den vielen iPhone-Nutzern erschwert. Die Konzerne können sich also allenfalls gegenseitig die Grenzen aufzeigen.
Die Unternehmen haben, anders als das vereinheitlichende Schlagwort Big Tech suggeriert, sehr unterschiedliche Geschäftsmodelle, die auf sehr unterschiedlichen Technologien beruhen. Eines ist ihnen aber gemeinsam: Sie haben über viele Jahre massiv investiert, um zentrale Plattformen der digitalen Wirtschaft aufzubauen, die den Alltag von Verbrauchern und Geschäftskunden prägen. Nun geben sie die Regeln vor, oft zu ihrem eigenen Vorteil. Der Wirtschaftsprofessor Scott Galloway bezeichnet Big Tech polemisch als „unreguliertes Monopol“.
Zudem haben sie es geschafft, über die ursprüngliche Geschäftsidee hinaus erfolgreich zu sein. Apple ist einer der größten Uhrenhersteller der Welt, die Google-Tochter Youtube dürfte als unabhängiges Unternehmen mehr wert sein dürfte als Netflix und Disney, und Microsoft hat mehrere Sparten, die nicht unbedingt zum Kerngeschäft zählen, aber trotzdem mindestens zehn Milliarden Dollar Umsatz einbringen, von Computerspielen bis zum Karrierenetzwerk LinkedIn.
Die Cash-Reserven vergrößern den Abstand weiter
Mit ihren schier unendlichen Cash-Reserven verstärken die Konzerne ihre Wettbewerbsvorteile immer weiter. Sie investieren in Logistikzentren oder die Chipentwicklung, sie bauen Niederlassungen in aller Welt, und sie kaufen andere Unternehmen – wegen ihrer Technologie, ihrer Fachleute oder einfach, um einen Konkurrenten aus dem Markt zu nehmen. Dass ein Start-up Google, Apple oder Facebook entthront, ist auf kurze und mittlere Sicht kaum zu denken.
Die bombastischen Zwischenergebnisse dürften die Kartellbehörden darin bestärken, dass sie die Macht der großen Technologieunternehmen mit ihren vielfältigen Geschäften genau untersuchen und beschränken müssen. Größe per se ist kein Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln.
Die Art, wie die Konzerne auf ihren Plattformen Regeln aufstellen, wie sie ihre mächtigen Positionen ausnutzen und wie sie damit verdienen, fordert aber eine genaue Prüfung heraus.
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